Tichys Einblick
Eklat um Industriehafen auf Rügen

Ampel verzichtet auf Robert Habeck

Die Ampel hat mit ihren Stimmen durchgesetzt, dass Mukran auf Rügen zum Industriehafen wird. Dass Minister Robert Habeck bei der Entscheidung dabei sein muss, hielten Grüne, SPD und FDP nicht für nötig. Der parlamentarische Stolz ist in der Krise.

IMAGO / Political-Moments
Die Ampel möchte, dass Dinge in Deutschland schneller gehen. Im „Deutschlandtempo“. Das gilt zwar nicht für Unternehmer, die einen Bauantrag stellen. Oder für Häuslebauer. Oder auch nur für Passanträge. Aber das „Deutschlandtempo“ nimmt die Ampel für sich selbst und ihre eigenen Projekte in Anspruch. Vor allem, wenn sie der grünen Ideologie entsprechen – oder diese wenigstens stützen.

So der Bau eines LNG-Terminals in Mukran auf Rügen. Der Industriehafen im Natur- und Urlaubsparadies wird nötig, weil die Ampel auf die grüne Ideologie Rücksicht nahm und den Atomausstieg durchdrückte. Deshalb muss Deutschland trotz Ukraine-Krieges weiterhin Gas zur Stromgewinnung nutzen. Was wiederum dazu führt, dass im Winter das Gas knapp werden könnte. Das behauptet zumindest Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im Bundestag, um dort den Bau zu rechtfertigen. Und um dies in einem Verfahren tun zu können, in dem Umweltauflagen nicht gelten, die sonst beim Bau jeder Lagerhalle, jedes Häuschens und sogar jeden Gartenschuppens gelten.

Philipp Amthor (CDU), Bundestagsabgeordneter aus Mecklenburg-Vorpommern, kritisierte Habecks Vorgehen. Wie schon beim Heizhammer bemühe Habeck auch in Sachen LNG-Terminal „Gesetzgebungsverfahren, die Bürger nur noch vor den Kopf stoßen“. Eigentlich hätte er aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Heizungsgesetz lernen müssen, dass er „weder Klimaschutz noch Energiepolitik mit der Brechstange am Parlament vorbei prügeln“ könne.

Dafür berichtet Amthor aus dem Petitionsausschuss, der über den Hafen beraten hatte. Dort habe sich Habeck für sein Verhalten entschuldigt. Daraufhin meldet sich eine SPD-Abgeordnete zu Wort, ein Mitglied des Ausschusses. Dafür muss man wissen: Der Petitionsausschuss ist etwas für die letzte Reihe der Fraktionen. In den kommen die Abgeordneten, denen der Vorstand keinen Sitz in einem Fachausschuss geben will – oder zutraut. Die Abgeordnete beschwert sich nun über Amthor: Mit Habecks Entschuldigung habe er den nicht öffentlichen – also vertraulichen – Teil des Ausschusses zitiert. Die Ampel im Juli 2023: Wenn sich ihr Vizekanzler entschuldigt, soll das nicht öffentlich werden.

Hat Amthor recht? Missachtet Habeck den Bundestag? Nun meldet sich der parlamentarische Geschäftsführer der Union zu Wort, Thorsten Frei. Zwei Anhörungen zum Thema Energieversorgung stünden im Bundestag hintereinander an: zuerst der Bau des Industriehafens in Rügen, dann die Folgen des Urteils, welches das Bundesverfassungsgericht zu Habecks Heizungsgesetz gesprochen hat – aber der Minister sei nicht im Parlament, während diese Gesetze behandelt würden. Frei stellt darauf den Antrag, Habeck ins Parlament zu zwingen. Die Ampel hält dagegen, der Minister könne nicht ins Parlament kommen, er halte gerade im Bundesrat eine Rede zur Einwanderung. Es kommt zur Abstimmung, doch das Ergebnis ist nicht eindeutig.

Also beschließt Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) einen Hammelsprung. Was ist das? Mit diesem Verfahren wertet der Bundestag knappe Entscheidungen aus: Die Abgeordneten verlassen den Saal. Kommen sie zu einer Tür wieder rein, stimmen sie mit Ja. Kommen sie durch die andere Tür wieder rein, entscheiden sie sich für Nein. Digitalisierung im Bundestag im Juli 2023. Das Verfahren dauert knapp eine halbe Stunde. Mit den Stimmen der Ampel entscheidet sich der Bundestag: Wenn das Parlament über Energie und Klimaschutz entscheidet, braucht es den zuständigen Minister nicht.

Nachdem das geklärt ist, kommt es zur Abstimmung um den Industriehafen in Mukran auf Rügen. Die Ampel stimmt auch ohne den Minister so ab, wie der Minister ihr das gesagt hat: Vor Rügen entsteht ein Industriehafen. Weil wir in diesem Winter dringend Flüssiggas brauchen, darf dieser Hafen ohne Umweltverträglichkeitsprüfungen gebaut werden. Wenn es wieder genug Gas gibt, darf der Hafen für die Anlieferung von Wasserstoff genutzt werden – obwohl er ohne Umweltverträglichkeitsprüfung gebaut wurde. Und da es jetzt eh nicht mehr drauf ankommt: Vor Rügen dürfen auch dort Windräder gebaut werden, wo die Regionalplanung sie bisher nicht vorgesehen hat.

Auf die Menschen in Rügen kommen massive Veränderungen zu. Beschlossen von einem Parlament, in dem der zuständige Minister schnell eine Rede gehalten hat und dann eilig verschwunden ist. Keine Zeit, andere Termine, Tschö mit Ö. In der anschließenden Debatte sagt CDU-Chef Friedrich Merz in Richtung abwesendem Minister: „Sie haben den Bundestag zum Ort der Debattenverweigerung und zum Ort des Durchpeitschens von Gesetzen gemacht.“ Das hat Habeck. Das ist aber auch nur möglich mit Abgeordneten von SPD, Grünen und FDP, die sich mit der Rolle der auf Kommando springenden Hammel abgefunden haben.

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