Weil Warnungen ungehört blieben: Pflegekasse könnte bald zahlungsunfähig sein

Der Pflegekasse geht offenbar zum Oktober das Geld aus, wenn das Finanzministerium nicht einspringt. Experten warnten bereits im Frühjahr vor Deckungslücken bei gesetzlichen Kassen – doch die Politik will die Probleme lieber bis nach der Wahl aussitzen.

IMAGO / photothek

Die Pflegekasse steckt in massiven Finanzschwierigkeiten. Wenn das Bundesfinanzministerium nicht bis Anfang Oktober eine knappe Milliarde einzahlt, droht die Zahlungsunfähigkeit. Das berichtet die Bild und beruft sich dabei auf ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums an den Haushaltsausschuss.
Grund seien „Mehraufwendungen“ in der Pflege, die auf die Corona-Krise zurückzuführen seien, heißt es in dem Schreiben demnach. Diese habe man nicht „im Rahmen des geltenden Beitragssatzes“ finanzieren können. Durch eine Geldspritze des Finanzministeriums werde „eine sonst drohende Zahlungsunfähigkeit vermieden und der Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung im Jahr 2021 konstant gehalten“, erklären die Beamte des Finanzministeriums.

Überraschen dürfte das Milliardenloch niemanden. Krankenkassen-Vertreter und Ökonomen warnen bereits seit Langem, dass soziale Sicherungssysteme wie die Rente, die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) oder eben die Pflege zunehmend unter Finanzdruck geraten. Etwa stellte eine Analyse im Frühjahr fest, dass die Beiträge zur GKV bis zum Jahr 2030 um 40 Prozent steigen könnten, wenn die Bundeszuschüsse konstant bleiben sollen. Der allgemeine Beitragssatz würde also bei 20,6 Prozent liegen anstatt der derzeitigen 14,6 Prozent. Als Grund nannten die Forscher des Wissenschaftlichen Instituts der Privaten Krankenversicherungen Alterung, neue kostspielige Behandlungsmethoden und teure Gesundheitsreformen der Gesundheitsminister Hermann Gröhe und Jens Spann. Die beiden CDU-Politiker hätten die Leistungen der GVK erheblich ausgeweitet (TE berichtete).

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„Das dicke Ende für die gesetzliche Krankenversicherung kommt erst noch“, prognostizierte damals Martin Litsch, der Chef des AOK-Bundesverbands. „Werden nach der Bundestagswahl nicht schnell entsprechende Steuerzuschüsse für die GKV organisiert oder unpopuläre Spargesetze auf den Weg gebracht, stehen die gesetzlichen Kassen vor massiven Beitragssatzanhebungen.“ Doris Pfeiffer sagte damals, die Finanzierung der GKV werde „spätestens nach der Bundestagswahl“ ganz oben auf der politischen Agenda stehen. „Denn die Reserven der Kassen werden dann aufgebraucht sein, und auch der Gesundheitsfonds dürfte wegen der Wirtschaftsentwicklung Schwierigkeiten bekommen”, erklärte die Vorsitzende des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen.

Es kam, wie die Krankenkassenvertreter Litsch und Pfeiffer offenbar vermutet hatten. Berlin will die absehbare Deckungslücke der Sozialsysteme nicht zum Wahlkampfthema machen und etwa das Rentendebakel bis nach der Wahl aussitzen. 20 Millionen wahlberechtigte Rentner, die auch vorwiegend Kranken- und Pflegeleistungen in Anspruch nehmen dürften, wollen Laschet, Scholz und Co. auf keinen Fall verschrecken. Verlierer dieser Politik sind vor allem die Jungen, die aber trotzdem vorwiegend linke Parteien wählen.

Dabei ist etwa SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz mitverantwortlich für hohe Rentenkosten. Im Jahr 2009 – kurz vor der damaligen Bundestagswahl – war er laut der Tagesschau federführend bei der Einführung einer Rentengarantie. Seither darf die gesetzliche Rente nicht mehr fallen, auch wenn die Durchschnittslöhne der Beitragszahler sinken. Etwa fiel die Rente in diesem Jahr im Westen nicht, obwohl die Löhne während des Corona-Lockdown gesunken sind.

Mittelfristig wirkt sich der demographische Wandel auch auf das Wirtschaftswachstum aus, was wiederum Steuereinnahmen senken und den Druck auf die Sozialsysteme weiter erhöhen dürfte. Laut einer aktuellen Analyse des Kieler Instituts für Weltwirtschaft beträgt im Jahr 2026 das Wirtschaftswachstum aufgrund der alternden Bevölkerung nur noch 0,9 Prozent. „Schwindet das Wachstum, schwindet die Quelle für Wohlstandszuwächse und die ökonomischen Verteilungskonflikte nehmen zu. Die Sozialkassen müssen mit weniger Einnahmen höhere Ausgaben stemmen“, erklärte der beteiligte Forscher Stefan Kooths. „Hierauf ist Deutschland nur unzureichend vorbereitet, vielleicht eines der größten Versäumnisse der Ära Merkel.“

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Kommentare ( 18 )

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Philokteta
2 Jahre her

Au weia, wer konnte das denn auch ahnen, wo Deutschland doch ein reiches Land ist. Somit kann den Verantwortlichen doch gar kein Vorwurf gemacht werden, oder?

Manfred_Hbg
2 Jahre her

Öhm, verstehe ich nicht: wie und warum können hier die Kassen leer sein? Denn ich meine mich so gaaanz vage zu erinnern, dass uns von der linksgrünen Merkel-Regierung und von den übrigen Altparteieneinheitsfilz 2015 mit großer Freude und voller Begeisterung mitgeteilt wurde, dass Deutschland nun ganz viele tolle RentenkassenAUFfüller bekommen würde. Und nachdem nun 5 Mill -überwiegend muslimische und afrikanische- RentenkassenAUFfüller ins Land geflutet sein sollen, müssen die Kassen doch nicht nur voll sein, sondern müssen sogar BeitragsSENKUNGEN drinnen sein.
(Zynismus/Ironie/Brechreiz off)

Iso
2 Jahre her

Wer 40 Milliarden an dei EU überweisen kann,sollte wegen einer Milliarde für die Pflegeversicherung nicht klagen. Ausserdem leistet man sich mehrere Millionen Asylanten, die man jahrelang aushält. Wenn die Einen nichts tun, soll man sich auch nicht beschweren, dass die Anderen älter werden. Die Beiträge für die Krankenkasse halte ich ohnehin für überzogen. Dort versickern Milliarden in den Kassen großer Krankenhaus- und Phamakonzerne.

W aus der Diaspora
2 Jahre her

„Grund seien „Mehraufwendungen“ in der Pflege, die auf die Corona-Krise zurückzuführen seien, heißt es in dem Schreiben demnach.“

Das ist nun aber sehr seltsam, denn in der Coronazeit entfiel häufig die ambulante Pflege, statt dessen mussten die Angehörigen und Nachbarn einspringen. Wie sollen da nun höhere Kosten entstanden sein? Zudem sind viele Pflegebedürftige gestorben, gerade (bzw. nur) in dem Bereich gibt es eine tatsächliche Übersterblichkeit. Pflegeheime klagen gerade über eine Untrbelegung.

Da sollte man dann doch noch einmal genauer nachfragen, wodurch denn nun genau diese höheren Kosten entstanden sind.

Bahl Renate
2 Jahre her

Und mal wieder wird etwas Wichtiges nicht ausgesprochen respektive angesprochen: Wer noch die Bilder von 2015 vor Augen und damals schon über einen gesunden Menschenverstand verfügt hat, wusste, dass das die Sozialsysteme nicht verkraften können. Und seitdem sind Millionen Illegaler in diese Systeme eingeflossen und tun es bis heute, täglich! Es gibt nur eine Partei in DE, die das thematisiert und dafür ausgegrenzt und diffamiert wird. Und auch hier bei Tichy wird die AfD konsequent ausgeblendet, was ich persönlich nicht nachvollziehen kann. Es geht um sachlichen Diskurs, einer Demokratie würdig. Egal welche Regierungskoalition sich bildet, die Konsequenzen werden fürchterlich sein.… Mehr

Carlos
2 Jahre her

1 Milliarde Zuschuss sind Peanuts. Wie hoch sind die Kosten für Asylanten bzw. Einwanderer ins Sozialsystem? Bislang ca. 25 Milliarden pa mit rasch steigender Tendenz. Da müssen die Alten und Kranken der hier schon länger lebenden den Gürtel halt enger schnallen. Auch das ist die wahre Hinterlassenschaft der (düm….) äh…mächtigsten Frau der Welt.

Endstadium0815
2 Jahre her

50-80 Mrd für die Migranten, 1 Mrd im Kampf gegen rääächts, 500 Mio für die Taliban, 1 Mrd für indische E-Busse usw. Da beibt halt nicht viel für die Köterrasse, ausser wir verringern den Beitrag für die Flutopfer, schliessen Schulen und Kitas, sperren Strassen und Brücken und die Rente senken, Beiträge erhöhen, dann könnte es klappen.

StefanB
2 Jahre her

Und das alles, obwohl seit 2015 Millionen Raketentechniker und Hirnchirurgen eingewandert sind?!…

„Verlierer dieser Politik sind vor allem die Jungen, die aber trotzdem vorwiegend linke Parteien wählen.“ —> Wen interessiert schon der schnöde Mammon, wenn es ums „Höhere“ geht?

Last edited 2 Jahre her by StefanB
Bernd Simonis
2 Jahre her

Jetzt kommt alles zusammen, nicht nur Inflation in Folge Geld druckens sondern Preissteigerungen bei Energie (aus unterschiedlichen Gründen) und Abgaben für Soziales. Nach den Wahlen kommt eine Art Kassensturz. Die Rechnung quasi für die letzten 5 Jahre des verschleuderns von Geld. War ja alles nicht vorhersehbar…oder Nazi, wer warnte.

meckerfritze
2 Jahre her

Es kommt die Einheitskasse, die dann – ohne Konkurrenz durch private – Armut, Siechtum und vorzeitiges Ableben für alle bietet, ganz, wie die Linken es lieben.