Drohnen-Panik: 90 Prozent der Vorfälle „keine feindliche Aktivitäten“

Kaum Fotos, wenig Infos: Wer die plötzliche Drohnen-Offensive etwas skeptisch betrachtet hat, wird nun von einer niederländischen Experten-Plattform bestätigt: 90 Prozent der Drohnen-Vorfälle in Europa waren ihr zufolge keine feindlichen Aktivitäten.

picture alliance/dpa | Carsten Koall

Die einen nennen es „dünne Faktenlage“, die anderen bereits etwas deftiger das „Drohnen-Märchen“: Seit Monaten häufen sich in Europa Meldungen über angebliche Drohnensichtungen an Flughäfen, Häfen und militärischen Einrichtungen. Die Berichte lösten Nervosität aus, führten zu temporären Schließungen und boten reichlich Nährboden für Spekulationen über russische Einflussnahme.

Doch eine gemeinsame Auswertung von Trouw und Dronewatch legt nahe, dass der Kontinent weniger von geheimnisvollen Drohnenschwärmen heimgesucht wird als vielmehr von einer Welle kollektiver Fehlinterpretationen.

Zwischen dem 9. September und dem 27. November wurden in Europa laut der niederländischen Website Dronewatch insgesamt 61 Vorfälle gemeldet.

Die Analyse dazu: In 55 der 61 Fälle fehlt bis heute jede Bestätigung, dass überhaupt Drohnen im Einsatz waren. Physisches Beweismaterial ist selten – und in fast allen Fällen, in denen es existiert, stammt es aus osteuropäischen Ländern, die direkt an die Ukraine grenzen. Es gibt bislang keine belastbaren Hinweise auf eine orchestrierte russische Hybridkampagne in Westeuropa.

Die Daten ergeben:

  • In 14 Fällen handelte es sich eindeutig nicht um Drohnen (sondern um Hubschrauber, Flugzeuge, Sterne, Schiffe).
  • In 41 Fälle liegen keinerlei technische Beweise vor, die Natur des Objekts bleibt unklar.
  • In drei Fällen konnte bestätigt werden, dass es sich um russische Drohnen handelt – jeweils an der Grenze zur Ukraine in Polen, Rumänien und Moldau.
  • In drei Fällen handelte es sich um Hobby- oder Touristendrohnen.

In 90 Prozent der Fälle gibt es somit keine Bestätigung feindlicher Aktivitäten.

Polizeihelikopter war plötzlich auch eine „Drohne“

Auffällig ist die Häufung von Meldungen in Belgien. Die dort über Wochen dominierende mediale Aufmerksamkeit erzeugte eine Art „Beobachtungsschleife“: Wer einmal gelernt hat, dass Drohnen überall lauern könnten, neigt dazu, harmlose Lichtpunkte am Himmel zur Bedrohung hochzustufen. Das mündete in kuriosen Fehleinschätzungen. So stellte sich eine vermeintlich große Drohne über Zaventem im Nachhinein als Polizeihelikopter heraus. Auch andere Meldungen führten nicht in die Welt unerlaubter Fluggeräte, sondern in die deutlich konventionellere Sphäre von Hubschraubern oder landenden Frachtflugzeugen.

Fehlinterpretationen waren dabei kein belgisches Phänomen. In Dänemark wurden Sterne für Drohnen gehalten, in Süd-Limburg ebenso. Vor Norwegen hielt man ein fahrendes Schiff zunächst für ein Luftobjekt. Derartige Verwechslungen sind keineswegs ungewöhnlich. Sie werden jedoch begünstigt durch die enorme Aufmerksamkeit rund um das Thema Drohnensicherheit – und durch den Umstand, dass viele Sichtungen ausschließlich auf menschlichen Beobachtungen basieren. Fehlende oder abgeschaltete Detektionssysteme verschärfen die Unsicherheit zusätzlich.

In Kopenhagen zeigte eine spätere Rekonstruktion eines dänischen Fernsehsenders, dass ein Großteil der gemeldeten Vorfälle nichts weiter als regulärer Flugverkehr war. In Oslo stand zwar ein Detektor, doch befand er sich im entscheidenden Moment nicht in Betrieb. In Göteborg konnte später keine einzige Drohne verifiziert werden, obwohl das dortige Flughafengelände zeitweise geschlossen wurde.

Wahrnehmungsfehler und medial befeuerte Panik

Ein besonders interessantes Detail der Analyse: In Belgien gingen die Meldungen unmittelbar zurück, nachdem zusätzliche Detektionssysteme installiert worden waren. Das lässt zwei Interpretationen zu – entweder haben tatsächliche Drohnenpiloten ihre Aktivitäten eingestellt, oder die zuvor massenhaft gemeldeten Sichtungen beruhten schlicht auf Wahrnehmungsfehlern. Angesichts der gesamten Datenlage drängt sich Letzteres auf.

Trotz der dünnen Faktenbasis reagieren viele europäische Staaten mit kostspieligen Investitionen. Belgien beschafft neue Detektionssysteme und Störsender, die Niederlande setzen auf IRIS-Radare und SkyRanger-Kanonen. Auch Deutschland und Österreich bestellen die teuren SkyRanger-Geschütze.

Die politischen Schlussfolgerungen stehen damit in einem auffälligen Missverhältnis zur tatsächlichen Evidenz. Die Situation erinnert stark an den Fall von New Jersey im vergangenen Jahr: Tausende vermeintliche Drohnensichtungen sorgten für landesweite Alarmstimmung, bis eine FBI-Untersuchung ergab, dass keine feindlichen Aktivitäten stattgefunden hatten.

Die europäische Drohnen-Panik folgt einem wiederkehrenden Muster: mediale Dramatisierung, menschliche Wahrnehmungsfehler, fehlende technische Bestätigung – und am Ende große politische Maßnahmen bei geringer Faktenlage.

Die Analyse der Daten wurde von Experten der Drohnen-Website Dronewatch vorgenommen. Dronewatch.nl wurde 2014 von Wiebe de Jager gegründet und hat sich seitdem im niederländischen Sprachraum zur meistgelesenen Website über Drohnen, Drohneneinsätze, technologische Entwicklungen im Bereich der unbemannten Luftfahrt und Regulierungsthemen entwickelt und verfügt auch über eine englischsprachige Version.

Der Schwerpunkt liegt auf zivilen und kommerziellen Anwendungen von Drohnen. Auch militärische und verteidigungsbezogene Entwicklungen werden aufgegriffen, sofern ein deutlicher Bezug zum zivilen Bereich besteht.

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Kommentare ( 21 )

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Elmar
16 Stunden her

Ich denke, es handelt sich um gestörte Wahrnehmungen von hysterischen antirussischen Spinnern. An denen gibt es in der EU keinen Mangel.

Meruem
17 Stunden her

War von Anfang an glasklar: Ein abgekartetes Spiel von EU und Nato inklusive den meisten Medien – um die Russlandphobie anzuheizen und Kriegstüchtigkeit zu „fördern“.

Nibelung
18 Stunden her

Na,die Belgier scheinen ja besonders anfällig für Himmelserscheinungen zu sein, was man an der UFO-Hysterie früherer Jahre erkennen konnte und wenn Putin eine ernste Warnung ausspricht, meint die Konfliktforscherin Deitelhoff, man sollte diese Worte nicht so ernst nehmen und begründet ihre Analyse vermutlich mit der Glaskugel und da wäre ich mir im Gegenteil zu ihr nicht so sicher, denn ist Not an Mann in Moskau angesagt, dann würden sie ihre Drohungen umsetzen, bevor sie selbst baden gehen, was man verstehen sollte, bevor man den letzten Schritt wagt und sich damit vom Leben in den Tod befördert. Würden die Leute die… Mehr

Der Ingenieur
18 Stunden her

„Auffällig ist die Häufung von Meldungen in Belgien.“

Auch die Deutschen scheinen ziemlich durchgeknallt und paranoid zu sein.

So wurden bei uns in Deutschland „wegen des Ukraine-Kriegs“ bereits vor 3 Jahren alle öffentlichen Webcams abgeschaltet, die den Verkehr auf Autobahnen und Verkehrsknotenpunkten zeigten.

Der Ingenieur
18 Stunden her

„Auffällig ist die Häufung von Meldungen in Belgien.“

Die Belgier scheinen sehr anfällig für solche Massenhysterien zu sein und sich gleichzeitig als „Nabel der Welt“ zu halten 🙂

So gab es bereits von November 1989 bis November 1992, also innerhalb von 3 Jahren, 13.500 UFO-Sichtungen in Belgien.

Damals glaubte man an grüne Männchen in UFOs, die nichts Besseres zu tun hatten, als ausgerechnet das Leben der Belgier zu studieren.

Heute glaubt man an Russen, die nichts Besseres zu tun haben, als das Leben der Belgier aus tausenden von Kilometern Entfernung mit Drohnen zu beobachten.

Last edited 18 Stunden her by Der Ingenieur
Michaelis
15 Stunden her
Antworten an  Der Ingenieur

Nun ja, in Brüssel sitzt nun mal die EU-Bürokratie inklusive Nato-Hauptquartier. Wollten die das eigentlich, ich meine die Belgier?? Bei Belgien fällt mir auch immer wieder dieser Fall Dutroux (oder so ähnlich) ein, wo es wochenlang um einen „irren Sexualstraftäter“ ging. Aber das nur nebenbei.

verblichene Rose
19 Stunden her

Heute morgen habe ich gehört, daß die Russen immer mehr Satelliten ins All befördern.
Hoffentlich bekommt das unser Verkehrsminister nicht mit, sonst schickt der zusammen mit unserer Raumfahrtministerin noch Blitzersatelliten hinterher 😉
Die Tickets lassen die sich dann mit dem „eingefrorenen“ Geld der Russen bezahlen. Ordnung muß sein! Auch im Weltall!

Michaelis
15 Stunden her
Antworten an  verblichene Rose

„Heute morgen habe ich gehört, daß die Russen immer mehr Satelliten ins All befördern.“

WO haben Sie das gehört? DLF, ARD …?? Dann ist das so glaubhaft wie wenn irgendein Depp immer noch meint, dass sich die Sonne um die Erde dreht.

Last edited 14 Stunden her by Michaelis
Nachrufer
13 Stunden her
Antworten an  Michaelis
verblichene Rose
8 Stunden her
Antworten an  Michaelis

Ist das mit der Sonne denn nicht so?
Verdammt, dann haben die von 3SAT mich also auch auf den Arm genommen 😉

Michaelis
19 Stunden her

Bestätigt fast wie erwartet. Ich hätte mit etwas mehr Klimachaoten gerechnet. Aber was soll man zu diesem Blödsinn noch sagen? Psychopathologische Hysterie oder bösartige Kriegspropaganda – wahrscheinlich beides, mit Schwerpunkt auf letzterem. Schlagzeile der Morgenpost gestern: „Berlins Wirtschaft stellt auf Rüstungsproduktion um“, so oder so ähnlich. Sind die Deppen noch bei Troste?? Da vergehen selbst einem Roger Köppel allmählich der Humor und der Optimismus. Was ich schon 99 Mal gesagt hatte, hier zum hundertsten Male: Frieden in der Ukraine kann es nur geben, wenn die irren Kriegstreiber in der EU komplett isoliert und ignoriert werden!!! Da gilt meine Hoffnung nur… Mehr

Last edited 19 Stunden her by Michaelis
Andres
19 Stunden her

„In 55 der 61 Fälle fehlt bis heute jede Bestätigung, dass überhaupt Drohnen im Einsatz waren.“
Diesem Satz entnehme ich, dass 90% der Vorfälle nicht nur „keine feindlichen“ waren, sondern gar keine! Die Überschrift ist insofern irreführend. Man könnte alse lediglich behaupten, dass nur 10% bestätigt wurden und bei diesen keinerlei Feindlichkeit zu belegen ist.

Metric
19 Stunden her

Wir hatten neulich lauter so komische Minidrohnen in der Küche, direkt überm Biomüll. Ich würde sagen: Die Spur führt nach Russland, wie immer.

Landgraf Hermann
19 Stunden her

Medial befeuerte Panik – genau und eine allgegenwärtige, künstlich erzeugte Kriegshysterie.