Nach weniger als zwei Jahren tritt Sahra Wagenknecht als Vorsitzende des nach ihr benannten BSW ab. Ihr Nachfolger wird der Europa-Abgeordnete Fabio de Masi. Wagenknecht will künftig einer Grundsatzkommission der Partei vorstehen – und schielt nach einem nicht existierenden Amt.
picture alliance/dpa | Michael Kappeler
Den Satz, sie trete ab, vermeidet Sahra Wagenknecht (56) in der Pressekonferenz. Sie frohlockt sogar, sie müsse einige Journalisten enttäuschen, die diesen Rückzug schon vermeldet hätten. Doch auch wenn es Wagenknecht anders nennt: Nach weniger als zwei Jahren tritt sie als Vorsitzende der Partei ab, die Anfang 2024 als Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) gegründet wurde. Amira Mohamed Ali (35) bleibt Vorsitzende, künftig wohl neben Fabio de Masi (35), wenn der Parteitag am Nikolaustag dem Vorschlag zustimmt.
Die Partei hält an dem Kürzel BSW fest. Aber der Vorstand will, dass dies künftig für den Namen „Bündnis Soziale Gerechtigkeit und Wirtschaftliche Vernunft“ steht. Dass linke Parteien ihren Namen ändern kommt häufig vor. Die Linke hieß zuvor PDS und WASG, davor SED. Solche Namenswechsel sind in der Regel ein Zeichen dafür, dass es nicht mehr läuft. Mit dem neuen Namen soll alles besser werden. So wie ohnehin das wichtigste linke Credo lautet, dass der Sozialismus bisher zwar immer gescheitert ist, aber dass der nächste Versuch ganz bestimmt klappt.
Dass es nicht gut läuft für das BSW, will Gründerin Wagenknecht ebenso wenig sagen, wie dass sie zurücktritt. Die Partei habe am Anfang – Januar 2024 – ein großes Potenzial gehabt. Doch große Teile dieses Potenziales seien wieder abgewandert. Zum Bedauern von Wagenknecht an die AfD. Die Abwanderer wolle sie jetzt zurückgewinnen, indem die Partei auch jenseits des Themas Frieden mit Russland erkennbar werde. Deswegen will die noch amtierende Vorsitzende eine Grundsatz-Kommission gründen und deren Vorsitz übernehmen.
Doch damit steckt Wagenknecht knietief in den Gründen für die Krise ihrer Partei. Auch wenn sie diese Krise nicht als solche benennen will. Das Bündnis hatte Anfang 2024 auch deshalb hohe Zustimmungswerte, weil die Partei dem Kult um die „Brandmauer“ abschwor und den Korridor des Sagbaren wieder erweitern wollte. Doch nach den Wahlerfolgen im September 2024 in drei ostdeutschen Ländern verhielt sich das BSW genauso, wie es Wagenknecht zuvor den anderen Parteien vorgeworfen hat: An der Brandmauer festhalten und selbst zu jedem Preis in Koalitionen und gut bezahlte Ämter hineingehen.
Durch die Regierungsbeteiligungen entstanden die Probleme, an denen das Bündnis heute leidet. Ursprünglich war es ein Projekt von Wagenknecht und ihrem Mann Oskar Lafontaine. Zwei Individualisten, die zusammen schon mehrere Parteibücher hingeschmissen haben, weil die anderen nicht nach ihrer Pfeife getanzt haben. Wie Wagenknecht das an diesem Montag umschreibt, ist lustig: Am Anfang könne nicht jedes Mitglied einer Partei alle Inhalte einer Partei verinnerlichen. So elegant hat noch niemand nach unbedingtem Gehorsam verlangt. Denn am Anfang war Sahra Wagenknecht der Inhalt des Bündnis Sahra Wagenknecht. Umso mehr der Einfrau und ihrem Mann in der Einfraupartei die Zügel aus der Hand glitten, desto stärker wurden die Streitigkeiten in den Landesverbänden. Die sind nahezu alle zerstritten. Am stärksten dort, wo sie mitregieren.
Wagenknecht und Lafontaine nahmen nur tröpfchenweise Mitglieder auf, um Widerspruch zu verhindern. Doch jetzt sind es über 7000 Mitglieder. Ali möchte die Zahl bis Ende des Jahres auf über 10.000 Köpfe erhöhen. Einige dieser Köpfe haben in den Bundesländern Verantwortung übernommen und wollen nicht von Wagenknecht in ihr Tagesgeschäft hineinregiert bekommen. Auch wenn die bisherige Vorsitzende genau das künftig als Kopf der Grundsatzkommission tun will. Ebenfalls eine beliebte Exit-Strategie unter Linken: Wenn’s nicht klappt, flüchte dich in die thematische Arbeit.
Doch ein Comeback kann sich Wagenknecht durchaus vorstellen: Als Vorsitzende der Bundestagsfraktion, die es derzeit gar nicht gibt. Doch der Talkshow-Dauergast sieht schwere und systematische Auszählfehler nach der Bundestagswahl im Februar. Sie hat den Rechtsweg eingeleitet, um eine Neu-Auszählung durchzusetzen. Zieht das nur knapp gescheiterte BSW auf diesem Weg nachträglich ins Parlament ein, will Wagenknecht der Fraktion vorsitzen. Mit erhöhten Abgeordnetenbezügen. Wie es dem sozialistischen Individuum im Kapitalismus gut geht, haben Lafontaine und Wagenknecht schon immer gewusst.



Sie müssenangemeldet sein um einen Kommentar oder eine Antwort schreiben zu können
Bitte loggen Sie sich ein
Mit dem BSW wird es enden wie mit Hans-Georg Maaßen’s Werteunion. Die Parallelen dazu sind offensichtlich.
Wer muß denn um Wagenknecht weinen, denn sie war und ist eine lupenreine Kommunistin, lediglich mit dem Attribut ausgestattet sich anders zu geben, wobei ihr Äußeres sichtbar Rosa Luxenburg imitiert im zeitgemäßen Gewand, als Unterstreichung besonderer Wertigkeit und sie dem linken Pöbel innerhalb der alten SED nicht gewachsen ist, weil die immer noch in alter Apparatschik-Manier verfahren, worüber sie seit langem erhaben ist und eigentlich für eine Kommunisten-Partei deluxe Verantwortung tragen sollte, was Oskar ihr wahrscheinlich auch angeraten hat um in diesem Verein nicht mehr groß mitzuwirken. Mit Maßen ist das so eine Sache und er war sicherlich ein pflichtbewußter… Mehr
Das BSW war von Anfang an eine Todgeburt denn wenn sich Linke in einer Partei breit machen ist die erledigt. Die Wagenknecht hat aufgenommen wen sie kriegen konnte und das Ergebnis sehen wir jetzt. Es hat nicht mal für ein anständiges Parteiprogramm gelangt und wie das BSW Politik macht sehen wir in Thüringen. Machtgeilheit ist ein schlechtes Motiv für die Neugründung einer Partei, das kann man erst ausleben wenn man an der Macht ist. Schlimm fand ich, wie Frau Wagenknecht in einer Talkshow rum gebarmt hat, daß ihre Partei in den Medien praktisch nicht vorgekommen ist. Ich hatte eher den… Mehr
In Umfragen steht das BSW derzeit bei drei, vier Prozent. Abzuwarten bleibt, ob es sich zur „die Linke Nr. 2“ entwickelt und die Fünf-Prozent-Hürde schaffen könnte. Und dann Frau Reichinnek ein paar Prozente weg nimmt – oder längerfristig mit der Linken zusammengeht, auch eine theoretische Möglichkeit, um dann so stark wie die SPD zu werden.
So, ist die Selbstinszenierung der Champagner-Kommunistin immer noch nicht vorbei? Ich glaube nach wie vor, dass das BSW ein Fliegenfänger für linkslastige Konservative werden sollte, um deren Bindung an die AfD zu verhindern. Alles Show. Und schon die obskuren Streitigkeiten bei den Koalitionen in den Landesverbänden im Osten sowie die Restriktionen, überhaupt in diesen elitären Club aufgenommen zu werden, nein, das war alles Augenwischerei. Und wer sich die Programmatik und das Gebaren angeschaut hat, der erkannte durchaus Oskars Handschrift. Nein, das BSW bleibt ein Teil der Blockpartei und dient rein als Fliegenfänger für unentschlossene Wähler, die sonst zur AfD tendieren… Mehr
Ich verstehe bis heute nicht, dass Menschen freiwillig einer sara wagenknecht hinterherlaufen. Ich habe nicht vergessen, dass diese Person NACH DEM MAUERFALL in die sed eingetreten ist. Wer tut so was???
Da scheinen einige völlig auszublenden, was in über vierzig Jahren ddr so furchtbar schief gelaufen ist – nämlich das der Sozialismus alles erstickt und zerstört hat – von der Menschlichkeit bis zum totalen Bankrott.
In meinen Augen war das eine Schnapsidee, eine Partei mit dem eigenen Namen zu benennen, was schon reichlich vermessen ist und was im kleinen beginnt, endet mit der Selbstkrönung aller Despoten und eigentlich hätte da der Verstand walten müssen und das wurde nun selbst bewußt und hat jetzt sein Ende gefunden, aber lieber ein Ende durch Vernunft, denn alles andere ist auch nicht gut für die Gesellschaft, wenn der neue rote Adel im Schloß residiert und jüngst zur Hatz und Endlösung des politischen Gegners aufruft, was an alte Tage erinnert und es früher ähnlich angefangen hat.
Als sie die BSW gründete habe ich gefragt warum sie das tut. Warum tut sie sich das an? Wenn man immer überall dabei war kann man vielleicht nicht mehr anders. An ihrer Stelle würde ich mich um den Rest meines Lebens kümmern. Tut mir nicht leid, Schuld eigen.
Ich habe Respekt vor Wagenknecht und Fabio de Masi. Immerhin hatten die beiden kein Problem mit einer klaren Ansage an VdL und Scholz. Soweit ich mich erinnere fiel die Bezeichnung Kriminell.
Welche andere Politiker waren so klar und deutlich?
Doch das Problem von diesen beiden ist ihre Anhängerschaft. Die beide wollen eine Retro-SPD während viele von ihren Anhängern eine SED 2.0 wollen.
Die Genossin „Spatz“ hat ihre systemstützende Mission erfüllt. Durch alle GEZÖRR AgitProp Shows getingelt, der einzigen Opposition ein paar Stimmen abgenommen, Job done. Nun kann das weg und weiter schmarotzen.
Moin,
ich habe immer noch die Hoffnung, daß die selbsternannte Mitte als Problem erkannt wird.
Ohne Sahra an der Spitze, können die ÖR viel schwerer Sondierungsgespräche mit der AFD dämonisieren. Unter dem Strich haben die Wahlprogramme nämlich für den Bürger interessant große Schnittmengen.
Wäre zumindest unterhaltsam, inwieweit dann das Narrativ gesichert links oder rechtsextrem verkauft werden soll.
Ganz im Ernst, das BSW ist aus dem Welpenschutz dem die ÖR es nie gelassen haben.
Lassen wir uns überraschen, was im Kopf der Wähler so vorsich gehen mag.
LG