EU-Urheberrecht: Die Stunde der Wahrheit

Der Staat soll Verwertungsgesellschaften initiieren und Google verpflichten, für Zeitungsausschnitte zu bezahlen. Doch wer hindert die Zeitungsverlage daran, selbst Verwertungsgesellschaften zu gründen oder Google die Veröffentlichung von Zeitungsausschnitten zu untersagen? Das Urheberrecht sicherlich nicht.

© Sean Gallup/Getty Images

Wenn die Justizministerin Katarina Barley nächste Woche am 9. April die Urheberrechtsreform im EU-Rat der Justizminister durchwinkt, dann bricht sie im Namen ihrer eigenen Partei den Koalitionsvertrag. Das ist bemerkenswert, da Barley ja gleichzeitig Spitzenkandidatin der SPD zur EU-Wahl ist, und nur wenige Themen derartig Aufmerksamkeit auf europäischer Ebene haben. Im Koalitionsvertrag heißt es nämlich: „Eine Verpflichtung von Plattformen zum Einsatz von Upload-Filtern, um von Nutzern hochgeladene Inhalte nach urheberrechtsverletzenden Inhalten zu „filtern“, lehnen wir als unverhältnismäßig ab.“ Die GroKo spricht sich im Koalitionsvertrag also gegen eine Erweiterung des Haftungsregime auf Internetplattformen wie Google, YouTube und Co. aus.

Doch eigentlich ist dieser Bruch des Koalitionsvertrags ein kollektiver. Denn auch die Union unterstützt die Urheberrechtsreform. Schon im EU-Parlament hat die EVP-Fraktion letztlich dem Richtlinienentwurf zur Mehrheit verholfen. Es waren also CDU und CSU, die die entscheiden Stimmen für die Mehrheit sicherten.

Die Urheberrechtsreform durchbricht fundamentale marktwirtschaftliche Prinzipien. Eine marktwirtschaftliche Ordnung funktioniert dann gut, wenn das Eigentum geschützt wird. Also, wenn derjenige, dessen Eigentumsrechte verletzt werden, sich dagegen wehren kann. Wenn er für einen Schaden, den er erleidet, einen Ausgleich erhält. Das ist nicht immer einfach. Im grenzüberschreitenden Handel ist das vielfach sogar besonders schwierig. Die Probleme sind nicht auf das Internet beschränkt. Wenn in China Markenrechte eines Bekleidungsherstellers verletzt werden, dann ist es für die Unternehmen oftmals schwierig, ihre Ansprüche durchzusetzen. Hier setzt die Politik an, die bei internationalen Verhandlungen, auf WTO-Ebene oder bei den Verhandlungen von Freihandelsabkommen gerade über diese Aspekte diskutiert, und Vereinbarungen trifft, damit die Rechteverletzung vor Ort abgestellt oder das Eigentumsrecht durchgesetzt werden kann. Das ist mühsam und schwierig, aber dennoch notwendig.

Eine marktwirtschaftliche Ordnung entlässt denjenigen, dessen Eigentumsrechte verletzt werden, jedoch nicht aus der Verantwortung, sich um die Durchsetzung seiner Eigentumsrechte zu kümmern. Daraus haben einige Anbieter sogar ein Geschäftsmodell gemacht. Wer eine eigene Internetseite betreibt, kann ein Lied davon singen Wenn etwa Bilder aus einer Bilddatenbank wie Flickr und Co. verwandt werden, dann kann es passieren, dass man Wochen später die Aufforderung zur Zahlung eines drei- bis vierstelligen Betrages bekommt, weil man die Urheber nicht oder nicht vollständig angegeben hat. Es soll sogar Suchmaschinen geben, die solche Veröffentlichungen heraussuchen. Ganze Anwaltskanzleien haben sich auf dieses lukrative Geschäft spezialisiert.

Doch man darf diejenigen, die Eigentumsrechte verletzen, nicht mit denjenigen verwechseln, die lediglich einen Marktplatz anbieten. Google, YouTube und Facebook bieten gerade das an. Warum sollen sie dafür haften müssen, dass jemand Inhalte hochlädt, die Eigentumsrechte anderer verletzen? Der Youtuber Felix von der Laden diskutierte bei Maybrit Illner mit Welt-Herausgeber Stefan Aust gerade über diese Frage. Sein Beispiel, dass die Post ja auch nicht dafür hafte, wenn jemand einen Brief versendet und beim Briefinhalt gegen das Urheberrecht verstoßen wird, konterte Aust damit, dass YouTube aber mit den Daten der Nutzer Geld verdiene und daher die Haftung auch berechtigt sei.

Das Beispiel war richtig und sehr treffend. Denn auch die Deutsche Post verdient ihr Geld nicht nur damit, dass sie Briefmarken verkauft, sondern auch, indem sie mit den Daten der Nutzer Geld verdient. So können spezifische Zielgruppe über den Postversand erreicht werden, deren Adressenbestände von der Deutschen Post käuflich erworben werden müssen. Das ist ein lukratives Geschäft für die Post. Sie macht also das Gleiche in der analogen Welt wie YouTube und Co. in der digitalen. Selbst die Marktmacht ist hier kein Argument, denn der relative Marktanteil am entsprechenden Sektor der Post ist wahrscheinlich höher als derjenige der betroffenen Internetunternehmen.

Was hier stattfindet, ist der klassische Kampf der Besitzstandswahrer gegenüber grundlegenden Veränderungen der Märkte. Klassische Druckerzeugnisse wie Zeitungen, Zeitschriften, Bücher und Bilder verlieren ihre Bedeutung gegenüber Angeboten im Internet. Nur wenige Verlage haben auf diese Veränderungen bisher eine Antwort. Jetzt soll der Staat helfen, deren Niedergang abzufedern. Der Staat soll Verwertungsgesellschaften initiieren und Google verpflichten, für Zeitungsausschnitte zu bezahlen. Doch wer hindert die Zeitungsverlage daran, selbst Verwertungsgesellschaften zu gründen oder Google die Veröffentlichung von Zeitungsausschnitten zu untersagen? Das Urheberrecht sicherlich nicht. Es sind die Verlage selbst, die sich bislang damit arrangiert und auch davon profitieren haben. Denn die Klicks auf ihre Internetseiten werden dadurch vervielfacht. Es ist eine Win-Win-Situation für alle Seiten. Der Suchende findet so schneller, was er will. Die Zeitung hat mehr Klicks und Google profitiert von den Daten. Das Internet ist deshalb so erfolgreich, weil es unser aller Leben einfacher macht. Google, YouTube und andere ersparen uns Lebenszeit, die wir alle früher für Recherchen aufwenden mussten. Diesen Fortschritt sollten wir in EU-Europa nicht zerstören. Daher, liebe Frau Barley, stimmen Sie am 9. April gegen die Urheberrechtsreform. Sie haben es in der Hand!

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Kommentare ( 12 )

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Cojo Tee
5 Jahre her

Sie glaubten doch nicht im Ernst, das Frau Barely auch nur ein Wort von dem versteht, was Sie hier richtigerweise darstellen, Herr Schäffler?

Klaus Mueller
5 Jahre her

Welche Wahrheit erwartet man sich aus dem Haus noch?

Denis Diderot 2018
5 Jahre her

Als Inhaber von linzensierbaren Urheberrechten hat es niemand leicht. Plattformbetreiber reagieren nicht gerade kooperativ, wenn man sie höflich nach den Namen der Hochladenden fragt. Klageandrohung reicht zumeist auch nicht. Erst nach Zustellung der Klage bewegen sie sich. Dann bieten Sie Geld. Täter zu verfolgen, macht aber deutlich mehr Spaß. Es stimmt schon, Herr Schäffler, man kann sich wehren und man muss sich wehren. All das hat aber nichts mit dem wahren Anliegen der Blockparteien zu tun, mit dem Uploadfilter missliebige Regierungskritik zu unterbinden. Blogger, die regierungskritische Informationen verbreiten, schaden dem „Wahrheitssystem“, wie es der sächsische Ministerpräsident im Zuge der Chemnitz-Affäre… Mehr

Wittgenstein
5 Jahre her

Lieber Herr Schäffler, da haben Si absolut recht, jeder Eigentümer ist in erster Linie selbst angehalten, seine Rechte zu wahren bzw. durchzusetzen und der Staat hat sicherzustellen, dass es er das kann. Es sollte gerade im Internet möglich technische Lösungen einzuführen, die es dem Eigentümer bzw. Urheber möglich machen, jedem Nutzer anzuzeigen, dass ein Bild, ein Text o.a. urheberrechtlich geschützt ist. So könnte ihr Artikel zu Beginn eine entsprechende Kennzeichnung enthalten, die mir als Leser anzeigt, ob und wie ich Ihren Text verwenden darf. Vorstellbar ist auch, dass jeder Urheber seinen Anspruch in einer jedem User zugänglichen Datenbank ablegt. Also,… Mehr

Keno tom Brok
5 Jahre her

„Das Internet ist deshalb so erfolgreich, weil es unser aller Leben einfacher macht. Google, YouTube und andere ersparen uns Lebenszeit, die wir alle früher für Recherchen aufwenden mussten.“ – Das ist aber nett von Google, Youtube „und anderen“ (BKA? NSA? Staatstrojaner?). Dabei noch so selbstlos, weil völlig ohne Gegenleistung vom (gläsernen) Bürger.
Angesichts solcher Naivität bleibt mir die Spucke weg. Und Frau Barley et al. kommen vor lachen nicht in den Schlaf…

Denis Diderot 2018
5 Jahre her
Antworten an  Keno tom Brok

Das Märchen von der bösen Wirtschaft und dem guten Staat, den die Sozialisten errichten werden, wenn sie an der Macht sind. Sie haben zu viel Juli Zeh gelesen.
Was uns hier fehlt ist ein Sender wie Fox news.

Keno tom Brok
5 Jahre her
Antworten an  Denis Diderot 2018

Wer ist Juli (sic) Zeh? Ich kenn‘ nur August Finger. Fox News? Kommt das bei Orwell vor und heisst dort „Hasswoche“ im Televisor?
Uns in DE fehlt bestimmt allerhand, aber bestimmt nicht noch ein Propagandasender.

GrosseOelf
5 Jahre her

Schonmal schrieb ich, dass die SPD Rückgrat besitzen könnte falls sie gegen die Reform stimmt. Das Theater was sie jetzt aber inzeniert hat das Zeug zu nem Krimi.
Im Vertrag gegen Filter ausgesprochen, im Parlament ebenso, Barley selbst finde sie nicht gut… und stimmt trotzdem zu weil Baum? Und dann stellt man sich als Opfer der (vertragsbrechenden) CDU hin und schiebt alles auf sie ab, obwohl man insgeheim und innig für die Zensur des freien Netzes ist.
Ich hätte spätestens seit Schulz alle Erwartungen, dass sich die SPD doch nur einmal aufrichtig verhält einfach begraben sollen.

Hosenmatz
5 Jahre her

Die Barley soll dagegen stimmen? Wie kommt man auf so ein schmales Brett. Gerade die SPD will ja ihre Pfründe (100 % Eigentümer der ddvg) sichern.

Paul J. Meier
5 Jahre her

Der einfach halber könnte doch Google gleich selbst eine Verwertungsgesellschaft gründen! Sie sind der staatlichen immer eine Nasenlänge voraus! 😉

WIING
5 Jahre her

In jeder KiTa, jeder Schule und Hochschule, in jedem Betrieb werden täglich Millionen von vom Urheber nicht freigegebenen Kopien angefertigt.

Wie soll man denn das in den Einklang mit dem neuen (schwachsinnigen) Gesetz bringen?

Beim Gerätekauf wurden bereits pauschale Abgaben fürs Kopieren berücksichtigt? Um so besser! Warum denn das Ganze noch mal verbieten?

StefanB
5 Jahre her

Die Verlage, die den Staat gegen Google & Co. in Stellung bringen wollen, können einfach in die robots.txt ihrer Websites einen Eintrag machen, mit dem sie das Crawlen und Indexieren ihrer Websites ausschließen. Dann werden die Suchmaschinen auch keine Zeitungsausschnitte mehr liefern.
Das ist aber nicht ihr Ziel. Dieses besteht vielmehr darin, für eine Leistung der Gegenseite, das Auffindbarmachen von Ausschnitten der Verlagsinhalte, das zudem unentgeltlich erfolgt, eine Entgelt zu kassieren. So etwas nennt man politisch unkorrekt schlicht Schmarozertum.