Warum Norbert Röttgen zum Talkshow-König wurde und die AfD nicht stattfindet

Aalglatter Karrierist und dennoch Verlierer. In den Talkshows von ARD und ZDF war der gescheiterte CDU-Kandidat Norbert Röttgen 2022 der neue König. Er taugt eben gut, um in grün dominierten Runden den Schein der Ausgewogenheit zu vermitteln. Ansonsten ist Ausgewogenheit Fehlanzeige.

IMAGO / Jürgen Heinrich
Norbert Röttgen in der Talkshow von Anne Will, 06.11.2022

Fünf Stühle eine Meinung. So heißt ein beliebtes Urteil über Anne Will. Die Gäste sucht die Redaktion gerne nach dem Schema aus: je ein Vertreter von SPD und Grünen, ein grüner Experte und eine noch grünere Journalistin. Damit die Schlagseite nicht allzu sehr auffällt, braucht Anne Will dazu noch einen Alibi-Christdemokraten. Der Posten ist wie gemacht für Norbert Röttgen. Dessen Rolle in Talkshows besteht meistens darin, zu sagen, dass er ja grün-rote Politik eigentlich gut finde, aber er wolle fragen, ob er ein Detail doch kritisieren dürfe. Darf er. Dann wird er niedergebrüllt, lächelt brav und die Ausgewogenheit ist ausreichend angedeutet.

Röttgen ist ein Gescheiterter. In Nordrhein-Westfalen wollten ihn die Menschen nicht als Ministerpräsidenten. Merkel feuerte ihn als Bundesminister. Zwei mal trat er für den Bundesvorsitz der CDU an, zwei mal sagte ihm die Partei, dass sie ihn nicht will. Beim zweiten Mal wurde seine Schatten-Generalsekretärin Ellen Demuth zu einem Problem für Röttgen. Entgegen der Partei-Räson hatte sie tagsüber den amtierenden CDU-Vorsitzenden Armin Laschet scharft auf Twitter kritisiert. Noch am gleichen Abend distanzierte sich Röttgen von ihr – live im Fernsehen. Geholfen hat es ihm nicht. Ein aalglatter Karrierist und doch ein Verlierer. Mit genau diesem Profil wurde Röttgen der meist eingeladene Talkshow-Gast von ARD und ZDF, wie das Fachportal Meedia ermittelt hat.

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Im Vorjahr war das demnach noch Karl Lauterbach (SPD). Der heutige Gesundheitsminister kam 2021 auf absurde 40 Talkshow-Auftritte. Dieses Jahr waren es „nur“ noch 15 Besuche. Das reichte im Meedia-Vergleich für Platz sechs. Auf Platz zwei des Vergleichs kam der Journalist Robin Alexander mit 19 Besuchen. 11 davon absolvierte er alleine bei Markus Lanz. Der ZDF-Talker kommt also statistisch gesehen gerade mal zwei Wochen ohne seinen Lieblingsgast aus. Der dritte und vierte Platz gingen an den ehemaligen und den amtierenden Generalsekretär der SPD, an Lars Klingbeil (18 Besuche) und an Kevin Kühnert (17 Besuche). Für das Gäste-Ranking wertete Meedia die fünf Shows aus: „Anne Will“, „Hart aber fair“, „Maischberger“, „Maybrit Illner“ und „Markus Lanz“.

Der Krieg in der Ukraine war 2022 das bestimmende Thema in den Talkshows von ARD und ZDF. 46 von 105 Ausgaben beschäftigen sich unmittelbar mit dem Angriff Russlands. Rechnet man Themen dazu, in denen die Runden einen Bezug zum Krieg herstellten, etwa die Energiekrise oder die Inflation, ging es in mehr als der Hälfte der Sendungen um die Ukraine. Lediglich Corona spielte als anderes Thema mit elf Ausgaben noch eine nennenswerte Rolle. In der Auswertung der Themen berücksichtigt Meedia Lanz und Maischberger nicht, da diese an einem Abend über Unterschiedliches sprechen.

Manche Gäste verdanken ihren Talkshow-Aufstieg dem Ukraine-Thema. So kam FDP-Frontfrau Marie-Agnes Strack-Zimmermann auf 17 Einsätze und teilt sich mit Kühnert den vierten Platz. Sie war die Frau mit den meisten Show-Offensiven. Und selbst Hinterbänkler wie Roderich Kiesewetter (CDU) kamen durch die Ukraine zu ihren 15 Minuten Ruhm beziehungsweise 13 Talkshow-Einladungen. Roderich Kiesewetter war mit Friedrich Merz in Kiew und erzählte in den Talkshows, dass er mit Merz in Kiew war. Und dass er sich in Kiew auskenne, weil er mit Merz dort war. Kiesewetter buchten die Shows vor allem in der Frühphase des Krieges. Dann konnte auch in den Redaktionen keiner mehr hören, dass er ja mit Merz in Kiew gewesen sei.

Diese Frühphase des Krieges war 2022 die erfolgreichste Zeit der Talkshows von ARD und ZDF. Alle fünf Shows erreichten ihre beste Quote des Jahres in der Phase vom 24. Februar bis zum 6. März. Den besten Wert schaffte Anne Will am 6. März mit 5,27 Millionen Zuschauern. Mehr Zuschauer auf einmal wollten übers ganze Jahr keine der Shows sehen. Maischberger erreichte zuletzt nicht mehr mit jeder Ausgabe die Grenze von einer Million Zuschauern in der Erstausstrahlung.

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Das mag auch an der Unausgewogenheit liegen. Auf den ersten vier Plätzen scheinen die Zahlen erstmal noch angemessen: Die SPD kommt auf 134 Einladungen, die Union auf 123, die Grünen auf 85 und die FDP auf 80. Doch zum einen laden ARD und ZDF vor allem linke Experten und Journalisten ein. So kommt allein Ulrike Herrmann auf neun Besuche. Ihre Linksaußen-Zeitung Taz ist bei Mitarbeitern der Öffentlich-Rechtlichen sehr beliebt. Mit einer verkauften Auflage von bundesweit 46.000 Exemplaren ist die Zeitung außerhalb der ÖRR-Blase aber ein Zwerg. Dazu kommt die Auswahl von Pseudo-Konservativen wie eben Röttgen. Ihn hat die CDU zweimal abgelehnt – aber auf ihn fallen ein Sechstel der Talkshow-Einladungen der Union.

Noch offensichtlicher wird die linke Schlagseite von ARD und ZDF bei Linken und AfD. Doppelt so viele Wähler holte die AfD im Vergleich zu den Linken. Auf mehr als 16 mal so viele Einladungen wie die AfD kam die Linke in öffentlich-rechtlichen Talkshows. 33 Einladungen der Linken stehen zwei Einladungen der AfD gegenüber. Die FDP hat bei der Wahl rund ein Prozentpunkt mehr geholt als die AfD – kommt bei ARD und ZDF aber auf 40 mal so viele Talkshow-Einladungen.

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Kommentare ( 32 )

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Riffelblech
1 Jahr her

Es ist doch eine ausgemachte Strategie der ÖR das die AfD zu den Talks praktisch nicht vorkommt . Und wenn dann doch einmal jemand von der AfD eingeladen wird dann wird aber jedes Register gezogen ihn/ sie niemals einen Satz zünde sprechen zu lassen . ( Lanz zu Chopalla als Beispiel) Diese Strategie ist im Überigen vor Jahrzehnten Vordenker Amis ausgeheckt worden um missliebige Parteikandidaten auszugrenzen . Frei nach dem Motto ,wer nicht stattfindet der existiert nicht . Und wenn dann noch wie in jedem zweiten Satz die AfD mit Reichsbürgern und ,Umstürzlern gleichgesetzt wird ,was erwiesenermaßen Blödsinn ist ,bleibt… Mehr

Rob Roy
1 Jahr her

Der ÖRR krieg jetzt schon wieder Oberwasser und sämtliche „Reformen“ sind doch innerlich schon beerdigt worden. Der künftige ARD-Vorsitzende Kai Gniffke will von Sparmaßnahmen jedenfalls nichts wissen. Und ich bin sicher, über Gebührenerhöhungen wird auch wieder demnächst gesprochen werden.
Es wird also 2023 alles so weiterlaufen, wie sich die Politik das von ihren Propgandasendern wünscht.

Dr. Rehmstack
1 Jahr her

Vielen Dank für die Zusammenstellung, ich werde sie, so erlaubt, bei meinem nächsten Widerspruch gegen die GEZ Forderungen beifügen. Ich sammle bereits die täglichen Verstöße der Tagesschau gegen ihre Neutralitätspflicht: seit die Wahlfälschungen in Berlin bekannt wurden (TE sei Dank) und die Nicht 5% Partei SED Nachfolgeorganisation um ihre parlamentarische Präsenz fürchten muß, wird sie regelhaft als erste Oppositionsstimme in der Tagesschau geführt, noch vor der CDU, die AfD kommt meist gar nicht vor. Die Absicht ist so offensichtlich: der ÖRR liebt die Mauerpartei und möchte sie um jeden Preis retten, und dahinter stecken nicht nur die zu 90% grünlinksaffinen… Mehr

Herbert Rehm
1 Jahr her

Das nennt man demokratische Auslese. Doch nicht ärgern. Jeder ist selbst schuld, wenn er sich diese chronischen Dummschwätzer anhört. Von Röttgen heißt es ja, wenn er den Bundestag betritt, gibt er beim Pförtner sein Rückgrad ab. Wenn Sie Tichy, Broder oder Kissler sehen und hören wollen, österreichische Sender einschalten. Bei Fleischhacker ist Ausgewogenheit selbstverständlich. Seit zwei Jahren schaue ich diese Dampfplauderer ( so heißt das in Bayern) ebenso wie „Tagesschau“ und „heute“ nicht mehr an. Zu 90% sind hier keine Journalisten, sonder links – grüne Aktivisten am Werk.

Thomas Hellerberger
1 Jahr her

Lieber Herr Thurnes, echte Glaubwürdigkeit gewinnt so ein Beitrag auf TE erst, wenn Sie zu Ihren eigenen Talkrunden auf Tichys Ausblick erstens die AfD regelmäßig – nicht immer, aber bei relevanten Themen – anfragen (offenbar hat sie bei der letzten Runde „es wird kalt in Deutschland abgesagt – die Leserkommentare auf Youtube deuteten einen gewissen Unglauben an, ich denke, das wird so gewesen sein) und dann auch AfDler auf Ihr Panel setzen. Oder „Querdenker“, einen Paul Brandenburg zum Beispiel, oder fragen Sie mal Thorsten Hinz an. Selbst wenn Frank Henkel dann als Moderator absagt, weil Kai Wegner ihm das verbietet,… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Thomas Hellerberger
imapact
1 Jahr her

Bedauerlich, daß immer noch so viele Personen sich diese Propaganda-Quasselrunden überhaupt antun. Jeder weiß doch längst, daß es sich dabei um mediale Gehirnwaschmaschinen handelt; die einseitige Besetzung (3-4 Gäste + Moderator gegen 1, der vielleicht im Ansatz eine etwas konträre Meinung vertritt) finden sich auch beispielsweise in Radio-Gesprächsrunden. Röttgen wurde wohl kaum wg. seiner Mißerfolge zum Alibi-Dauergast gekürt, sondern weil er einer Partei angehört, die rein formell die Oppositionsrolle einnimmt, de facto sich aber zum willfährigen Handlanger des Regimes macht. Als Migranten in Lesbos ihr eigenes Lager in Brand setzten, wollte Röttgen mit am meisten dieser Leute umgehend nach Deutschland… Mehr

Aqvamare
1 Jahr her
Antworten an  imapact

Sind 1 Million bis 5 Millionen Zuschauer wirklich eine gute Quote?

Inga
1 Jahr her
Antworten an  imapact

Fragen Sie die AfD selber, ich habs getan. Lt. dieser gab es ein Missverständnis mit der Pressestelle, was inzwischen geklärt wurde. Hr. Tichy sagte zu, die AfD nächstes Jahr wieder einzuladen, und falls es eine Anfrage von ihm gibt, werde man sofort zusagen. Man wisse um die Wichtigkeit von Tichys Einblick/-ausblick und schätze das Format etc.

Rolfo
1 Jahr her

Halt die übliche Schlagseite. Die Öffentlich -Rechtlichen – war es nicht Kai Kniffke? -finden kaum jemanden, der einen Pro-AKW-Kommentar sprechen könnte. Sie sind halt in der linken Blase, simulieren ausgewogenes Fernsehen. Dazu das Gesicht von Marietta – vor kurzem noch der Claus – die uns jeweils mimisch klarmachen, was gut-zu-finden ist. Beim Fernsehen haben die das Gefühl, Gutes zu tun und dafür auch noch mehr als auskömmlich bezahlt zu werden, die Bürger in die richtige, die gute Richtung zu erziehen, die Elite lehrt die zu Belehrenden. Sollten sie dann in ihren Elektroautos von der Anstalt zurück in ihre Wellness-Oasen schweben… Mehr

Dr. Hansuli Huber
1 Jahr her

Herr Röttgen ist die perfekte Synthese des heutigen deutschen Berufspolitikers. Er wird als (Aussenpolitik-)Experte gehandelt, scheint aber seine Erfahrungen und Informationen ausschliesslich der hiesigen Presse und dem Politbüro zu verdanken. Er kann trefflich von ungelösten Problemen und verkehrten Politmassnahmen ablenken, indem er etwas nichtiges einbringt und dazu eine tiefgründige Diskussion startet. Ihm scheinen eigene zündende Ideen und Gedanken abzugehen und sein öffentlich vertretener Wertekanon passt sich wie ein Chamäleon der jeweiligen Umgebung und Mehrheitsmeinung an. Schaut in den Spiegel und ihr seht – Herrn Röttgen.

Luke
1 Jahr her

Was auffällt ist, dass die ganzen neuen „Talkshow-Stars“, die nur durch den Ukraine-Krieg in die Talkshows gespült wurden und für die sich ansonsten niemand interessiert hätte (Röttgen, Strack-Zimmermann, Kiesewetter,…) prinzipiell auch alle die gleiche Meinung vertreten.

Man könnte fast meinen, dass der ÖRR hier nur genau diese Meinung unters Volk bringen will.

Sonny
1 Jahr her

Öffentlich-Rechtliche Medien in Deutschland = Hofpresse der grün-sozialistischen Republik (DDR 2).
Mehr braucht man dazu nicht mehr zu sagen.

Last edited 1 Jahr her by Sonny