Die Mitarbeiter der Krankenhäuser kämpfen um ihre Branche

Deutschland droht ein nie gesehenes Krankenhaussterben. Deswegen haben sich die Vertreter der Branche zum Aktionstag getroffen. Der Berliner Polizei war wichtig, dass der Verkehr nicht gestört wird. Plötzlich. In dem Fall.

IMAGO / Marten Ronneburg
Bundesweiter Aktionstag zur Untetstützung der Krankenhäuser, Brandenburger Tor, Berlin, 20. September 2023
Gehen Schüler und Studenten in den Streik, passiert nichts. Sie haben einen freien Tag. Legen aber Arbeiter der Auto- oder Chemieindustrie die Arbeit nieder, gibt es einen ungeheuren volkswirtschaftlichen Schaden. Bei Ärzten und Pflegern sterben Menschen. Deswegen hat die Deutsche Krankenhausgesellschaft nicht zum Streik aufgerufen – sondern zum Aktionstag. Die zentrale Veranstaltung findet vor dem Brandenburger Tor statt.

Die Qualität der Veranstaltung an der Zuschauerzahl zu messen, wäre daher wenig sinnvoll. Bei „Fridays for Future“ sind die Straßen voll. Weil die Kinder von den Schulen freigestellt werden – teilweise sogar zwangsverpflichtet. Zur Deutschen Krankenhausgesellschaft kommen nur die, die im laufenden Betrieb verzichtbar sind. Die werden von der Berliner Polizei immer wieder aufgefordert, zusammenzurücken. Sie sollen den Verkehr vorm Brandenburger Tor nicht behindern – geht es nicht um Klimakleber, ist das der Berliner Polizei plötzlich erstaunlich wichtig.

Die Lage in den deutschen Krankenhäusern ist dramatisch. Derzeit kosten Behandlungen die Kliniken mehr Geld, als sie damit einnehmen. Man kann in der Schule reichlich Mathe-Unterricht bestreikt haben und weiß immer noch, dass so etwas auf Dauer nicht funktionieren kann. Die Schätzungen sind unterschiedlich. Manche sagen, bald werde es jedes fünfte deutsche Krankenhaus nicht mehr geben, andere sagen jedes dritte oder sogar jedes zweite.

Gerald Gaß rechnet vor, woher das kommt: Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat den Krankenhäusern nur erlaubt, 2,3 Prozent höhere Preise von den Kassen zu verlangen. Ihre eigenen Kosten für Strom und Personal sind aber deutlich stärker gestiegen. Demnächst könnte es weitere Lohnerhöhungen im Gesundheitsbereich von zehn Prozent geben. Gut für die Mitarbeiter, verheerend für die Kliniken, sagt Gaß, der Vorstandsvorsitzende der Krankenhausgesellschaft.

Lauterbach schiebt die Schuld auf die Länder. Die seien über Jahre ihrer Pflicht nicht nachgekommen. Krankenhäuser finanzieren den Betrieb mit dem Geld, das sie aus der Abrechnung mit den Kassen erhalten. Das Geld für Investitionen müssten die Länder bereitstellen. Weil diese das nicht ausreichend getan hätten, hätten die Kliniken das Geld für Investitionen aus dem Geld für den laufenden Betrieb genommen, sagt Lauterbach.

Damit hat Lauterbach recht. Gaß aber auch. Wenn die Einnahmen um 2,3 Prozent steigen, die Ausgaben aber um 6 Prozent und mehr, dann kann das nicht funktionieren. Dass Gaß und Lauterbach beide recht haben, hilft niemandem. Im Gegenteil. Die von ihnen geschilderten Probleme summieren sich: Unterlassene Investitionen, fehlende Rücklagen, unrentable Betriebsführung – alles zusammen führt bald dazu, dass jedes fünfte, dritte oder zweite Krankenhaus schließen wird.

Die Rednerinnen – die Mehrheit der Mitarbeiter im Gesundheitswesen sind Frauen – die Rednerinnen sprechen vom „kalten Krankenhaussterben“. Lauterbachs Reform wird, wenn überhaupt, frühestens 2027 greifen. Bleibt die Situation, wie sie ist, sagt Gaß, werden bis dahin die Krankenhäuser schließen. Wild. Ungeplant. Dann kann es passieren, dass zwei Häuser in der Stadt überleben, auf dem Land aber nicht. Für Notfallpatienten kann das bedeuten, dass sie mit ihrem Herzinfarkt dann 50 oder 100 Kilometer unterwegs sind – oder noch mehr. „Kaltes Krankenhaussterben“ halt.

„Alarmstufe rot“ hat die Krankenhausgesellschaft ausgegeben. Die Rednerinnen bemühen diese Parole. Skandieren sie. Es ist ein Bild und ein Soundteppich, wie wir es von den Demos der Jahrtausendwende kennen, als sich Stahlarbeiter gegen den Verlust ihres Jobs gewehrt haben: Von Angst getriebene Menschen schreien ihre Not, ihre Furcht in die Mikros – Trillerpfeifen und Banner sorgen für eine gewisse Demo-Folklore.

Im Interview mit dem Morgenmagazin sagt Lauterbach, dass wir mit einem gewissen Krankenhaussterben leben müssten. In der Pandemie hat er die fehlenden freien Betten noch als Argument genommen, Bürgerrechte einzuschränken – nun sagt er, es mache nichts, wenn eben diese Betten abgebaut werden. Um nicht ganz so grausam zu wirken, hat er einen Zuschuss von 2,5 Milliarden Euro freigegeben. Geld mit der Gießkanne helfe aber nichts, sagt Gaß, solange die Kliniken mit einer Behandlung weniger einnehmen, als diese sie kostet.

Die Mitarbeiter der Krankenhäuser geben auf dem Pariser Platz ein Bild ab, wie seinerzeit die Stahlarbeiter, die um ihre Branche kämpften. Vergebens, wie wir heute wissen. Ob der Aktionstag etwas bewirken wird? Bei Lauterbach? Den Ländern? Im öffentlichen Bewusstsein. Immerhin haben die Ärzte und Pfleger den Verkehr vorm Brandenburger Tor nicht gestört. Das war der Berliner Polizei wichtig. Anders als bei den Klimaklebern.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 44 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

44 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
7 Monate her

„Die Lage in den deutschen Krankenhäusern ist dramatisch. Derzeit kosten Behandlungen die Kliniken mehr Geld, als sie damit einnehmen“. Irgendwie völlig unglaubhaft.Meine Frau war wegen Augenoperation im Jahr 2022 3 x für eine Nacht im Nordstadtkrankenhaus in Hannover. Unterbringung in einem spartanischen 4 – Bettkrankenzimmer. Alle Zimmer auf der Etage waren immer ausgebucht. Einige Kranke lagen zeitweise auf dem Flur. Mein Krankenkasse musste für diese eine Nacht jeweils 800 € überweisen. Arztkosten kamen noch hinzu. Also 4 Betten x 800 € = 3200 € mal 30 Tage im Monat = 96 000 € mal geschätzt 11 Monate im Jahr. Also… Mehr

Dorothe
8 Monate her

DE in 5 (?) Jahren: „Gäste“ bestimmen nicht nur das Stadtbild, sie werden sich nehmen, was ihn gefällt, denn Polizei und Bundeswehr sind dann schwach und unterwandert und bei Black- und Brownouts auch nicht mehr erreichbar. Massenarbeitslosigkeit, Nahrungsmittelmangel und eine verhärmte Gesellschaft, die sich überlegt, ob sie heizen oder Lebensmittel kaufen/tauschen soll. Ein Großteil der Privat-PKW’s sind abgeschafft. Kranke können nur noch eine Mindestversorgung erwarten. Die CBDC’s erzwingen Wohlverhalten, die Minderleister aus Politik und NGO’s, leben finanziell abgesichert und sicher vor dem Volkszorn in gated communities. Oder: Menschen mit Überlebenswillen und Stolz kämpfen aus echter Solidarität um ihre Existenz und… Mehr

WokinesIn
8 Monate her

„…Deswegen hat die Deutsche Krankenhausgesellschaft nicht zum Streik aufgerufen – sondern zum Aktionstag…“ Das dürfte genauso falsch sein wie beim „Aktionstag der Apotheker“. Einen Streik führen die Beschäftigten gegenüber dem Arbeitgeber, nicht aber gegenüber den Kunden des Arbeitgebers. Die sind, wie bei u.a. Bahnstreiks möglicherweise Leidtragende und nur mittelbar Ziel, indem sie durch den Streik „Druck“ auf die Arbeitgeber ausüben, damit die (AG) den Forderungen der Belegschaft nachkommt (u.a. mangels Geschäftsbetreib fehlende Einnahmen). Bei Krankenhäuser und Apotheken ist der Fall komplett anders gelagert. Während ein „normales“ Unternehmen höhere Lohnabschlüsse (deshalb wird ja regelmäßig gestreikt) über höhere Preise an die Kunden… Mehr

Last edited 8 Monate her by WokinesIn
Bambo
8 Monate her

Das hat alles zwei Seiten. Das deutsche Gesundheitssystem ist zu teuer für die Leistungen. Es ist auch nicht erforderlich jedem Arzt im Durchschnitt mit 160.000 Euro im Jahr zu vergüten, wobei die Einkommensunterschiede groß sind. Es braucht Strukturreformen mit weniger Krankenhäuser, weniger Sinnlos OP für Rücken etc. und weniger Bürokratie. Auch mehr ambulante Versorgungen. Die Pharmabranche verdient sich dumm und dämlich. Und die Misere wurde durch die sinnfreien Corona Maßnahmen und die gezielte Verteuerung der Energie angeheizt. Und wo bitte war das Klinikpersonal mit Demos gegen Corona. Da waren viele ganz vorne dabei wo das Geld verplauzt wurde. Jetzt nicht… Mehr

Last edited 8 Monate her by Bambo
Alliban
8 Monate her

Wenn man viele Menschen hier einfach so rein lässt, muss m.E. die Infrastruktur angepasst werden. Dazu gehören auch Krankenhäuser (sowie generell die Gesundheitsversorgung). Oder darf man sich in Zukunft nicht mehr erlauben, krank zu werden (bei höchsten Beiträgen in die gesetzliche Krankenversicherung)?

mr.kruck
8 Monate her

„Von Angst getriebene Menschen schreien ihre Not, ihre Furcht in die Mikros“
Ok, aber warum steht auf jedem 2. Plakat Inflationsausgleich jetzt, also sofort mehr Kohle. Geht es dadurch dann den Krankenhäusern besser ?

Karl Heinz Nusser
8 Monate her

Wie meist, Ursache und Wirkung. Die Fehler werden zum Zeitpunkt falscher (ideologischer) politischer Entscheidungen gemacht. Die Mehrheit interessiert sich für die Konsequenzen falscher Entscheidungen erst dann, wenn es „zu spät ist“.
Nicht nur bei diesem Problem, „Deutschland im freien Fall, der Aufschlag wird hart werden und weh tun“.

John Beaufort
8 Monate her

Auch in diesem Bereich hat Deutschland wieder ein absolut irrsinniges System geschaffen. Die Krankenhäuser werden von gewinnorientierten Unternehmen geführt, bekommen ihr Geld aber nicht vom Kunden, sondern vom Staat. Auch hier also halbstaatlicher Nonsens (siehe Bahn)! Entweder verstaatlicht man das Ganze komplett und zahlt den Krankenhäusern eben so viel aus (variablen) Krankenkassenbeiträgen, wie sie zur Kostendeckung benötigen. Oder man privatisiert das System komplett, die Krankenhäuser stehen in freiem Wettbewerb und jeder zahlt seine Rechnung selbst oder versichert sich privat.

Bubi1111
8 Monate her

Das Geld für Investitionen müssten die Länder bereitstellen. Weil diese das nicht ausreichend getan hätten, hätten die Kliniken das Geld für Investitionen aus dem Geld für den laufenden Betrieb genommen, sagt Lauterbach – nicht nur Lauterbach! – Es ist der völlig verantwortungslose Umgang mit Geld, all die Jahre….Wohl wahr! Kliniken als Bruchbuden, veraltete Geräte, schlechte Digitalisierung, schlechtes Management, viel Leerlauf im laufenden Betrieb! Geldgeschenke kurz vor der Wahl, Versprechen usw. damit man wiedergewählt wird… Geld für Leerstühle, Akademien, Orchester, Stiftungen, Musikhallen und fürs gute humanistische Gewissen: alle armen Menschen der ganzen Welt bis Begaladesch hier aufnehmen für die Rundumversorgung…. Es… Mehr

GWR
8 Monate her

Am Mittwoch hat doch Lauterbach noch im Fernsehen gesagt, dass in den Städten eine Überversorgung mit Krankenhäusern besteht.
Leider hat der Mann keine Ahnung.
In der Haunerschen sind ganze Stationen geschlossen, da Personal fehlt. Da werden dann Kleinkinder schon mal in weit entfernte Krankenhäuser verlegt.
Und wenn er zu der angeblichen Überversorgung Zahlen haben will, dann soll er mal in der Rettungsleitstelle nachfragen wie oft es vorkommt, dass händeringend nach einem freien Bett gesucht wird.
Der Mann ist die personifizierte Unfähigkeit und Ahnungslosigkeit.

Bubi1111
8 Monate her
Antworten an  GWR

Das liegt aber daran, dass München ein Wasserkopf der Großkopferten ist und das Leben für eine Krankenschwester zu teuer ist… und die Kinder der GK studieren Geschwätzwissenschaften oder machen Weltreisen und leben von Vati und Mutti, oder gehen in die Politik!