Das eingestürzte Windrad von Haltern war noch nicht einmal eingeweiht

Ein fast neues 239 Meter hohes Windrad ist in Haltern am See in Nordrhein-Westfalen zusammengebrochen und umgestürzt. Der Unfall wirft ein Licht auf die Sicherheitsrisiken von Windkraftanlagen.

IMAGO / 7aktuell
Die Einladungen waren alle ausgesprochen, die Reden geschrieben: Heute, Donnerstagnachmittag, sollte die neue Windradanlage in Haltern am See eingeweiht werden. Die besteht aus zwei baugleichen Windrädern und gehört zu den größten Maschinen der Windindustrie, die je an Land gebaut wurden.

Doch bei Tageslicht bot sich ein Bild der Zerstörung: In etwa 20 Metern Höhe abgebrochene schwere Betonteile, Bruchstücke eines Turmes, überall im Wald verteilt viele Trümmer, irgendwo liegt die Gondel mit dem Generator. Ein Förster hatte die Überreste gestern Abend im Wald entdeckt.

Wie bereits heute früh im TE Wecker gemeldet, ist in Haltern am See in Nordrhein-Westfalen ein 239 Meter hohes Windrad zusammengebrochen und umgestürzt. Ein Wunder, dass von den umherfliegenden Trümmern niemand verletzt wurde. Der Turm war einmal 164 Meter hoch, trug oben eine mehrere hundert Tonnen schwere Gondel mit einem Rotor von 149 Meter im Durchmesser – fast doppelt so viel wie die Spannweite eines Airbus A 380.

Das Windrad vom Typ Nordex N149 wurde vor einem halben Jahr gebaut, der Turm brach wie ein Streichholz. Die Trümmer verteilten sich in einem weiten Bereich. Was mit den ungefähr 650 Litern Öl aus dem Getriebe und dem Kühlmittel des Transformators in der Motorgondel passierte, ist noch nicht bekannt.

Erst im Februar dieses Jahres wurde die Anlage fertig gestellt. 15.000 Quadratmeter Wald wurden für die beiden Windräder geopfert. Der untere Teil des Turmes ist nicht wie üblich aus runden Betonringen aufgebaut, die sich nach oben hin verjüngen, sondern aus vorgefertigten Betonsegmenten mit achteckigem Grundriss; aus statischer Sicht eine nicht ganz so glückliche Lösung wie eine runde Konstruktion. 17 Tonnen – also knapp halb so schwer wie ein Lastwagen – wiegt eines dieser Elemente, die gesamte Turmkonstruktion bringt es auf 1200 Tonnen. Die gewaltige Stahlbetonkonstruktion, die als Fundament in den Waldboden gegossen wurde, wiegt noch einmal rund 2100 Tonnen. Die sollen, auch bei großen Windbelastungen die Standsicherheit gewährleisten, betont die RAG-Montan-Immobilien.

In der Nähe liegt noch der Wetterschacht der ehemaligen Zeche Auguste Victoria 9, in der 116 Jahre lang neben Blei, Zink und Silber vor allem Steinkohle abgebaut wurde. Heute bringen hoch subventionierte Windräder der einstigen Ruhrkohle Geld. Beim Bau der 10 Millionen Euro teuren Anlagen wurde sie von dem Wasserversorger Gelsenwasser AG unterstützt. Beide betreiben weitere Windparks in der Region.

Der Begriff Nachhaltigkeit geht auch bei Gelsenwasser flott über die Lippen, die wacklige Windkraft wird als der wichtigste Energieträger im deutschen Strommix bezeichnet. Gunda Röstel, die einstige Sprecherin des Bundesvorstandes von Bündnis90/die Grünen, brachte ab 2000 als Managerin für Projektentwicklung und Unternehmensstrategie den Versorgungsbetrieb mit auf grünen Kurs.

Der jüngste Windradeinsturz wirft ein Licht auf die Sicherheitsrisiken der gigantischen Anlagen. Häufig beginnen die Generatoren in den Gondeln mitsamt Ölvorräten zu brennen. Den Feuerwehren bleibt dann nichts anderes übrig, als das Feuer kontrolliert abbrennen zu lassen und die Fläche weiträumig abzusperren. Löschen geht in solchen Höhen nicht mehr. Brände, die auf die Rotorblätter übergreifen, sind nicht ungefährlich. Deren Hauptmaterialien sind Glasfasern und Kohlefasern, die mit Epoxidharz verbunden werden. Allein verfügen Fasern und Harz nicht über die ausreichende Festigkeit, die mechanischen Eigenschaften entstehen erst durch den Fertigungsprozess. Die Fasern gelten als gesundheitsgefährdend und krebserregend.

Rotorblätter fliegen auch schon einmal weg und landen dann kilometerweit entfernt in der Landschaft. Nach Ansicht des TÜV ist es nur eine Frage der Zeit, wann »bei Windrad-Havarien Menschen zu Schaden kommen«.

Bei zu großen Windstärken müssen die Rotoren aus Sicherheitsgründen abgeschaltet, die Blätter in den Wind gedreht werden. In Haltern blies der Wind zum Zeitpunkt des Unglücks noch nicht einmal sonderlich stark – im Gegensatz zu dem Sturm, der gleichzeitig an der Nordseeküste tobte.

Der TÜV-Verband hält Windkraftanlagen für »tickende Zeitbomben«. Daher wollte sich der TÜV als Prüforgan für Pflichtkontrollen für Windräder ins Spiel bringen. Er weist darauf hin, dass es sich bei den Windkraftanlagen um große Industrieanlagen handele, die entsprechend regelmäßig von unabhängigen Prüforganisationen untersucht werden müssten.

Bisher müssen lediglich die Aufzüge im Inneren der Türme geprüft werden, nicht aber die wesentlichen Bestandteile eines Windrades. Doch die Bundesregierung sieht keinen Anlass zum Handeln: »In Deutschland besteht ein anerkannter und praxisbewährter Ansatz zur regelmäßigen Überwachung und Prüfung der Sicherheit von Windenergieanlagen«, heißt es in einer Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf eine parlamentarische Anfrage von FDP-Abgeordneten 2019. Die Genehmigungsbehörden hätten unabhängige Sachverständige anerkannt; die von ihnen durchgeführten Prüfungen würden laut Bundesregierung die Grundlage für ein »verlässliches, ausreichend hohes Sicherheitsniveau der Windenergie in Deutschland« bilden.

Das Windradunglück von Haltern wird das umfangreiche Störfallregister von „Vernunftkraft“ erweitern.

Die Einweihungsfeier an dem zweiten, 450 Meter entfernt stehenden Windrad wurde abgesagt.

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Kommentare ( 134 )

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Peterson82
2 Jahre her

Und was ist daran jetzt so besonders? Entweder es gab Pfusch am Bau oder Materialversagen. Die Tatsache dass es eine WKA war bzw. ob eingeweiht oder nicht spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle. Es sind auch schon diverse andere Neubauten vor Bau-Abschluss oder kurz danach eingestürzt aus oben angegebenen Gründen ohne das es einen Aufschrei gegeben hat. Eine potentielle Gefahr für die Bevölkerung auszurufen weil eine WKA von (wievielen?) das Zeitliche gesegnet hat wirkt da doch etwas konstruiert. Man tut ja grade so als ständen diese Dinger mitten in Wohngebieten und würden eine Schneise der Verwüstung hinterlassen wenn sie umfallen… Mehr

Helmut in Aporie
2 Jahre her
Antworten an  Peterson82

Stünden, nicht ’ständen‘.
Und eine Schneise der Verwüstung hinterlassen Windräder auf jedem Fall: In unseren Geldbeuteln und am Industriestandort Deutschland.

Wilhelm Roepke
2 Jahre her

Na ja, Havarien gibt es überall. Viel schlimmer ist die fehlende Grundlastfähigkeit.

beccon
2 Jahre her

Verstehe ich das richtig? Jeder Motorroller (mit Nummernschild) muß zum Tüv – eine Windmühle, doppelt so groß wie ein Langstreckenflugzeug nicht? (bzw. nur der Fahrstuhl darin) Erinnert an die Lasten“fahrräder“ die hier auf dem Radweg vorbeibrettern (voller Pakete > 200kg mit wokem Jüngling an den Pedalen, kein Führerschein und keine Versicherung vonnöten) Was mit den 650l Öl passiert ist, ist sonnenklar. Das Getriebegehäuse wird kaum den Sturz aus 164m plus der Torsionskräfte an der Welle überstanden haben. Also wird das Öl in den Boden gesickert sein, der jetzt aufwändig abgetragen und gereinigt werden muß. Bestimmt mit erneuerbarer Energie und Bio-… Mehr

c0benzl
2 Jahre her

Da haben die hiesigen Voegel und Fledermaeuse nochmal Glueck gehabt 😉

Laurentius
2 Jahre her

Zwei Bemerkungen: 1) In diesem Gebiet ist übrigens bis vor kurzer Zeit noch Kohlebergbau betrieben worden. 2) Vor einigen Monaten ist in unmittelbarer Nähe ein Rotorblatt von einer anderen Anlage abgefallen. Die B58 mußte gesperrt werden. Als man ein neues Blatt ansetzen wollte, gab es Schwierigkeiten mit dem Ersatz. Falsches Blatt geliefert, Transporter verfuhr sich.
In diesem Sinne: Glückauf!

merlin999
2 Jahre her

Die Twin-Türme von Halten und alle anderen dürfen nicht vom TÜV geprüft werden. Sie würden von denen keine Zulassung erhalten. Die Einweihung dürft vermutlich Bischof B. Storm geplant haben und sie auf Wind-watch 1 und 2 taufen wollen. Jetzt ist eines davon regelrecht unter gegangen. Wie schade, es hätte womöglich in dessen Sog hunderte von illegalen Migranten, die um Asyl angesucht hätten, angezogen und ins Landesinnere geweht. Eines ist damit sicher: die neue Energie steht auf wackeligen Füßen, genauso wie die Frage der Migration und des Klimawandel. Auch diese werden in sich zusammen brechen – die Zeit kommt noch, dass… Mehr

Sachse fern der Heimat
2 Jahre her

Warum sind denn, wobei ich das bezweifle, „die meißten hier Windkraftgegner“? Ich nehme sehr stark an, weil diese „meißten hier“ den Aberwitz im Umgang mit der Windenergie hier in Deutschland schlicht erkennen und sehr berechtigte Zweifel daran anmelden, dass dieser Umgang ein gutes Ende nehmen kann. Ich denke, dass niemand etwas dagegen hätte, Windkraft dort zu etablieren, wo sie Sinn macht, nicht brachial die Landschaft verschandelt und zu ökonomisch sinnvollen Bedingungen zum Einsatz käme. Nichts davon ist in Deutschland sichergestellt. Vielmehr hat man den Eindruck, dass hier Leute am Werk sind, die weder ökologische, noch technische, geschweige denn energetische Zusammenhänge… Mehr

Falk
2 Jahre her

So siehts doch aus. Was wird Ihnen so ziemlich jeder Banker sagen, wenn Sie mit Ihrem hart ersparen dort antanzen und Beraten werden?
“ Diversivizieren Sie! Setzen Sie nicht alles auf ein Pferd… „

Simrim
2 Jahre her

Nein, ihr versteht das falsch: die Selbst-Destruktion ist Teil des Entsorgungskonzeptes, ist in diesem Falle nur 20 Jahre zu früh ausgelöst worden. Zukünftig wird bei einigermaßen Windlast die Selbst-Destruktion ausgelöst und bei demjenigen, wo dies dann im Vorgarten landet, der darf dann alles entsorgen. Klingt doch nach einem guten Plan,oder?

Simrim
2 Jahre her

Die Rückindustrialisierung Deutschlands zugunsten höherer Profite im asiatischen RCEP-Raum… Da ist die Energieunsicherheit doch nur ein Baustein im umfassenden Gesamtprogramm.Welch ein Verrat un uns!

h.milde
2 Jahre her

30.9.21, Busdepot in Stuttgart brannte aus. Angeblich war ein E-Bus brandursächlich? Quelle: SüdwestPresse
Genauso wie in Hannover ein Bus-Deppot mit 10 E-Bussen letztens?
#´s Energie-, und Mobilitätswende, läuft.
Btw. was passiert wenn so ein E-Bus mit Passagiern in Brand gerät? Wie schnell steht sowas in Vollbrand, und wie schnell können die Passagiere evakuiert werden? Gibt´s da Pläne/Erkenntnise von Feuerwehr, Brandschutzingenieuren ua.?

baul
2 Jahre her
Antworten an  h.milde

Ein „Bus“ besteht im Aufbau außer den tragenden Teilen und ein paar Schrauben, überwiegend aus Kunststoff, um nicht Plaste zu sagen. Wenn das einmal brennt, ist mit weglaufen mehr geholfen als mit dem Feuerlöscher. Elektrofahrzeuge sollen hartnäckig am Brennen bleiben, hört man so.
Ein Versicherungsverkäufer meinte mal: nimm den Feuerlöscher mit nach draussen und entleere ihn einfach…

Last edited 2 Jahre her by baul
baul
2 Jahre her
Antworten an  h.milde

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MTGMRY
@MTGMRY1
·
8. Juni
Elektrofahrzeuge sind potentiell sehr ablebeerleichternd: Erst Stromschlag, dann Feuersbrunst, dann Ersticken(O2-Mangel),dann ertränkt einen d.Feuerwehr in Wasser/Löschschaum, evtl. versagt dann noch Stützstruktur&zerquetscht einen;Retter bleiben aus Angst vor all dem auch fern.

gute Beschreibung

Peterson82
2 Jahre her
Antworten an  h.milde

weder beim Busdepot noch mit Hannover gibt es irgendeinen Hinweis darauf dass die E-Busse für die Feuer verantwortlich waren.
Bei jedem E-Bus haben sie weitaus mehr Zeit zu evakuiieren als wenn ein Benzin/Dieselfahrzeug Feuer fängt, der einzige Unterschied ist, dass der Brand eines E-Busses sich über Stunden hinziehen kann, während ein einmal Feuer gefangener Tank innerhalb von Minuten bis auf ein Stahlgerippe herunterbrennt.