Ach, wie schön ist Solomon

Ein Angestellter des IfW Kiel möchte nach Forschungsaufenthalt in der Südsee nicht so schnell zurück an den Schreibtisch – aus Klimagründen. Der Arbeitgeber droht mit Kündigung. Und Luisa Neubauer wittert einen Skandal.

Gianluca Grimalda in der traditionellen Kieta-Tracht mit einheimischen Frauen. Foto: @GGrimalda
Die Salomonen, englisch Solomon Islands, liegen nordöstlich vor der australischen Küste. Die Reisezeit von dort nach Deutschland beträgt etwa zwei Tage und acht Stunden – per Flugzeug. Genau darum geht es in einem Streit zwischen dem Wissenschaftler Doktor Gianluca Grimalda und seinem Arbeitgeber, dem Institut für Weltwirtschaft Kiel. Grimalda – Arbeitsgebiete in Kiel: Verhaltensforschung, internationale Kooperation und gesellschaftlicher Zusammenhalt – hatte sich im Februar für einen sechsmonatigen Forschungsaufenthalt auf die Inseln begeben, um, wie er schreibt, dort die Auswirkungen des Klimawandels und der Globalisierung zu studieren. Laut Reiseantrag sollte er ab 10. September wieder an seinem Schreibtisch an der Förde sitzen.

Dann ergaben sich allerdings, um eine Formulierung der deutschen Bahn zu benutzen, Störungen im Reiseverlauf, wobei seiner Reise eine Besonderheit innewohnt: Der Forscher lehnt aus Klimagründen Flugreisen strikt ab, und besteht auf Rückkehr per Schiff, Bus und Bahn. Damit liegt er nun etwas hinter dem Zeitplan. Jedenfalls forderte der Arbeitsgeber Grimalda am Freitag nachdrücklich auf, spätestens am 2. Oktober seine reguläre Arbeit wieder aufzunehmen. Anderenfalls müsse man arbeitsrechtliche Schritte unternehmen. So schildert es Grimalda jedenfalls auf Twitter. Zum Zeitpunkt der Ermahnung befand er sich noch in Buka Town auf der Insel Bougainville, die zu Papua-Neuguinea gehört, nicht zu Schleswig-Holstein. Für den Rest der Reise veranschlagt er etwa zwei Monate. Darüber, dass das Wirtschaftsinstitut ihm den flugvermeidenden Trip über die Südsee, Indien und Mittelasien nicht gönnen will, berichtete der „Guardian“ in großer Aufmachung.

In Deutschland griff Luisa Neubauer – bekanntlich eine strikte Gegnerin von Langstreckenflügen – den Skandal auf, und sicherte Grimalda „volle Solidarität“ zu.

Schon seine Hinreise legte der Wissenschaftler ohne Flug zurück, wobei der nach eigenen Angaben 6,7 Tonnen CO2 gegenüber einem Flug sparte (allerdings ohne Darlegung des Rechenwegs).

— gianluca grimalda (@GGrimalda) February 16, 2023

Der Zeitaufwand konnte ihn also nicht überrascht haben, als sein Aufenthalt auf den Inseln sich dem Ende zuneigte. Seine Exkursion, so begründet er die Terminprobleme, sei generell etwas anders verlaufen als vorgesehen: Erst hätten machetenschwingende Einheimische ihn als Geisel genommen, dann seien ihm Teile seiner Forscherausrüstung gestohlen worden. Und überhaupt habe er Zeit gebraucht, um Kontakt zu den Insulanern aufzubauen. Die gut 22 000 Kilometer wolle er aber trotz dieser Misshelligkeiten nicht per Flug zurücklegen. Beim Präsidenten des Instituts habe er um Verständnis gebeten.

Dass der Arbeitgeber so engstirnig reagierte, hieß es im „Guardian“, sei für ihn, Grimalda, eine „traumatische Erfahrung“: er habe „diese Art des Benehmens von Leuten an meinem Institut nicht erwartet“.

Das IfW Kiel will auf Anfrage von TE wenig dazu sagen. Personalangelegenheiten, so der Sprecher Guido Warlimont, kommentiere man nicht öffentlich. Grundsätzlich, so Warlimont, unterstütze das Institut Mitarbeiter, „wenn sie klimaschonend reisen möchten“. Inoffiziell heißt es, es zum einen gebe es einen Reiseantrag mit einem definierten Rückkehrdatum. Und außerdem ein Phänomen namens Arbeitsrecht.

In den meisten deutschen Beiträgen, die dem „Guardian“ demnächst folgen, dürfte es weniger um Paragrafen gehen, sondern um einen klimafeindlichen Arbeitgeber einer- und einen prinzipientreuen Forscher andererseits. Wohlgesinnte Medien lassen die Gelegenheit wahrscheinlich nicht verstreichen, der Wendung „jemand kielholen“ eine ganz neue Bedeutung zu geben.

Gianluca Grimalda genoss schon vor seiner großen Südseefahrt eine gewisse Medienbekanntheit: Im Oktober 2022 gehörte zu der Gruppe von „Scientists for Future“, die sich im Wolfsburger Porsche-Pavillon aus auf dem Boden festklebten, um ein Gespräch mit der VW-Führung zu erzwingen. Dabei trug Grimalda übrigens einen bei Ökonomen eher unüblichen weißen Laborkittel. Auch diese Aktion verlief nicht ganz wie vorgesehen: Die Mitarbeiter von VW sagten sich ‚kleben und kleben lassen‘, drehten abends klimasensibel die Heizung ab, löschten das Licht und ließen die Besucher in den weißen Kitteln einfach in Ruhe. Grimalda benutzte umgehend die noch freie Hand, um sich via Twitter zu beklagen: „Sie haben abgelehnt, uns einen Eimer zu bringen, damit wir auf anständige Weise urinieren und defäkieren können, während wir festgeklebt sind. Leute, die uns unterstützen wollen, können das Gebäude zwar verlassen, dürfen dann aber nicht wieder reinkommen. Wir können kein Essen bestellen, wir müssen mit dem Vorlieb nehmen, dass VW uns gibt.“ Die Rettung kam schnell, denn der Wissenschaftler meldete eine Schwellung in der angeklebten Hand, rief nach einem Arzt und ließ sich loslösen.

Diese ebenfalls traumatische Erfahrung hindert ihn nun wahrscheinlich daran, sich auf Bougainville aus Protest gegen das deutsche Arbeitsrecht erneut selbst festzuleimen.

Wie schon erwähnt: Verhaltensforschung zum Interessensfeld von Doktor Grimalda. Er könnte also einfach behaupten, dass deshalb sowieso nahezu alle seine Tätigkeiten als Arbeit zählen.

Und die Sache mit der Bezahlung lässt sich nach Luisa Neubauers freundlicher Unterstützungszusage unter Garantie regeln.

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