Olaf Scholz verliert das Vertrauen: „Ein Ausbund an Selbstgerechtigkeit“

Der Bundestag hat planmäßig Olaf Scholz das Vertrauen abgesprochen. Nun muss Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nur noch den Wunsch nach Neuwahlen vollziehen. In der Debatte hat der Wahlkampf längst begonnen.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Markus Schreiber

Der Bundestag hat den Weg frei gemacht. Das Parlament hat Kanzler Olaf Scholz (SPD) wie von ihm geplant das Vertrauen entzogen. 394 Abgeordnete haben sich gegen den Kanzler gestellt, 207 Abgeordnete für ihn, 116 Abgeordnete haben sich enthalten. Einzelne Abgeordnete der AfD stimmten aus taktischen Gründen für Scholz. Nun ist der Bundespräsident an der Reihe. Doch seine Prüfung ist – angesichts der Besetzung des Amtes – nur Formsache. Am 23. Februar wählen die Bürger voraussichtlich den 21. Bundestag.

Olaf Scholz ist vor das Parlament getreten mit der Bitte, es möge ihm das Vertrauen entziehen. Tja. Was sagt man in so einer Situation? Das alles super war und einem als Kanzler die Regierung gelungen sei? Das wäre intellektuell unbefriedigend – unglaubwürdig. Das würde nur jemand tun, dem gar nichts peinlich ist. Dem es nichts ausmacht, dass ihm kein Vernünftiger glauben wird. Und Olaf Scholz. Er sagt, er habe in schweren Zeiten eine Regierung zusammengebracht und das sei ihm gelungen.

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Aber: Wenn denn alles so gelungen war, warum tritt der Kanzler dann vors Parlament und bittet es, ihm das Vertrauen zu entziehen? Um vorgezogene Wahlen zu ermöglichen, lautet die praktische Antwort. Doch auch die benötigen ja einen Grund – wenn es denn so gut gelaufen ist. Scholz schiebt die gesamte Schuld auf seinen ehemaligen Koalitionspartner: die FDP.

Die FDP habe in der Ampel für Dauerzoff gesorgt. Es brauche „sittliche Reife“, die habe offensichtlich gefehlt, weshalb Scholz seinen Finanzminister Christian Lindner habe entlassen müssen. Kritische Worte über sich selbst finden sich beim Kanzler nur in dem, was er weglässt. So bezeichnet Scholz die deutschen Brücken, Straßen, Schienen und das Internet als so heruntergekommen, dass es eine „Generationenaufgabe“ sei, diese wieder auf einen akzeptablen Stand zu bringen. Was Scholz auslässt: Die SPD war 22 der letzten 26 Jahre in der Bundesregierung. Es waren Generalsekretäre, Arbeitsminister, Vizekanzler, Finanzminister und Kanzler der SPD, die das Land verlottern haben lassen. Es war Olaf Scholz, der all diese Ämter inne hatte.

Für sein schlechtes Gedächtnis erntet Scholz Kritik auf X. Vom ehemaligen Koalitionspartner. FDP-Generalsekretär Marco Buschmann schreibt: Der Kanzler sei „ein Ausbund an Selbstgerechtigkeit“. Doch auch der verbliebene Koalitionspartner stößt sich an Scholz: „Von einem Bundeskanzler, dessen Regierung gerade zu Ende geht, erwarte ich in einer Rede zur Vertrauensfrage ein Mindestmaß an Selbstreflektion.“

 

Im Bundestag kommt Friedrich Merz die Aufgabe zu, Scholz’ Respektlosigkeit gegenüber anderen zu kritisieren. Ebenso wie dessen Selbstgerechtigkeit. Die Rede des Kanzlers, so kritisiert Merz, sei „nicht nur respektlos“ gewesen, „sondern eine blanke Unverschämtheit“. Scholz habe seine Rolle in den 22 der letzten 26 Jahre vergessen, in denen die SPD an der Regierung beteiligt gewesen ist: „Waren sie auf einem anderen Stern unterwegs gewesen? Wo waren Sie in den letzten 22 von 26 Jahren?“

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Inhaltlich ist die Aussprache zum verlorenen Vertrauen in den Bundeskanzler Wahlkampf pur. Entsprechend sprechen in der ersten Runde nicht die Fraktionsvorsitzenden für FDP und Grüne, sondern die Spitzenkandidaten. Als erster Redner hat Scholz deutlich gemacht, dass er den Staat deutlich stärker verschulden wird. Aus seinen Anspielungen wird deutlich, dass dem Kanzler eine doppelt so hohe Verschuldung vorschwebt. Das geliehene Geld will er ausgeben für „Made in Germany“-Bonus oder „Deutschlandfonds“. Also will der Kanzler so weitermachen wie bisher – nur mit anderen Schlagwörtern. „Wumms“, „Bazooka“ und „Doppelwumms“ dienten Scholz bis jetzt als Vorwand, massiv Steuergeld auszuschütten in der Hoffnung, dass die Wirtschaft dann wächst. Das Gegenteil ist eingetreten. Doch Scholz will weitermachen.

Merz zeigt die Schwächen dieser Strategie auf. In der Rede des Kanzlers sei der Begriff „Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft“ überhaupt nicht vorgekommen. Scholz könne nur Geld ausgeben, etwas anderem falle ihm nicht ein. Das bedeute, sagt Merz: Steuererhöhungen, mehr Schulden und mehr Umverteilung auf Kosten der nächsten Generation. Auch die habe Scholz in seiner Rede nicht erwähnt.

Doch dem demografischen Wandel sei Dank braucht ein Kanzler die nächste Generation nicht. Zumindest nicht bei Wahlen. Die entscheiden die Alten. Deswegen rudert Merz mit seinen Äußerungen zur Rente zurück, die von der SPD bereits geschickt als Bresche genutzt worden sind, um den Kanzlerkandidaten der Union anzugreifen. Und deswegen versichert der Christdemokrat nun: „Es wird mit uns keine Rentenkürzungen geben, wer etwas anderes sagt, lügt. Das Renteneintrittsalter bleibt bei 67.“

Auch Christian Lindner spricht dem Kanzler im Namen der FDP ab, dass der geeignet sei, die Wettbewerbsschwäche der deutschen Wirtschaft zu beheben. Bis tief in dieses Jahr hinein habe der Kanzler sogar geleugnet, dass es überhaupt eine Strukturkrise in der Wirtschaft gibt. Noch jetzt verweigere er sich jeder Erneuerung. Scholz habe gezeigt, dass er „keine Kraft zu grundlegenden Veränderungen“ habe. Als Beispiele dafür nennt Lindner, dass der deutsche Sonderweg in der Klimapolitik beendet und die Bürokratie abgebaut werden müsse. Wäre der FDP-Parteivorsitzende ein unbelasteter Anfänger, hätte diese Rede beeindrucken können. Nachvollziehbar erklären, warum er dies alles aber in den zurückliegenden drei Jahren nicht berücksichtigt hat, kann Lindner auch in der Debatte zur Vertrauensfrage nicht.

Grün will „Degrowth“
Habeck und die Wirtschaftskrise: kein Versehen, sondern Absicht
Alice Weidel (AfD) beschreibt den Ernst der Situation: des wirtschaftlichen Niedergangs, einer fehlgeleiteten Einwanderung, die Radikale im Land akzeptiert, die provozierend über Weihnachtsmärkte ziehen und einer politischen Klasse, die mit dem Paragraphen 188 den Tatbestand der Majestätsbeleidigung geschaffen hat, um Bürger niederzuhalten, die gegen all dies aufbegehren. Olaf Scholz hat Christian Lindner entlassen, weil der nicht bereit war, einen Notstand anzuerkennen, der eine massive Verschuldung ermöglicht hätte. Ebenso leitet Scholz Neuwahlen ein, weil ihm das Vertrauen im Parlament fehle. Aus der Rede Weidels wird deutlich, warum es in Deutschland einen Notstand geben könnte und die Regierung das Vertrauen verloren hat.

Die Ampel ist gescheitert. Robert Habeck (Grüne) sagt am offensten, warum: „Wir waren alle drei genervt voneinander.“ Das können die Bürger nur zu gut nachvollziehen, das geht den meisten auch so. Nun ist auch der Kanzler gescheitert. Offiziell. Neuwahlen hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier schon terminiert, auf den 23. Februar. Vielleicht verwehrt der Sozialdemokrat Steinmeier aber noch den Wunsch des Sozialdemokraten Scholz und kommt in seiner Prüfung zum Ergebnis, dass er als Präsident Neuwahlen nicht verantworten kann. Sorry für diesen Gedanken. Aber wer Olaf Scholz 25 Minuten zugehört hat, muss auch mal komplett an jeder Plausibilität vorbei formulieren dürfen.

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Kommentare ( 105 )

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Monostatos
1 Monat her

Angesichts der Reden der drei Kanzerdarstellerkandidaten wünscht man sich inständig das Scherbengericht des antiken Athen. Damals hätte sich der Demos dieser Gestalten und ihrer Parteien auf diese Weise entledigt.

Michael Palusch
1 Monat her

„Einzelne Abgeordnete der AfD stimmten aus taktischen Gründen für Scholz.“
Das bedeutet dann im Umkehrschluß, dass Abgeordnete der SPD gegen ihren eigenen Kanzler und erst kürzlich gekürten Kanzlerkandidaten gestimmt haben müssen.

Schwabenwilli
1 Monat her

„Olaf Scholz verliert das Vertrauen: „Ein Ausbund an Selbstgerechtigkeit“

Das hat er sich von Angela abgeschaut, diese wiederum von Margot.

Von Scholz kommt nichts mehr. In einer Koalition Merz wird er nicht mehr dabei sein.
Ein Buch? Ja ein Buch wird er irgendwann noch schreiben.

Sonny
1 Monat her

Für mich war das alles kein Grund zum Jubeln. Das Bild, das Deutschland der Welt vermittelt, ist eindeutig: Ein zerstörtes, kaputtes und erfolgsarmes Land, in dem sich Politiker fast ausschließlich nur mit sich selbst beschäftigen und ihnen das Leid der Menschen im Land völlig egal ist. Wer sich jetzt von merz´ Theaterspiel hat beeindrucken lassen: Auch die cdu war maßgeblich am Niedergang Deutschlands beteiligt. Über fast ebenso viele Jahre wie die spd. Als Oppositionspartei der letzten drei Jahre war sie ein Totalausfall. Da war nur die „Brandmauer“ wichtig, die dafür sorgte, dass kein vernünftiges Argument mehr zugelassen wurde, wenn es… Mehr

Last edited 1 Monat her by Sonny
Michael Palusch
1 Monat her

„„Waren sie auf einem anderen Stern unterwegs gewesen? Wo waren Sie in den letzten 22 von 26 Jahren?““ Ja, manchmal haut der Fritze schon einen raus! Aber es macht es natürlich auch einfach, wenn man, also die CDU, mit den letzten 26 Jahren so überhaupt nichts zu tun hatte. Aber recht hat er natürlich, denn die Zeiten mit einem Vizekanzler Scholz unter der Kanzlerschaft Höckes haben dem Land gewaltig geschadet. Da war die CDU um ihre Rolle in der Opposition wahrlich nicht zu beneiden. Bin wirklich froh, dass wir voraussichtlich im Februar ’25 eine Regierung unter der Führung einer Partei… Mehr

Last edited 1 Monat her by Michael Palusch
Oldie
1 Monat her

mehr Kasperletheater geht nicht. Ich bitte das Parlament mir das Vertrauen zu entziehen und stelle mich der Wiederwahl mit der Absicht in gleicher Funktion wieder tätig sein zu können. Wähler wacht doch endlich auf

BellaCiao
1 Monat her

Olaf hatte sich das Ziel gesetzt, „die Vertauensfrage zu verlieren“. Das hat er erreicht: So steht er also auf dem Siegertreppchen. Scholz widmet einfach das Verlieren der Vertauensfrage in einen Sieg um. Großartig.

Offenbar braucht der Kanzler das, um sich weiter gut zu fühen. Dass sein Verhalten völlig absurd ist, juckt ihn überhaupt nicht.

Last edited 1 Monat her by BellaCiao
Nick
1 Monat her

Selbstgerechter kleiner Kanzler, tut so als sei die Abstimmung geplant. Er hat keine Mehrheit mehr und musste die Vertrauensfrage verlieren. Merz hätte ihn schon vor 6 Wochen mit konstruktivem Misstrauensvotum vom Hof jagen müssen.

Olaf W1
1 Monat her

Nun, man kann sich durchaus über diese Komödie im hohen Haus aufregen. Aber: die Schuld an der Situation tragen nicht die „Super-Demokraten“ der Altparteien, nein, die Schuld an der Gesamtsituation trägt allein der Wähler! Dieser ermächtigt eine Gruppe von politischen Abrißbirnen regelmäßig und glaubt, was NGOs und ÖRR sowie Mainstream ihm wider dem gesunden Menschenverstand, Logik und selbst gemachten Erfahrungen ihm vorlügen. Im Bundestag ist also das reale Deutschland im Querschnitt repräsentiert. Und wer in den freien Medien verfolgt, was für Zeitgenossen da frei rumlaufen und in die Kameras und Mikros von z. B. Kontrafunk ihre Meinungen raushauen, den wundert… Mehr

Peter Pascht
1 Monat her

Nachrichten aus der Un-Kulturszene
Das Berliner „Komödianten-Stadl“ hat gestern seine letzte diesjährige Komödianten Vorstellung gegeben mit dem Komödianten-Stück.
Die verlorene Ehre des Olaf Doppelwumms, die es nie gab„,
von H. Böllermann
Wir versichern aber allen Fans des Berliner „Komödianten-Stadel“ die Komödie geht auch nächstes Jahr weiter, blos in neue Besetzung, sonst ändert sich nichts,
mit genau solchen brillianten Komödianten wie bisher.
Alle Fans von Lüge, Betrug und Skrupellosigkeit werden auf nichts verzichten müssen.
In gewohnter Brillianz wird das Berliner „Komödianten Stadl“ dies auch nächtes Jahr vorführen, so wie der deutsche Zuschauer es gerne mag.