Die Schreibtischkrieger: Zu viel Führung, zu wenig Soldaten in der Bundeswehr

Zu viel Führung, zu wenig Soldaten. Zu diesem Ergebnis kommt der Bundesrechnungshof, nachdem die Aufsicht die Strukturen der Bundeswehr untersucht hat. Bisher verschwendet die Armee ihr Geld für Absurdes.

picture alliance / Anadolu | Danylo Antoniuk

Eigentlich wollte Kanzler Friedrich Merz (CDU) mit seinen Worten Stärke zeigen. “Whatever it takes”. Er werde die Armee mit ausreichend Geld ausstatten. So die geplante Botschaft. Doch was rüberkam, war Schnoddrigkeit. Die Botschaft, dass es dem Regierungschef nicht nur egal sei, wie viel Geld in die Armee fließt – sondern auch, was dann dort mit dem Etat passiert. Zumindest scheint es so, als ob es unter seinen Vorgängern so war. Denn die Bundeswehr ist eine Behörde geworden, die ihre Führungskräfte umso mehr pampert, desto weniger es an der Basis funktioniert. Das lässt sich aus der Prüfung ablesen, die der Bundesrechnungshof zur Bundeswehr durchgeführt hat.

“Geld allein reicht nicht”, urteilt der Bundesrechnungshof über die deutsche Armee. Die müsse sich auch in ihrer Organisation und in ihrem Personal ausrichten. Zumindest wenn das auf Schulden basierte Geld, das demnächst an die Bundeswehr fließt, sinnvoll angelegt sein soll. “Der vergrößerte Finanzrahmen erfordert einen besonders verantwortungsvollen Umgang mit den finanziellen Mitteln”, gibt der Bundesrechnungshof Merz und seinem Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) als Hausaufgabe auf.

Eigentlich bräuchte die Bundeswehr 203.000 Soldaten, findet aber derzeit nur 181.000, wie die ehemalige Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD) noch im März verkündete. Doch die Personalnot herrscht in der Armee nur in den Bereichen, in denen ihre Angestellten ein Gewehr in die Hand nehmen müssen, marschieren oder sich in den Dreck werfen. Für die Etappe hat die Bundeswehr genug Personal gefunden. Die Stellen ab und oberhalb der Besoldungsgruppe A15 sind laut Bundesrechnungshof seit 2010 von 4649 auf 6078 Stellen gestiegen. Ein Zuwachs von 33 Prozent in einer Einrichtung, die zu 20 Prozent unterbesetzt ist. Das Einstiegsgehalt in der Stufe A15 liegt bei 6300 Euro im Monat. In der Besoldungsgruppe B6 sind es über 11.000 Euro im Monat.

Es wirkt daher plausibel, wenn der Bundesrechnungshof fordert, die Bundeswehr müsse “noch stärker auf ihren Kernauftrag” ausgerichtet werden. Derzeit leide die Truppe unter ihrer “Kopflastigkeit”. Und: “Der neue finanzielle Spielraum entbindet nicht von der Notwendigkeit, die Ausgaben auf das zu fokussieren, was die Bundeswehr für ihren Kernauftrag benötigt.”

Die bisherigen Aussagen der verantwortlichen Politiker lassen befürchten, dass die Worte des Rechnungshofes unbeachtet bleiben. Merz und Pistorius haben eine Zahl zum politischen Ziel erhoben: fünf Prozent des Bruttoinlandproduktes für die Militärausgaben. Deutlich über 200 Milliarden Euro im Jahr. Viel gleich gut. Ein Kanzler, der sich verbal auf die Brust schlägt: “Whatever it takes”. Dass der Staat dieses Geld sinnvoller als bisher ausgibt, ist nicht zu erwarten.

Das befürchtet auch der Rechnungshof: “Es besteht zudem das Risiko, dass sich das Signal der unbegrenzten Verschuldungsmöglichkeiten negativ auf die Preisentwicklung im Verteidigungsbereich auswirkt.” Sprich: Wenn das oberste Ziel der Politik darin besteht, viel Geld auszugeben, kommt die Rüstungsindustrie ihr gerne mit überteuerten Preisen entgegen. “Anreize für die Industrie, für gleichbleibende Leistungen nunmehr höhere Preise zu verlangen, sind aufgrund nahezu unbegrenzt verfügbarer finanzieller Mittel und einer erhöhten Nachfrage zu erwarten”, formuliert der Rechnungshof. Schon bisher habe das Verteidigungsministerium in der Aufrüstung Stückzahlen genehmigt, die über dem eigentlichen Bedarf lagen. Auch habe Pistorius’ Haus die Leistungen mitunter vorzeitig bezahlt.

Nächstes Beispiel: die Digitalisierung. Die betreibt die Bundeswehr seit nunmehr 25 Jahren. Das führt zum Abbau von Bürokratie. Zumindest ist das in anderen Ländern so. Die Bundeswehr hat zu diesem Zweck laut Rechnungshof eine “parallele Prozessorganisation” aufgebaut. Das führte zu 2500 zusätzlichen Dienstposten in der Verwaltung. Wird der nächste Krieg mit Gewehren, Panzern oder Drohnen entschieden, sieht es übel aus für Deutschland. Geht es darum, das Internet auszudrucken, dann ist die Bundeswehr gerüstet.

Noch ein Beispiel: “Die Bundeswehr betreibt wenig frequentierte Betreuungsbüros”, erklärt der Rechnungshof. Die sollen sich darum kümmern, dass die Soldaten ihre Freizeit sinnvoll gestalten. Allein für dieses Animateur-Bataillon hat die Bundeswehr 200 Dienstposten geschaffen. Deren Arbeit hätten vorher Soldaten nebenher geleistet. In ihrer Freizeit. Nun ist die Operation Feierabendbier eine Staatsaufgabe der deutschen Armee. Der Rechnungshof wirft der Bundeswehr und dem Verteidigungsministerium vor, es fehle an Aufgabenkritik in der Armee. Angesichts der Animationstruppen klingt das recht plausibel.

“Die Beispiele lassen erkennen, dass Verteidigungsministerium, Streitkräfte und Bundeswehrverwaltung derzeit zum Teil Tätigkeiten nachgehen, die keinen unmittelbaren Bezug zum Kernauftrag der Landes- und Bündnisverteidigung aufweisen”, formuliert der Rechnungshof. Das seien vor allem Arbeiten am Schreibtisch. Die 20.000 fehlenden Soldaten fehlten dort, wo Armee eigentlich stattfindet: auf dem Feld, im Panzer oder im Raketenabschuss. Wollte diese ihren Kernauftrag erfüllen, müsste sie aus ihrer “Komfortzone” raus.

Nicht nur in ihrer Tätigkeit erinnert die deutsche Armee an eine Behörde. Auch in ihrer Altersstruktur. Seit 2010 ist es laut Rechnungshof von 28,5 auf 34 Jahre gestiegen. Für sie hat das Ministerium die Struktur der Armee “systematisch” verändert: von der Mannschaft hin zu den Unteroffizieren, von den Unteroffizieren weg zu den Offizieren. In der unterbesetzten Armee wuchs der Anteil der Planstellen für Offiziere seit 2010 von 15 auf 21 Prozent. “Im Ergebnis ist der militärische Personalkörper heute deutlich kopflastiger als im Jahr 2010”, urteilt der Rechnungshof.

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Kommentare ( 70 )

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hansgunther
1 Monat her

Die „Entwaffnung“ Deutschlands durch Merkel, CDU und einen gewissen von Guttenberg, CSU hatte immer auch die volle Zustimmung der SPD, wie man sieht bis heute! Der „beliebteste“ Politiker Deutschlands ist der Verweser der Resttruppe, hat weder Schneid noch Fortune gegen seine SPD-„Kriegsdienstverweigerer“. In Anlehnung an die Diskussionen der letzten Jahrzehnte hinsichtlich Bewaffnung, Ausstattung und Wehrfähigkeit ist und war die SPD der beste Unterstützer jedes potentiellen Feindes dieses Landes. Die Träumer von der „Friedensdividende“ sind immer noch im Tiefschlaf und lassen jeden im Stich, der sich noch einen Restverstand der menschlichen Abgründe erhalten hat. Erst wird alles plattgemacht, und jetzt wundern… Mehr

Last edited 1 Monat her by hansgunther
Otis.P. Driftwood
1 Monat her

Genosse Pistorius, Sie benötigen militärischen und verteidigungspolitischen Sachverstand? Bedienen Sie sich bei den Wehrexperten aus dem Kommentariat von TE! Gerne würden diese sich reaktivieren lassen, um Ihnen zu zeigen, wie man eine ordentliche Formalausbildung mit dem Rollator durchführt.

BK
1 Monat her

Einen Krieg rustikal auf dem Schlachtfeld zu führen, ist was für Anfänger oder für Taliban. Heute fährt man gegen 8 ins Büro, macht den Rechner an und irgendwo in der Welt fliegt ein Drohnenschwarm los. Dagegen ist der beste Panzer machtlos und jede Tarnung des Soldaten sinnlos. Dabei ist auch nicht klar, aus welcher Richtung das Geschoss kommt. Bevor man tot ist, hat man den Feind noch nicht einmal zu Gesicht bekommen. Der Soldat der Zukunft sitzt im Büro und das auf beiden Seiten der Front. So ein Krieg ist heute so ausgeklügelt und hinterhältig, dass der Mensch selbst nur… Mehr

Nibelung
1 Monat her

Jetzt gibt es ja einen Veteranentag mit dem Ziel, Preußens Glanz und Gloria neu erstehen zu lassen, wo sich jede Braut danach sehnt einen stattlichen Offizier ihr eigen zu nennen um dann Sonntags unter den Linden zu lustwandeln und wenn das erreicht ist, steckt man wieder Blumen in den Lauf der Gewehre und wünscht viel Glück an der Front und das alles unter Leitung einer durchmischten politischen Führung, wo der neue Monarch sich dann wohlwollend mal in der Kutsche blicken läßt und man sich langsam fragen muß ob die noch normal sind, oder haben wir was verpaßt und sehen nicht… Mehr

Dietrich
1 Monat her
Antworten an  Nibelung

Und nicht ein Wort über die 128 getöteten Soldaten und hunderten Verletzten mit Nachfolgeschädigungen in unseren sinnlosen Kriegseinsätzen. Gestorben für nichts und schnell eingegraben und den Mantel des Schweigens darüber geworfen. Die Politik gehört als Erste an die Front. Dann fangen Kriege erst gar nicht an

Paprikakartoffel
1 Monat her

Wenn es mal allein der anschwellende Wasserkopf wäre… zu dem neigen deutsche Institutionen allgemein; vor dreißig Jahren hieß es schon, daß bei einer zukünftigen Ausgrabung Untertürkheims die Daimer-Werke als Papierlager mit größerem Fuhrpark eingeordnet würden. Als mindestens ebensogroßes Problem sehe ich das Pétain-Syndrom: für einen Krieg zu planen, den man in der Vergangenheit mit mehr Glück als Verstand gewonnen hat, und nicht für Kriege der Gegenwart und Zukunft. Der Kalte Krieg ist vorbei. Die modernen Kriege – Israel macht es vor – werden mit Luftabwehr, KI-Anwendungen, Drohneneinsatz, Aufklärung und am Boden mit Flexibilität gutausgebildeter motivierter Einheiten entschieden. https://youtu.be/oA9RLwInqn4?feature=shared zeigt einen… Mehr

Johannes S. Herbst
1 Monat her

Tja, dann bleibt nur noch die teutsche Fremdenlegion. Wir haben ja in Deutschland einzwar kampfbereites, aber nicht ausgelastetes Klientel.

Ulrich
1 Monat her

Ein Staat hat primär Interessen, erst danach kommen die Verbündeten. Deutschland hat Polen gegenüber mindestens genauso viel „Dreck am Stecken“ wie Russland. Fällt Deutschland als EU-Zahlmeister aus, wird man wohl sehen, was dieser Verbündete im Osten an offenen Rechnungen präsentieren wird.

Johannes S. Herbst
1 Monat her

Es geht ja nicht nur um Personalprobleme. Der Ukraine-Krieg hat gezeigt, dass auch die Struktur und das Material der NATO-Streitkräfte obsolet ist. Was der Westen in die Ukraine geschickt hat, steht meist als Schrott herum – oder auf dem Ausstellungsgelände bei Moskau, während viele der alten Sowjet-Geräte immer noch von der Ukraine eingesetzt werden. Aber weiterhin bestellt man in den USA Hightech-Spielzeug wie den F35, der für eine Flugstunde 15 Wartungsstunden braucht und sogar in den USA nicht einmal zur Hälfte einsatzfähig ist. Ein komplette Neustrukturierung mit motiviertem Personal dürfte eher eine Angelegenheit von Jahrzehnten sein, und die Kosten wären… Mehr

Will Hunting
1 Monat her
Antworten an  Johannes S. Herbst

Genau so sollte man es machen. Viele Freundschaften bilden anstatt Feindschaften. Was der jeweils andere in seinem Schlafzimmer macht, geht niemanden etwas an. Die Investitionen in die Rüstung helfen nur denen die davon leben. Im Umkehrschluss ist das vorbereitetes Töten und Sterben, auf Kosten der Unwissenden. Eine ganz erbärmliche Politik von Merz.

Alf
1 Monat her

Union will Bundeswehr für Wehrpflicht vorbereiten? Bis 2027 soll eine Bundeswehr-Brigade in Litauen voll einsatzfähig sein. Als erster Großverband in der Geschichte der Bundeswehr werden bis zu 5000 deutsche Soldaten fest in den Staat an die Nato-Ostflanke verlegt. Mit dieser Panzerbrigade sollen künftig so viele deutsche Soldaten im Ausland stationiert werden wie noch nie zuvor. BlaBla in den Medien, wir haben alle Zeit der Welt! Das Baltikum könnte unser Vorbild sein, Dort wurde die Wehrpflicht bereits eingeführt. Bei uns Schreibtischtäter und Lamettaträger. Wickeltische statt Alarmstuhl…. Vergleichbar einem Achter – ein Ruderer und 8 Steuermänner. Was soll eigentlich verteidigt werden? Zu meiner… Mehr

Paprikakartoffel
1 Monat her
Antworten an  Alf

Keiner der drei baltischen Staaten behandelt seine Ureinwohner allerdings als obsoleten, umzuerziehenden und leicht lächerlichen Frondienstler. Die Motivation der Eingeborenen ist dementsprechend.

LM978
1 Monat her

Das Problem an sich ist richtig beschrieben, aber es fehlt an Ursachenforschung und Lösung. So kann man schnell auf die Idee kommen, die falschen dafür zu bestrafen oder diese „Schreibtischkrieger“ wie es hier durchaus etwas despektierlich und herabwürdigend heisst schröpfen zu wollen. Es ist richtig, und ich habe das hier selbst schon genau so geschrieben, die Bundeswehr hat zu viele Stabsoffiziere und unnötige Strukturen, um diese unterzubringen. Da muss ne Lösung her, denn das verursacht eines der Probleme, warum die Bundeswehr so viel Etat verschlingt. Aber: Die Karriere, die Besoldung und die Pension sind genau die Gründe, warum die Leute… Mehr