Millionenschaden, Korruption, Intrigen und dreiste Selbstbereicherung: Der Skandal um die Frankfurter Arbeiterwohlfahrt (AWO) und die dortige SPD beschreibt im Kleinen, warum Deutschland im Großen gelähmt ist.
picture alliance/dpa | Arne Dedert
Im Jahr 2020 begann für Tichys Einblick alles mit einem unfrankierten Umschlag, der nach Weihnachten im Redaktionsbriefkasten gefunden wurde. Darin: Belege, Überweisungsnachweise und zwei Anzeigen, die von anonymer Seite bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt eingereicht worden waren. Tichys Einblick berichtete schon früher, verfügte nun jedoch über exklusive und intime Quellen:
Denn das Ehepaar Jürgen und Hannelore Richter hatten ein geschicktes System der Selbstbereicherung aufgebaut. Jürgen Richter war Geschäftsführer der Frankfurter AWO, seine Ehefrau Hannelore Sonderbeauftragte derselben – und in Wiesbaden war Jürgen Vorstand, Hannelore Geschäftsführung. Im Feudalherrenstil herrschten die Richters über Posten und Gelder.
Wer sich korrumpieren ließ, wurde belohnt; wer nicht korrumpierbar war, wurde draußen gehalten. Ein Gewinner und besonderer Freund war Peter Feldmann, der SPD-Oberbürgermeister Frankfurts. Seine Karriere begann einst bei der Arbeiterwohlfahrt Frankfurt, die Arbeiterwohlfahrt betrieb für ihn Wahlkampf und sammelte Spenden, eine Scheinbeschäftigung gab ihm im Wahlkampf ein Einkommen. Seine Frau Zübeyde Feldmann konnte ohne besondere Qualifikation jahrzehntelange Gehaltsprogression im Tarifvertrag für KITA-Mitarbeiter überspringen, wurde KITA-Leiterin, erhielt ungewöhnlicherweise einen Dienstwagen.
Im Gegenzug hielt Feldmann seine Hand schützend über die AWO. Lukrative Aufträge der Stadt gingen an die AWO; Unregelmäßigkeiten in der Rechnungsstellung, Gerüchte um Verschwendung und explodierende Kosten wurden unter den Teppich gekehrt. Mit beteiligt, aber nicht Nutznießer des Systems, die CDU im Ortsparlament. Ihre Motivation: „den guten Ruf“ der AWO zu schützen.
Die Richters selbst lebten gut vom Geld der AWO. Sechsstellige Gehälter waren ihnen nicht genug. Ein KITA-Geschäftsführungsposten für Sohn Gereon, samt Luxusklasse-Dienstwagen, war nicht genug. Jürgen Richter unterhielt einen Kleinwagen als Firmenwagen, ließ sich aber tausende Euro Fahrtkosten im privaten Jaguar erstatten. Die AWO Frankfurt gründete zahlreiche Tochterunternehmen – alle vorgeblich gemeinnützig – die dann die Richters und andere AWO-Führer mit lukrativen Beratungsverträgen bedachten. Oder gleich einen der Richter als Geschäftsführer beriefen. Hannelore Richter war Geschäftsführerin der AWO Wiesbaden, mit vollem Gehalt – und verdiente als Sonderbrauftragte der AWO Frankfurt noch einmal 70.000 Euro im Jahr dazu.
Zwei Vollzeitstellen also, dazu weitere Tätigkeiten als Leiterin von Einrichtungen, Beraterin usw. Dienstreisen nach Israel (mit 20-köpfiger Delegation, mondänen Hotels, Bodyguards), Teeautomaten für 1.200 Euro, vererbbare Pensionsansprüche – keine Untreue war zu groß, keine Rechnung zu klein, dass man sich damit nicht bereichern konnte. Panagiotis Triantafillidis war stellvertretender Geschäftsführer der AWO Frankfurt – und gleichzeitig Sonderbeauftragter der AWO für „Bau und Finanzen“. Währenddessen arbeitete er auch noch als Rechtsanwalt für die AWO Frankfurt. Alle drei Posten wurden bezahlt. Und zwar nicht zu knapp, alleine für seine Tätigkeiten als Rechtsanwalt stellte die Kanzlei Triantafillidis‘ der AWO 195.402,52 Euro in Rechnung. Klaus Roth, Geschäftsführer der AWO-Tochter „AWO Protect“ wird in einem aktuellen Gerichtsverfahren unter anderem vorgeworfen, er habe Uniformen zu einem überhöhten Preis von 36.000 Euro eingekauft – und vom Lieferanten Bestechungsgelder erhalten.
Die AWO-Protect wurde gegründet, um damit einen AWO-eigenen Sicherheitsdienst aufzubauen. Dieser Sicherheitsdienst sollte unter anderem Flüchtlingsheime bewachen. Für diesen Spaß bezahlte die Stadt 7,1 Millionen Euro. Klaus Roth erhielt ein Geschäftsführergehalt, blieb vermutlich aber weiterhin Abteilungsleiter KITA bei der Mutter-AWO Frankfurt. Für diese Stelle erhielt er ebenfalls ein Gehalt.
Kassenprüfer der AWO, und also beauftragt, solche Unregelmäßigkeiten zu unterbinden, war die SPD-Politikerin Uli Nissen, derzeit Bundestagsabgeordnete. Sie weist alle Verantwortung von sich: Sie sei mit der Kassenprüfung für die AWO, ein ehrenamtlicher Posten, überfordert gewesen. Dem ehemaligen Sozialdezernenten Wiesbadens, Chrostoph Manjura (SPD), wird vorgeworfen, ein Scheinarbeitsverhältnis mit der AWO unterhalten zu haben. Etliche andere SPD-Mitglieder sind impliziert – oder mit der Aufarbeitung des Skandals beauftragt.
Der Skandal brach sich 2019 Bahn, als Lokalreporter Daniel Gräber, damals bei der Frankfurter Neuen Presse, die ersten Artikel zum Thema veröffentlichte. Doch Gräber wechselte bald zu den Badischen Neuesten Nachrichten, heute ist er Teil der Chefredaktion von Apollo News. Tichys Einblick übernahm die Aufklärung, denn die FNP wollte das Thema nicht weiter vorantreiben; auch die FAZ versteckte Berichte über die Korruption in der AWO im hinteren Lokalteil.
Wie nun bekannt wurde, beauftragte Klaus Roths AWO-Protect noch 2019 eine Privatdetektei damit, Daniel Gräber und andere Personen auszuspähen. Die AWO-Protect war zu diesem Zeitpunkt wohl schon zahlungsunfähig, denn die Stadt hatte ihr den Auftrag zur Bewachung von Flüchtlingsheimen still entzogen. Das Unternehmen wurde mit einem Darlehen der AWO Frankfurt über Wasser gehalten. Dementsprechend wirft die Staatsanwaltschaft Roth nicht nur Untreue und Betrug, sondern auch Insolvenzverschleppung vor.
Auf eine Anfrage an die AWO, ob auch Tichys Einblick ausgespäht wurde, antwortete der Vorstand, man habe „bei der Aufarbeitung der Tätigkeit der früheren Führung der AWO Frankfurt zu diesem Gerücht keine belastbaren Belege gefunden. Daher können wir Ihnen keine weiteren Auskünfte geben.“ Wie die WELT berichtet, lassen sich in den Bankauszügen der AWO Protect aber sehr wohl Überweisungen an eine Detektei finden.
Auch gegen das Ehepaar Richter laufen mehrere Verfahren. Ende August hatte die Staatsanwaltschaft Anklage eingereicht. Dem Ehepaar und dem ehemaligen Geschäftsführer der AWO Wiesbaden, Murat B., werden zusammen mehr als 260 Straftaten vorgeworfen. Außerdem sind Vermögen von 2,5 Millionen Euro eingefroren.
Doch das System AWO ist perfide: Es wurde ermöglicht, weil Parteifreunde der SPD einander decken, einander Aufträge, Posten und politisches Kapital zuschieben. Die Aufklärung verläuft schleppend. Es dauerte lange, bis es zu ersten Hausdurchsuchungen kam, erste Anklagen wurden durch die Gerichte nicht zugelassen, die Richter im Prozess gegen Jürgen und Hannelore Richter wechselten mehrfach. Seit 2022 stockt der Prozess mit mittlerweile 40.000 Aktenseiten. Dass die SPD auf Landesebene über Karrieren von Richtern und Staatsanwälten entscheidet, ist dabei wohl nur Zufall.
Bundestagsabgeordnete und Minister schmücken sich mit AWO-Mitgliedschaften und Posten, für die sie keinen Finger rühren müssen. Die AWO verdient derweil prächtig mit dem Betrieb von Kindergärten, Flüchtlingsheimen und sozialen Einrichtungen. Die Arbeiterwohlfahrt als Ganzes ist einer der größten Konzerne Deutschlands – unterliegt aber dem Vereinsrecht und damit denselben Regeln wie jeder kleine Heimatkundeverein. So kann es wohl kaum überraschen, dass der Skandal um die AWO Frankfurt kein Einzelfall ist. Immer wieder werden Fälle in ganz Deutschland bekannt, bei denen Genossen sich selbst bereichern und die laxen Regeln ausnutzen. Sogar Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig ist in einem AWO-Skandal impliziert.
Der Skandal um die AWO Frankfurt ist nur der dreisteste – und der, bei dem Tichys Einblick an der Aufklärung beteiligt sein konnte.





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„Uli Nissen, derzeit Bundestagsabgeordnete, (…) sei mit der Kassenprüfung für die AWO, ein ehrenamtlicher Posten, überfordert gewesen.“
Aha – weil sie mit der Kassenprüfung überfordert war, sitzt sie jetzt im Bundestag.
Wir werden nicht mehr belogen sondern offen verhöhnt!
Das ist ja eine interessante Story, die gleichzeitig allen sogenannten Verschwörungstheoretikern bestätigt, daß sie bei vielen Annahmen, hinsichtlich des rot-grün-schwarzen Filzes nicht falsch liegen und der Sumpf noch längst nicht ausgetrocknet ist und das zieht sich durch alle Lande und ist ungeheuerlich, weil man damit den Wählerwillen untergräbt. Der wählt im guten Glauben, weil er mit seiner Stimme etwas bewegen will und sie nur lächeln können, weil Wahlen nichts bewirken und somit im Grunde genommen diese Initiatoren eine gesetzlose Bande bilden, die sich einen Dreck um Konventionen schert und damit alle Gesetze verletzt, die beim Recht beginnen und mit dem… Mehr
Ich komme aus einer Kleinstadt in NRW. Vor mehr als 35 Jahren habe ich den Zivildienst bei der AWO in einer Altentagesstätte geleistet. Unter anderem erhielt die AWO Spenden von Verstorbenen und übernahm Wohnungsauflösungen. Hierbei landeten teils hochwertige Möbel im Lager der AWO. Diese verschwanden regelmäßig. Der Vorsitzende holte gern die Schlüssel für die Wohnungsauflösungen persönlich ab und inspizierte die Wohnungen vorab. Er hatte auch einen Widersacher: den örtliche Antiquitätenhändler… Frau und Tochter arbeiteten für die AWO. Der Sohn betrieb ein Restaurant und sorge bei Veranstaltungen fürs Catering. Ich meldete meine Beobachtungen an den Kreis. Schnell kam jemand aus dem… Mehr
Frau Barley wurde Präsidentin des ASB. Ich habe die Mitgliedschaft dann sofort beendet -mit entsprechendem Hinweis,
AWO, Caritas und wie sie alle heißen, profitieren in Größenordnungen von der Pflegeversicherung – Ergebnis knallharter Lobbyarbeit, die in Deutschland nicht Beeinflussung oder Korruption heißen darf. Zur Erinnerung: seit 1995 gibt es in Deutschland als einzigem Land der Welt eine solche Versicherung. Bis dahin haben 80% der betroffenen Deutschen die Kosten für ihre Pflege selbst getragen, Die verbleibenden 20%, die sich das nicht leisten konnten, erhielten staatliche Unterstützung. Die deutsche Pflegeversicherung ist eine Gelddruckmaschine für private und kirchliche Sozialdienste. Die Kosten für die eigentliche Pflege, Kost und Logie in einem Pflegeheim machen keine 30% an der monatlichen Gesamtrechnung aus. Wenn… Mehr
Trotzdem haben die Frankfurter ein genauso weiter & mehr davon gewählt, als der korrupte Feldmann vom Hof gejagt wurde, weil die sich „konservativ“ nennenden Bürger, ihre faulen & fetten @@ nicht aus den Sessel gekriegt haben, va. in den „Speck“gürteln, wo wahrscheinlich auch einige der AWO-„s“PD-Kamarilla wohnen……
Wieso macht unsereins dabei eigentlich nicht mit? Drei gutdotierte Vollzeitstellen ohne Arbeit, Dienstwagen, doppelt und dreifacher Pensionsanspruch — auch haben wollen! Menno…
Die von der AWO sind nach 89 ebenso über den Osten hergefallen, wie viele andere auch. Arbeiterwohlfahrt , damals klang es gut in den Ohren vieler Ostdeutscher , wir konnten nicht ahnen, was das für Hyänen sind , die unter Wohlfahrt i n erster Line , die Wohlfahrt der eigenen Funktionäre verstanden haben. Meine Frau , eine Kindergärtnerin, kommt aus Ungarn, spricht akzentfrei unsere Sprache und musste sich in dem Kindergarten indem sie schon 6 Jahre angestellt war, neu bewerben, nachdem dieser von diesem 1990 von diesem Verein übernommen wurde. „Sie mit Ihre Ausbildung in Ungarn, haben hier keine Chance… Mehr
Die AWO in Thüringen hat ihren eigenen Skandal mit der Geschäftsführung. Wenn es um Organisationen in anderen Ländern geht, wird dann hierzulande gern von „mafiösen Strukturen“ gesprochen. Diesen Sumpf auszutrocknen, ist wohl eine Aufgabe für Sonderermittler, wie sie in Süditalien im Einsatz sind. Und die leben nicht ganz ungefährlich. Die SPD hat sich zu einem Krebsgeschwür entwickelt, dem wohl nur mit brachialer Gewalt Einhalt geboten werden kann.
„Doch das System AWO ist perfide: Es wurde ermöglicht, weil Parteifreunde der SPD einander decken, einander Aufträge, Posten und politisches Kapital zuschieben. Die Aufklärung verläuft schleppend.“
Ersetze „AWO“ durch „Einheitspartei“, „Kartellpartei“ oder „Unsere Demokratie“, und es beschreibt, meiner Meinung nach, das politische System in der BRD. Weshalb die auch die AfD so dermassen verbissen bekämpfen. Denn die AfD gehört nicht dazu und beabsichtigt, diese Strukturen aufzudecken und zu zerstören.
ich würde wetten,das exakt diese „Geschäftsmodell“ ebenso bei anderen „Wohlfahrtsträgern“ wie der Diakonie etc dann eben von der schwarzen Fraktion ebenso betrieben werden. Nicht umsonst musste man zb in BW Generationenlang „schwarz“ sein,um weiter vorran zu kommen im kommunalen oder Kreisbereich.
Diese ganze „Republik“ stinkt nach Vetternwirtschaft und „Andenpakten“