Sprecher der Israelischen Armee: „Bodentruppen sind auch eine Option“

Der Beschuss der Hamas auf israelische Zivilisten läuft am achten Tag in Folge. Bisher verteidigt Israel sich nur mit Iron Dome, und beschießt Stellungen aus der Luft. Doch der Einsatz von Bodentruppen scheint immer weniger vermeidbar. Wir sprachen mit Arye Shalicar direkt aus dem Hauptquartier der IDF in Tel Aviv.

Der Beschuss der Hamas setzt sich weiter fort, seit mittlerweile acht Tagen müssen israelische Zivilisten in großen Teilen des Landes täglich zum Heulen der Sirenen in Luftschutzbunker flüchten. Die israelische Armee verhält sich indes bemerkenswert passiv, man setzt auf die Wunderwaffe „Iron Dome“. Doch die kann nie 100 Prozent der Terroraketen abfangen, ein paar gehen immer durch und treffen im Zweifel Wohngegenden und töten Zivilisten. Hört der Terror nicht auf, wird man andere Lösungen suchen müssen.

Wir sprachen mit Arye Sharuz Shalicar, den wir direkt im Hauptquartier der israelischen Armee erreichten und dessen Lebensweg in jeder Hinsicht bemerkenswert ist. Aufgewachsen als Sohn iranischer Juden im Berliner Problemviertel Wedding, schloss er sich zunächst türkischen und kurdischen Jugendgangs an, doch wegen antisemitischer Erlebnisse wanderte er nach Israel aus, um „ein Leben der Zugehörigkeit zu führen, ein Leben ohne schiefe Blicke, ein Leben als Jude“. Nach seinem Wehrdienst bei einer Unterstützungseinheit der Fallschirmjäger bei der israelischen Armee (IDF) und einem Studium der Politikwissenschaft, wurde er Sprecher der israelischen Armee, mittlerweile im Rang eines Majors. 

TE: Israel befindet sich seit über einer Woche unter Raketenbeschuss – wie ist die aktuelle Lage, wie ist die Stimmung in der Bevölkerung? 

Arye Sharuz Shalicar: Wir sind mittlerweile im achten Tag der Kampfhandlungen. Bisher wurden über 3.200 Raketen von den zwei Terrororganisationen aus dem Gaza-Streifen – dem palästinensischen-islamischen Dschihad und der Hamas – auf Israel abgefeuert. Viele der Raketen wurden vom Iron Dome abgefangen, aber es gab auch dutzende, die in Häusern, gestern sogar in einer Synagoge, eingeschlagen sind, und leider auch zum Tod von bisher mindestens zehn Menschen in Israel geführt haben. Zur Atmosphäre: Mein Eindruck ist, dass die israelische Bevölkerung sehr stark ist – man gibt der Armee Rückendeckung und ist bereit, noch Tage und Wochen durchzuhalten, damit das Militär den Terroristen so großen Schaden zufügen kann, dass wir nicht in ein, zwei, drei Jahren wieder in die gleiche Situation geraten.

TE: Die israelische Armee reagiert ja relativ zurückhaltend, attackiert die Hamas bislang allein aus der Luft. Wie lange kann man in der Situation noch so weiter verharren? 

Wir haben wirklich großes Glück, dass die israelische Armee und Israel überhaupt in den letzten Jahren in sehr viele Verteidigungsmaßnahmen Energie, Zeit und Geld investiert hat. Luftschutzbunker in fast allen Städten, in Wohnhäusern, Schulen, darüberhinaus natürlich der Iron Dome, das Raketen-Abwehrsystem – was übrigens Unmengen an Geld kostet. Das alles rettet Menschenleben. Hätten wir all diese Maßnahmen im Laufe der letzten zehn, fünfzehn Jahre nicht getroffen, dann hätte es jetzt durch die mittlerweile 3.200 abgefeuerten Raketen schon hunderte tote Israelis gegeben – Frauen, Kinder, Alte, Junge, religiös oder nicht, das spielt alles keine Rolle, sie wären von den Raketen getötet worden. Dank dem Iron Dome und den anderen Schutzmaßnahmen hat die israelische Armee ein bisschen mehr Luft, um präziser, ruhiger und eventuell auch zurückhaltender vorzugehen, um zivile Opfer zu vermeiden und die Terroristen und deren Strukturen, die sich in dicht besiedelten Wohngegenden befinden, teilweise auch darunter in Tunnelsystemen, direkt zu treffen.

TE: Bei der Raketenangriffen vor wenigen Jahren, hieß es ja, dass die Kapazitäten des Iron Dome nach einer gewissen Zeit Dauerbeschuss ausgehen würden. Auch jetzt steht der Einsatz von Bodentruppen im Raum – kann das noch abgewendet werden? 

Bodentruppen sind auch eine Option, wir haben viele Kampfbrigaden um den Gaza-Streifen herum mobilisiert, siebentausend Rekruten der Reserve wurden einberufen. Hinzu kommt natürlich, dass die Option der Bodenoffensive unter dem Tisch gehalten wird, in der Hoffnung, dass es nicht dazu kommen wird. Es wird nicht dazu kommen, wenn Hamas und islamischer Dschihad das Feuer einstellen. Wir können jetzt schon nach sieben, acht Tagen feststellen, dass der Beschuss aus dem Gaza-Streifen abgenommen hat. Gestern Nacht sind sechzig Raketen abgeschossen worden, jetzt mittags auch wieder ein paar dutzend. Wenn man das mit den ersten Tagen, an denen hunderte Raketen innerhalb von wenigen Minuten abgefeuert wurden, vergleicht, dann stellt man fest, dass wir die Terrororganisationen so stark treffen konnten, dass sie bald schon um Waffenstillstand betteln werden.

Ich sage bewusst Waffenstillstand und nicht Frieden, weil man mit Terroristen keinen Frieden schließen kann, genauso wie man mit dem islamischen Staat oder der Hisbollah oder Al-Qaida keinen Frieden schließen kann. Sie interessieren sich nicht für Menschenleben – und zwar für Menschenleben auf beiden Seiten nicht. In erster Linie wollen sie natürlich Juden und Israelis töten, aber auch palästinensische Frauen, Kinder und Unbeteiligte wollen sie sterben sehen, um diese Bilder und Videos in der Welt zu verbreiten und ein verzerrtes Bild zu erzeugen. Die Zivilisten leiden auf beiden Seiten.

Das ist wirklich eine Tragödie, weil die Terroristen keinerlei Schutzmaßnahmen vornehmen, um den Zivilisten im Gaza-Streifen in irgendeiner Weise zu helfen. Sie schießen aus unmittelbarer Entfernung zu Häusern, Moscheen, Schulen und Wohngebieten. Das ist eine Tragödie, die meiner Meinung nach viel zu wenig in der internationalen Presse thematisiert wird.

TE: Welches Verhalten würde sich Israel von seinen Verbündeten in Europa und im Westen wünschen?

Deutschland, wie alle anderen Länder, die frei und demokratisch sind, sollten
Israel den Rücken in diesem Krieg frei halten. Nicht gegen die Palästinenser, sondern gegen die palästinensisch-islamistischen Terrorgruppen, die mittlerweile zu Terrorarmeen angewachsen sind. Und solange wir diese Terrorarmeen machen lassen, was sie wollen, wird in erster Linie nicht Israel darunter leiden, sondern Palästina selbst.


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Kommentare ( 35 )

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Deutscher
2 Jahre her

Sie denken zu kompliziert und sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht.

It´s the religion, stupid!

Andreas Spata
2 Jahre her

Danke sehr, für das Interview mit Herrn Shalicar! Weil hier einige sehr begeistert von ihm sind und weil es im Artikel nicht erwähnt wird.
Herr Shalicar hat ein sehr lesenswertes Buch geschrieben, Titel: Ein nasser Hund ist besser als ein trockener Jude. Unbedingte Leseempfehlung!!
Szenen seines Lebens, auch in Wedding. Belohnt wird man mit der Erkenntnis wie und warum der Antisemitismus besonders in arabischen Milieus verhaftet ist. Danke, für dieses Buch! UND Herr Shalicar hat einen deutschsprachigen Twitterkanal ! Arye (ARO) Sharuz Shalicar

Ralf Poehling
2 Jahre her

Genau. Die derzeit amtierende US Regierung schwächelt enorm in der Nahostpolitik. Wäre Trump noch Präsident, hätten wir jetzt wohl eine andere Situation in Nahost.

Konservativer2
2 Jahre her

Habe gestern Herrn Shalicar – mir bis dato völlig unbekannt – erstmals in einem Interview gesehen und war sofort BEGEISTERT! Offensichtlich ist er nicht nur „Sprecher“ der IDF, nein, der WEISS, wovon er redet.

Und: schon sein Eingangssatz „schöne Grüße an Herrn Seibert…“, wohl die Antwort auf ein vom Interviewer zitiertes Statement unseres „Sprechers“, hat mich vor Begeisterung vom Stuhl gehauen!

Weiter so und viel Erfolg im Kampf!

Lucius de Geer
2 Jahre her

Hervorragend – Dank und Kompliment an den jungen Autor, der sich als vielseitiger und erfrischender erweist als mancher alter Hase auf TE. So bitter die Lage Israels auch ist – sie hält die Überlebensinstinkte der Bürger wach und verhindert, dass sich die Politik dort nur noch mit Dekadenzthemen befasst, mit denen sich Europa zugrunderichtet.

Petrus55
2 Jahre her

„Beispielweise gabs schon immer Sklaven und die Meisten davon waren Weiß.“

Volltreffer! Damals nannte man das nur etwas anders. Es hieß Leibeigenschaft und die beinhaltete unter anderem das Recht des Herrschers auf die erste Nacht mit der Braut. Und wehe sie war keine Jungfrau mehr……..

Chris Groll
2 Jahre her

Habe vor Jahren eine Dokumentation im ÖR-TV über Arye Sharuz Shalicar gesehen, über dessen bemerkenswerten Lebensweg vom Sohn iranischer Juden, aufgewachsen im Berliner Problemviertel Wedding. Auch über seine Mitgliedschaft in einer vorwiegend kurdisch-libanesischen-Gang, um dem antisemitischen Hass zu entfliehen. Nach Abitur und Studium in Deutschland wanderte er dann nach Israel aus. Sehr interessant.

RMPetersen
2 Jahre her

Auch der arabischen Bevölkerung würde es besser gehen, kämen Gaza und die Westbank wieder unter israelische Verwaltung.

EinBuerger
2 Jahre her

Israel sollte den Gazastreifen ganz offiziell an Ägypten abtreten. Dann müssten sich die Ägypter mit der Hamas rumschlagen. Man kann den Ägyptern auch etwas oben drauf legen, damit sie ihn lieber nehmen. Eine andere Lösung, die Israel vor der Weltgemeinschaft noch vertreten kann, sehe ich nicht.

Magdalena
2 Jahre her

Man kann nur beten, dass sich die Hisbollah im Libanon aus dem Konflikt raus hält. Israelische Soldaten haben sich jetzt offenbar auch im Norden des Landes in Stellung gebracht, sodass manche Familien ihren Angehörigen davon abgeraten haben, über Shavuot, Feiertage bis 18.Mai, nach Hause zu fahren.