Zetsche und die Grünen

Dieter Zetsche steht repräsentativ für eine Generation Leitender Angestellter, die sich mit dem Zeitgeist arrangieren. Beobachter der Szene der Firmen, die nicht von Unternehmern geführt werden, sagen, diese Angestellten wollen Zeit gewinnen.

© Carsten Koall/Getty Images

»Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich sehr für die Einladung, bei Ihnen sprechen zu können. Ich vermisse allerdings hier noch Vertreter von MAN und MTU.« So hätte Dieter Zetsche seine Rede vor dem Parteitag der Grünen auch anfangen können. Denn: »MAN ist einer der größten Hersteller von Dieselmotoren für Schiffe, Lokomotiven und Lastwagen. MTU produziert Turbinen für Flugzeuge. Beide stoßen erhebliche Mengen an Abgasen und CO2 aus. Was soll mit denen geschehen? Wollen Sie die alle weghaben? Wie werden dann zum Beispiel die 100 Millionen Pakete pro Jahr transportiert, mit denen auch Sie sich beliefern lassen, anstatt selbst zur Post zu gehen und sie abzuholen? Wie realistisch und durchdacht also ist ihre Initiative?«

Nein, so hat Dieter Zetsche nicht geredet. Sondern er hat den Grünen Honig ums Maul geschmiert: »Ja zu den Pariser Klimaschutzvereinbarungen!«

Der »Öko-Zetsche überrascht die Grünen« (BILD) und rief in den Saal: »Wir stellen uns unserer klimapolitischen Verantwortung.« Er betont: »Die Automobilwirtschaft hat nur dann Zukunft, wenn sie Autos entwickelt, die kein CO2 verursachen.«

Locker gehen ihm Sätze über die Lippen: »Decarbonisierung der Industriestaaten ist notwendig. Und ja, die Autoindustrie wird auch ihren Beitrag dazu leisten.«

0,04 Prozent CO2 in der Luft
CO2 - Das arme Molekül
Statt klar zu sagen: Mobilität gibt es nicht zum Nulltarif! und – das mit dem CO2 verhält sich folgendermaßen: Das ist ein Spurengas in der Atmosphäre, die Natur benötigt es und es gibt keinerlei Zusammenhang zwischen dem Verlauf des CO2-Gehaltes und der Temperaturentwicklung in der Erdgeschichte – informiert euch doch einmal bei alten pensionierten Biologie-Lehrern, wie das ist! Er könnte weiter aufzählen: Preisgünstige Mobilität sorge für weltweiten Handel und dafür, dass Menschen jederzeit dorthin kommen könnten, wohin sie wollten. Er hätte auf die beeindruckenden Erfolge der Autohersteller verweisen können: Wir haben unsere Autos schon sehr benzinsparend und sauber gemacht, und – jetzt mit erhobener Stimme – wir arbeiten weiter daran. Aber die Gesetze der Physik können auch wir nicht umdrehen.

Stattdessen berichtete er stolz, wie der Edel-Autobauer die Grenzen der Physik verschoben hätte. Zetsche, schon seit längerem auf grünem Kuschelkurs und mit Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann um die Wette in die Kameras lächelnd:

»Jetzt ist technisch der Stand erreicht, um Elektro-Autos zu entwickeln, die dem Verbrenner in punkto Reichweite kaum noch unterlegen und in punkto Fahrspaß sogar überlegen sind. Jetzt hat die Zelltechnologie einen Stand erreicht, den Experten vor wenigen Jahren für physikalisch unmöglich gehalten haben. Jetzt bewegt sich etwas beim Thema Infrastruktur. Jetzt kommt Bewegung in den Markt. Jetzt ist die Zeit von fundamentalen Umbrüchen und damit auch von riesigen Chancen.«

»Als Ingenieur kann ich mir keine spannendere Aufgabe vorstellen, als diese Möglichkeit in wirklich faszinierende Fahrzeuge umzusetzen.«

Nun ist der entscheidende Faktor beim Elektro-Auto die Batterie. Hier wissen die wenigen führenden Batterieforscher noch nichts vom Verschieben physikalischer Grenzen.

Die andere grundlegende ungeklärte Frage ist: Woher kommt all der Strom für die schönen Elektroautos? Das weiß auch noch niemand. Aber egal, eine »Wende« einzuleiten, klingt immer gut.

Märchenstunde

Ach, wie schön selig ließ sich für das »Gute« streiten. Wenn Pfarrerstöchter und Sozialarbeiter um die moralischen Endsiege wetteifern, bleibt meist kein Auge trocken. Die bösen Autos sollen weg, weil die machen unsere gute Erde kaputt. Lehrer, Beamte und die restlichen verbliebenen Mitarbeiter der Kirchen wollten beim Parteitag in Münster ganz vorn sein und träumten sich in die ideologisch reinen Zeiten hinein: »Wir bleiben unbequem« – die Losung (das ist jetzt hier kein Begriff aus der Jägersprache.)

Früher kamen noch häufiger die üblichen Sprüche »mehr Verkehr auf die Schiene«. Dazu beigetragen haben die Grünen bisher nicht allzu viel. Stillegungen von Strecken sind nach wie vor die Tagesordnung. Deswegen wurde die Lautstärke dieser Floskeln reduziert zugunsten globaler markiger Phrasen: »Wir werden weiterkämpfen gegen Frauendiskriminierung, gegen Nationalismus und gegen den Klimawandel.“ Fehlte nur noch der Weltraummüll.

Die grünen Delegierten hatten vorher lange heftig darüber diskutiert, ob ein Autokonzernlenker überhaupt auf ihrem Parteitag sprechen dürfe. Aber letztlich überzeugte der Spruch des Parteichefs Cem Özdemir: Ohne die Autoindustrie sei die Verkehrswende nicht zu machen.

In markigen Worte versuchte der aufgeregte Özdemir, seine Gefolgsleute mühsam vom Auftritt Zetsches mit dem »Kernanliegen der Grünen Ökologie und Nachhaltigkeit« zu überzeugen: »Ist die Daimler AG Teil des Problems oder will sie Teil der Lösung sein?«

»Sonst werden wir es nicht schaffen mit dem Kampf gegen den Klimawandel!« »Umsteuern« – der Begriff zählt zu den Lieblingsworten. Der gibt dem letzten Grünen noch das Gefühl, Schlachtenlenker sein zu können: »Wir wollen Grenzwerte vorgeben.« Und: »Wir wollen heute beschließen, ab 2030 sollen keine Verbrennungsmotoren mehr zugelassen werden.«

Schon merkwürdig, dass auch wirklich keinem Lehrer bei den Sprüchen »Klimaschutz ist nicht verhandelbar!« zumindest ein leises Unbehagen über den Rücken lief. Das lässt die Frage offen, was bei denen im Unterricht geschieht.

Witzigerweise forderten ausgerechnet die Grünen, die sich seinerzeit heftig gegen die Computertechnik wehrten, »mehr Mut zu Visionen!« Özdemir wagte gar den kühnen Vergleich Elektroauto mit der Vision »Mondlandung«. Oje, was da an CO2 produziert wurde! Da hat es Wernher von Braun noch leicht im Grabe geschüttelt.

Zetsche führte bei seinem grünen Kotau noch aus: »Daimler investiert aktuell 3 Milliarden in die weitere Optimierung Verbrennungsmotors. Mehr als 10 Milliarden fließen in den nächsten Jahren in die Elektroflotte. Bis 2025 bringen wir damit 10 neue Elektroautos auf den Markt.« Außerdem investiert Daimler eine Milliarde Euro in neue Produktionsstätten für Batterien:

»Unsere Branche hat längst verstanden: Das größte Risiko für Arbeitsplätze wäre Festhalten am Status quo.«

»Bis 2030 werde sich die Automobilindustrie mehr verändern, als wir uns das hier im Jahr 2016 vorstellen können.«

»Wir stehen vor fundamentalen Wandel, der weit über neue Motoren hinausgeht.«

Immerhin formulierte er noch sehr freundlich einige einfache Wahrheiten aus der Welt der Autobauer:

»Wer glaubt, Mobilität werde dadurch nachhaltig, daß wir eine Antriebsform verbieten, der springt entschieden zu kurz. Heute kann doch niemand mit Gewißheit sagen, wann Elektroautos inclusive Hybride bei Neuwagen die absolute Mehrheit haben werden. Einige Studien erwarten das für 2025, andere erst für 2040. Aber das ist nebensächlich. Es geht darum, Tempo in der Entwicklung zu beschleunigen und unterwegs alle Mittel zur Decarbonisierung nutzen. Elektrischer Antrieb ist dabei der zentrale Hebel.«

Fast leise warf er die Frage auf: »Wie grün ist ein E-Auto wirklich, solange der Strom aus Kohle gewonnen wird?« Der Verbrenner sei eine Lösung in der Übergangszeit ebenso wie moderne Diesel, die weniger CO2 ausstoßen als Benziner.

Weltweit seien 1,2 Mrd Autos mit Verbrenner unterwegs. »Wer also nur deutsche Brille aufhat, sieht nicht das ganze Bild.«

Wie Synthetic-Öl ging den grünen Gesandten das Glaubensbekenntnis des Automanagers herunter: »Viele Ideen der Grünen sind mittlerweile Mainstream.«

Sein springender Punkt: »Was heute möglich ist, hat vor 14 Jahren keiner auf dem Schirm.« Die Politik solle sich Vorgaben auf realistische Ziele beschränkt und den Weg zur Erreichung und alles andere Herstellern und Kunden überlassen.

Die Antwort des grünen Parteivolkes folgte auf dem Fuß: Der Parteitag beschloss, ab 2030 sollten keine Autos mit Benzin- oder Dieselmotoren mehr zugelassen werden.

Wenn die Grünen das noch erleben.

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