Die Mehrheit der Atomkraftgegner schmilzt

Als Angela Merkel 2011 den endgültigen Atomausstieg durchsetzte, hatte sie dafür die Zustimmung von fast drei Vierteln der Bevölkerung. Nach einer aktuellen Umfrage sind es nur noch 56 Prozent. Sogar ein Teil der Grünen-Wähler befürwortet Atomkraft.

IMAGO / blickwinkel
Der Rückhalt für den Ausstieg aus der Atomkraft schwindet offenbar. Mehr als die Hälfte der Befragten in einer repräsentativen Meinungsumfrage finden den Ausstiegsbeschluss zwar noch richtig – doch mit nur noch 56 Prozent ist ihre Mehrheit im Laufe der vergangenen Jahre kleiner geworden. Das berichtet die Welt vorab aus einer Umfrage, die das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag von Nuklearia e.V. und des Deutschen Arbeitgeberverbands e.V. (DAV) durchgeführt hat. Die beiden Vereine sind Kernkraft-freundlich. Doch das ändert nichts daran: die Umfrage ist repräsentativ.

»Der Trendverlauf der letzten gut zehn Jahre«, zitiert Welt die Allensbach Meinungsumfrage, »zeigt jedoch, dass der Rückhalt für den Ausstiegsbeschluss schwindet.« 2012 hielten noch 73 Prozent der Bevölkerung die Entscheidung der damaligen Regierung, aus der Kernenergie auszusteigen, für richtig. 70 Prozent waren es 2014, noch 65 im Jahre 2016 und 2019 bereits nur noch 60 Prozent. Im gleichen Zeitraum vergrößerte sich der Anteil derer, die den Ausstiegsbeschluss kritisch sehen, von 16 auf 25 Prozent.

Zustimmung kommt für den Vorschlag, Kernkraftwerke länger laufen zu lassen und dafür Kohlekraftwerke schneller abzuschalten. 42 Prozent der Befragten stimmt diesem zu, 34 Prozent lehnen eine Verlängerung der Laufzeit für Kernkraftwerke ab.

Erstaunlicherweise glaubt offenbar nur eine Minderheit, dass der Atomausstieg auch wirklich wie vorgesehen bis Ende 2022 durchgesetzt wird. 47 Prozent der Befragten halten dieses Datum für nicht realistisch. Sie haben offenkundig Schwierigkeiten zu akzeptieren, dass ein Industrieland freiwillig seine wichtigsten Energiequellen abschaltet.

Allerdings lassen sich Kernkraftwerke nicht beliebig schnell ein- oder ausschalten und wieder weiterbetreiben. Es gibt lange Vorlauffristen allein für die Bestellung von Brennmaterialien. Die Abschalter tun im übrigen viel, sofort vollendete Tatsachen zu schaffen. Das Beispiel der Sprengung der Kühltürme des Kraftwerkes Phillipsburg rasch nach dessen Abschaltung bietet dafür ein beredtes Beispiel.

Doch es kommt offenbar Bewegung in die Diskussion rund um den Atomausstieg. Die wesentliche Rechtfertigung für den Ausstieg lieferte seinerzeit eine merkwürdig besetzte Ethikkommission. Genau zehn Jahre, nachdem von Fachkenntnissen befreite Wissenschaftler mit einer servilen Ergebenheitsadresse ihre Empfehlung abgeliefert haben, werden diese Wissenschaftler heute massiv kritisiert. TE berichtete:

Die beiden Vereine, die die Umfrage in Auftrag gegeben haben, stellen die vollständigen Ergebnisse in der kommenden Woche ausführlich vor. Denn neben dem Meinungsforschungsinstitut Allensbach hat zusätzlich Civey die Ansicht von 10.000 Bundesbürgern zur Kernkraft erfragt. Erstaunliches Fazit: 50,1 Prozent finden Kernkraft gut.

Der Wahlkampf der FDP solle stärker Energiepolitik zu einem zentralen Thema machen, empfiehlt der Deutsche Arbeitgeberverband. Denn drei Viertel der FDP-Wähler finden Kernkraft in Ordnung, bei den Anhängern der AfD sind es rund 80 Prozent, bei der CDU etwa zwei Drittel – und sogar mehr als ein Fünftel der Grünen-Wähler stehen der Kernkraft positiv gegenüber. »Das ist doch eine ziemlich signifikante Minderheit«, sagt der Physiker Björn Peters, zugleich Ressortleiter Energiepolitik DAV und empfiehlt der FDP: »Es sieht danach aus, als könnte die FDP mit größerer Offenheit pro-Kernkraft Wählerstimmen gewinnen.«

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Kommentare ( 66 )

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66 Comments
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IDa1
2 Jahre her

Wenn das Volk klüger wäre als diese „arroganten polit-medialen Umerzieher“, würden diese nicht gewählt.
Das deutsche Wahlvolk spricht anders als es wählt. Viele meine Gesprächspartner stehen der Politik mit Unverständnis gegenüber, wählt ihre Henker aber trotzdem wieder.
Das wird auch bei den anstehenden Wahlen so sein.

Felicitas21
2 Jahre her

Ich selbst bin keine Anhängerin der Atomenergie, so lange die Entsorgung des Atommülls weiterhin ein grosses Problem ist. Trotzdem ist es scheinheilig, wenn Deutschland alles abschafft, aber weiterhin noch Strom aus dem Ausland bezieht, der aus Kohlekraftwerken und AKWs stammt. Und eine Landschaft, zugepflastert mit hunderttausend Windrädern, für mich keine wünschswerte Alternative.

IDa1
2 Jahre her

Es ist gut, dass sich größere Bevölkerungsanteile Gedanken um die verantwortungslose Energiepolitik machen. Nach der sukzessiven Abschaltung der konventionellen KW bis 2039 hat D keine grundlastfähige Energieversorgung mehr. Wir sind aufgrund des anfälligen Übertragungsnetztes massiv auf ein Einspringen ausländischer Energieversorger angewiesen und somit in zunehmendem Maße abhängig. Die KKW Betreiber wird es freuen. Aufgrund der katastrophalen Merkelentscheidung haben diese erhebliche Ausgleichszahlungen eingeklagt, die der deutsche Steuerzahler trägt. Wenn es nun zu Beantragungen von Laufzeitverlängerungen kommen wird, werden die Betreiber das gerne wieder tun, allerdings nicht zu Lasten ihrer eigenen Kosten. Und ja, es ist erforderlich, dass D mindestens bis zur… Mehr

Janno
2 Jahre her

Eurobonds sind auch nicht Griechenland, sondern einer Wahl in NRW geschuldet.

Angela Merkel hat das Deutsche Volksvermögen gerne für ihre taktischen Spielchen genutzt. Und die Deutschen haben ihr dabei noch applaudiert.

Neumann
2 Jahre her

Ich habe mir einen Tsunami in Bayern oder Baden-Württemberg nie vorstellen können. Aber es ging wohl darum, eine Wahl für die CDU zu retten (was misslang) und sich bei den Grünen anzubiedern. Die Folgen: Ständig steigende Strompreise, Verletzung der Klimaziele (kürzlich nur wegen Corona nicht verfehlt), Gefährdung der Versorgungssicherheit. Die Stromversorgung für Deutschland ist angesichts des geplanten Kohleausstiegs und der erhöhten Anforderungen an die Stromversorgung wegen der Umstellung des Verkehrs und der Gebäudeheizung völlig ungesichert angesichts des gegenwärtigen Zubaus an erneuerbarer Energie!

Thorsten
2 Jahre her

An den Randalen von „Männern“ die ohne Hintergrundinformationen durch die L*ckenpresse geistern, sollten sie erkennen, dass am ERSTEN ABEND eines Stromausfalls mit großflächigen Plünderungen zu rechnen ist.
Und dam ZWEITEN Abend hat es sich rumgesprochen, dass zuwenig Polizei da ist und dann brennt es wieder …

mr.kruck
2 Jahre her

Sehr seltsam, das Ganze. Während unser westlicher Nachbar Frankreich 56 Atomkraftblöcke betreibt, sind es hierzuland gerade noch 6. Und während in Frankreich ca. 70 % des verbrauchten Stroms von AKWs erzeugt wurde, waren es hierzulande zuletzt gerade mal gut 10 %. Konträr dazu die Zustimmung beim Wahlvolk. Die Franzosen stehen zu Ihrer redundanten Stromversorgung und sind mit 90% dafür, während in Deutschland gerade einmal die Hälfte Atomkraft irgendwie akzeptabel findet. Im Osten beginnt Polen gerade mit dem Einstieg in die Atomkraft und baut 2 neue AKWs.Irgendwie paradox, dass ausgerechnet der (ehemalige)Industrie und Exportweltmeister Deutschland in der Mitte einen Weg wählt,… Mehr

Menkfiedle
2 Jahre her
Antworten an  mr.kruck

Die Franzosen haben erst seit kurzem eine grüne Bewegung, deren vorrangiges Ziel der Umwelt- und Klimaschutz ist. Im Gegensatz zu unseren Grünen, deren vorrangiges Ziel u.a. der Atomausstieg ist. Und das seit den 80er Jahren. Bei uns ist die Debatte also ideologisch aufgeladen, während das F pragmatischer sieht.

StefanSch
2 Jahre her

Raus aus der Atomkraft! Ich will sehen, wie das Land und seine Wähler ohne Energie enden, aber sich dafür erhaben fühlen. Es wäre die gerechte Strafe für ein selbstgefälliges und arrogantes Volk!

voll wach
2 Jahre her

In meinem Landkreis gibt es eine Bürgerinitiative, die dem Waldsterben (Borkenkäfer ) mit der Aufforstung von Windkraftanlagen begegnen wollen. Win Win sozusagen. Pfaffen und Lehrersleut vorneweg natürlich.

Felicitas21
2 Jahre her
Antworten an  voll wach

Gestern im Fernsehen, eine Riesenwüste, wo alle Bäume wegen der Schädlinge abgeholzt waren. Da waren es die Waldbesitzer, die die fehlenden Einnahmen beklagten und sich dort als neue Einnahmequelle den Bau von Windrädern wünschten. Doch ein Umdenken, statt dieser Fichten Monokulturen einen gesunden Mischwald zu schaffen, auch mit Baumarten, die mit der Dürre besser zurecht kommen, darauf kommen diese Waldbesitzer nicht? Wer das Buch gelesen und den Film dazu gesehen hat,“ wenn Bäume sprechen können“, der würde verstehen, dass unser Wald nur durch ein völlig neues Verständnis der biologischen Zusammenhänge noch gerettet werden kann.

katja
2 Jahre her

Ich möchte dazu aber anmerken das ich aktuell lieber auf von Deutschen gebaute Atomkraftwerke verzichten würde (siehe BER oder andere Großprojekte). Vielleicht sollten wir die Chinesen bitten………
Ist schon irre wo dieses Land hingekommen ist.

rolf
2 Jahre her
Antworten an  katja

Voraussetzung einer rebungslosen, termin- und budgetgerechten Projektumsetzung wäre, dass sich kein „Qualitätspolitiker“ einmischt.
Fachkompetenz gäbe es in Deutschland noch genug…Nachwuchs (verständlicherweise) Fehlanzeige!

Thorsten
2 Jahre her
Antworten an  katja

und dabei war Deutschland eines der Länder wo die Kernspaltung entdeckt wurde.
Es ist zum Schämen.