Wenn die Politik ihr Versagen den Alten anlasten will

Wohnungen fehlen, weil Politik Bauen blockiert und millionenfachen Zuzug forciert – doch zur Zielscheibe werden immer öfter ausgerechnet jene, die ihr Leben lang geschuftet haben und „zu groß“ wohnen. Etablierte Medien flankieren immer wieder gerne. Eine Wohnraumsteuer soll kaschieren, was Regierung und SPD-Bauministerinnen angerichtet haben.

IMAGO

Und noch eine Steuer, es sind noch nicht genug. Wie war das mit der Schaumweinsteuer? 1902 im Deutschen Reich eingeführt, weil „bei einer so starken Steigerung der Ausgaben für die Wehrkraft des Landes auch der Schaumwein herangezogen werden muß“, gibt es sie heute – fast 125 Jahre später – immer noch. Die Abdeckung der Rüstungsausgaben war dabei eher überschaubar: Bei 50 Pfennig pro Flasche nahm das Reich 1905 rund 5,5 Millionen Mark ein. Der Rüstungsetat lag da schon bei 928 Millionen Mark und sollte in den kommenden Jahren auf über eine Milliarde Mark steigen. Österreich folgte übrigens 1914, hat die Steuer aber kürzlich auf 0 Euro abgesenkt.

Und heute ist nicht der Schaumwein knapp und kostbar, sondern der Wohnraum. Und so fordert Matthias Günther, Vorstand des Pestel-Instituts für Wohnungsmarkt, Klimaschutz und CO2-Bilanzierung, eine Wohnraumsteuer, genauer eine Zusatzsteuer für jene, die auf besonders vielen Quadratmetern leben. Und das träge natürlich nicht so sehr die Superreichen mit ihren Villen, denn sie könnten sich die Zusatzsteuer leicht leisten, sondern vor allem Menschen, die einst eine Familie großgezogen haben und nun allein oder zu zweit weiter in derselben Wohnung leben.

Und man fragt sich, wem dieses Thema nun schon wieder eingefallen ist. Natürlich geht es dabei um die Wohnraumknappheit, die nicht zuletzt einer katastrophal gescheiterten Baupolitik geschuldet ist. Die Ampel scheiterte bekanntlich krachend mit ihrem 400.000-Wohnungen-pro-Jahr-Ziel, während Bauunternehmen über Auftragsmangel klagten – ja, richtig gelesen: Es kamen zu wenige Aufträge, weil die Genehmigungsverfahren zuletzt immer komplizierter wurden. Die Bundesbauministerin riet zeitweise regelrecht vom Bauen ab, weil man ja mit den Eigenheimen nur zusätzliche Flächen zustelle, was die Ministerin vor „mathematische“ Probleme stellte. Dass man dafür ein paar schlecht gebaute Bruchbuden abreißen könnte, kam Klara Geywitz nicht in den Sinn.

Auch ihre Nachfolgerin Verena Hubertz (auch SPD) macht selten Schlagzeilen und dann meist keine guten. Dass Gutverdiener in Sozialwohnungen vielleicht gar nicht wohnen sollten, fiel Hubertz zuletzt auf, und sie forderte natürlich eine neue Extra-Abgabe für den Architekten, der seine Sozialwohnung seit Studentenzeiten bewohnt. Aber irgendetwas stimmt an diesem Beispiel nicht. Jedenfalls hat auch Hubertz kein Rezept gegen die Bau- und Wohnungsnot – im Gegenteil, auch die Neue hat nur die Vermieter im Blick und will ihnen über die Mietbremse hinaus auch den „Mietwucher“ austreiben, etwa Zuschläge für möblierte Wohnungen oder Indexmieten. Dass sie damit den Spielraum der Immobilienindustrie weiter beschneidet, scheint der Ministerin nicht klar zu sein. Anderes hat man nicht von ihr gehört, außer dem markigen Spruch „Die Bagger müssen wieder rollen“ – vielleicht ja zum Industrie-Abbruch? Was soll sie auch tun, Hubertz ist ja eher die Leiterin einer überflüssigen Bundesbehörde. Deren Website scheint ein unanklickbares Plakat zu sein. Die Bauwirtschaft aktualisiert derweil halbjährlich den obligatorischen Artikel „Hohe Erwartungen an die neue Bauministerin“.

Heilmittel Wohnungstausch – Experte sagt Nein

Der Wohnungstausch soll nun ein Heilmittel sein, in das sich namentlich Städte wie Berlin und München stürzen. In Berlin findet man ohnehin kaum noch echte Mietangebote, alles will nur von Kreuzberg nach Kreuzberg oder ähnlich (heißt: Innenstadt) ziehen, aber mit mehr Quadratmetern. Die, die sich verkleinern wollen, sind da eher rar gesät. Und das weiß auch Reiner Braun, Wohnungsmarktanalyst beim Empirica-Institut: „… es gibt einfach immer mehr Leute, die eine große Wohnung suchen, als Leute, die eine große Wohnung haben.“ Das dürfte also auch für Rentner gelten. Zudem sind die Altverträge oftmals „Wertpapiere“. Auf solche Mieten können alle Tauscher kaum noch hoffen.

Also alles nur Panikmache? Sind die wiederholten Artikel zum Thema „Die Alten machen sich noch zu breit“ vielleicht subtile Signale in eine andere Richtung? Im Mittelalter gab es nicht nur die Tradition des Aushäuselns bei der Hofübergabe, sondern auch die damals vorteilhafte Redewendung „Mach dich vom Acker“, die heute eine weniger charmante Bedeutung angenommen hat.

Jedenfalls ist bekannt, dass damit von dem wirklich neuen Faktor auf dem deutschen Wohnungsmarkt abgelenkt werden soll: Es ist die Zuwanderung, die auch in diesem Jahr nicht unter 100.000 Personen liegen wird – und das sind allein die Zuzüge durch Asylanträge. Der Familiennachzug ist da noch nicht eingerechnet, aber auch nicht die produktive Einwanderung von Qualifizierten in den Arbeitsmarkt, die parallel zur Asylzuwanderung läuft.

Daneben gibt es viele, schöne, bunte, neue Ideen für mehr Wohnraum: Wohnen auf dem Supermarkt oder Parkhaus oder, noch besser: Wohnen im Parkhaus! In Hamburg sollen bald 80 neue Wohneinheiten in einem solchen entstehen. Umnutzung heißt der Trend. Man braucht die Dinger anscheinend nicht mehr. Das gilt seit Home-Office und E-Business auch für Büros und Ladengeschäfte. Auch dort werden folglich ungeschliffene Wohnraum-Diamanten vermutet.

Politik zu bequem für wirkliche Lösungen

Daneben informiert der Focus über einen Trend zu Kleinstwohnungen, „Mikroapartments“, zwischen 20 und 35 Quadratmetern und natürlich höchst effizienter Raumnutzung. Und dann gebe es auch noch die junge Idee „Cluster-Wohnungen“ oder Business-WGs für jene „jungen Erwachsenen“, die sich „für Mobilität und Flexibilität“ entschieden haben. Du wirst nichts besitzen, und du wirst glücklich sein. Diesem IWF-Spruch kommen wir anscheinend jeden Tag etwas näher.

Die SPD ist bekanntlich die größte „Fanin“ des seriellen Bauens, auch als Plattenbau 2.0 bekannt. Da all das bisher nichts half aber sicher fortgesetzt werden wird, stürzt man sich nun erneut auf die Alten, die bitte entweder nach Thailand ziehen (auch beim Focus nachzulesen) oder zumindest ihre Altbau-Wohnung hergeben sollen. Dass das schwere Folgen für die seelische und so weiter Gesundheit haben kann, sollte allen klar sein. Dazu noch einmal Wohnungsmarkt-Experte Braun: „Es gibt große emotionale Barrieren. Es gibt da diesen passenden Satz: Einen alten Baum verpflanzt man nicht! Nehmen wir wieder die Witwe, die seit 30, 40 Jahren beim selben Bäcker, Metzger oder Lebensmittelgeschäft einkauft und zum immer selben Friseur geht. Für sie bricht eine Welt zusammen.“

Die Idee geistert dennoch weiter als müder, doch unermüdlicher Zeitungstrend durch die Gazetten, obwohl sogar das allenfalls hebbare Potential – siehe oben – als eher gering einzustufen ist. Noch einmal stellt sich die bohrende Frage nach dem Warum, die man wohl multikausal beantworten muss: Einerseits hofft man von allen Seiten, auch den unwahrscheinlichen, auf Problemlösung. Andererseits darf das wirkliche Problem nicht benannt werden. Und drittens ist man zu bequem und zu abhängig vom Status quo, um wirkliche Lösungen zu finden, Antworten zu geben. Das ist der Haupteinwand gegen diese fade verteilungspolitische Diskussion.

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Kommentare ( 18 )

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18 Comments
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Schwermetaller
33 Minuten her

„Wohnungen fehlen, weil Politik Bauen blockiert und millionenfachen Zuzug forciert – doch zur Zielscheibe werden immer öfter ausgerechnet jene, die…“
…diese Politik beinahe ausschließlich gewählt haben. Wie ungerecht! Kann da nicht mal einer oder eine was machen?

twsan
42 Minuten her

Na ja – von nicht wenigen Rentnern kam bzw. kommt doch als Antwort auf Kritik an den Maßnahmen und „Wenden“ der Bundesregierungen der Spruch:

„Uns gehts doch SOOOO gut, da kann doch … Bitte einsetzten:
# die Energie ruhig ein bißchen teuerer werden, wenn dadurch die Umwelt geschützt wird
# die Lebensmittel ruhig etwas teuerer werden
# ruhig noch mehr der armen Asylanten oder Migranten zu uns kommen

Beliebige Fortsetzung möglich…
Speziell das Wörtchen „ruhig“ habe ich sehr oft gehört…

Offenbar ist strategisches Denken besonders im Rentenalter nicht mehr möglich…

Last edited 41 Minuten her by twsan
joly
49 Minuten her

„Nehmen wir wieder die Witwe, die seit 30, 40 Jahren beim selben Bäcker, Metzger oder Lebensmittelgeschäft einkauft und zum immer selben Friseur geht. Für sie bricht eine Welt zusammen.“ Nun diese Witwe gibt es leider nicht mehr, denn ihr Friseur ist nun ein Barbershop. Der Bäcker ist pleite genauso wie das Lebensmittelgeschäft. Das alles wird bei ALDI-Lidl gekauft oder per Internet bestellt. Also besser recherchieren und ansonsten soll sich die Witwe per Scheinehe nen African Lover mit 20 Negerkinder anlachen. Schon kann sie nicht mehr rausgesetzt werden. Ändert sie gar ihr Geschlecht, dann steht sie in einer Schwulenehe unter woken… Mehr

Edwin
1 Stunde her

Irgendwie kommt mir da der Film „Doktor Schiwago “ in Erinnerung. Dort wurde auch das Haus der Familie nach der Oktoberrevolution von den Kommunisten angeeignet und es wurden Obdachlose einquartiert unter der Führung eines Parteimitglieds. Als Schiwago nach längerer Zeit, in der er für selbstlose Dienste für diese „Revolutionäre “ zwangsrekrutiert wieder in sein Elternhaus zurückkehrt, ist er Bittsteller, um da noch wohnen zu dürfen.

Willkommen im Kommunismus/ Sozialismus!

Gert Lange
1 Stunde her

Es ist die Hauptaufgabe der Politics, den Bürger melken, den Bürger ärgern, den Bürger entmündigen, den Bürger vertreiben, …, oder?

Berlindiesel
1 Stunde her

Ein Medienformat, das sich als wirtschaftsliberal versteht (wie TE?) sollte extrem vorsichtig in der Übernahme linke Propagandaphrasen sein, und dazu gehört definitiv die Formulierung, jemand habe einen Anspruch oder ein bestimmtes Recht dadurch verdient, weil er „sein Leben lang geschuftet“ habe. Niemand hat das Recht auf eine bestimmte Form des Wohnens oder nur Komfort deswegen, weil er immer erwerbstätig war. Das ist schön, verpflichtet aber keinen Dritten zur Vorteilsgewährung. Das Phänomen von Senioren, die in objektiv viel zu großen Wohnungen leben (wir sprechen hier wohl überwiegend von Mietwohnungen) nachdem die Kinder aus dem Haus sind oder gar der Ehepartner gestorben… Mehr

Haba Orwell
31 Minuten her
Antworten an  Berlindiesel

> Niemand hat das Recht auf eine bestimmte Form des Wohnens oder nur Komfort deswegen, weil er immer erwerbstätig war.

Wenn man mit dem eigenen Geld die Wohnung gekauft hat oder die ortsübliche Miete zahlt, dann schon. Wohnfläche-Normen (eher als Maximum gemeinte) gab es eins im Ostblock – bis dortiger Sozialismus mit der Mängelwirtschaft gefallen ist.

Juergen Schmidt
1 Stunde her

Ich will jetzt garnicht klein-klein auf dieses lächerliche, neue Knochenthema eingehen, was sie uns wieder hinwerfen. Es fällt nur folgendes Muster deutlich auf: Die Parteipolitiker spalten permanent die Deutschen und hetzen sie komplett gegeneinander auf. Ihre Büttel in den Redaktionen helfen dabei stets eifrig mit.
Dies ist Krieg gegen die eigene Bevölkerung, und diese dauernde Kriegserklärung sollte endlich angenommen werden. Und zwar vereint.

Yani
1 Stunde her

Kurz zusammengefasst handelt es sich um eine typisch westdeutsche “Problemlösung” in Form einer auf die westdeutsche Mentalität zielende Neiddebatte für ein typisch westdeutsch herbeigeführtes Problem.

Last edited 1 Stunde her by Yani
Haba Orwell
1 Stunde her

> Und so fordert Matthias Günther, Vorstand des Pestel-Instituts für Wohnungsmarkt, Klimaschutz und CO2-Bilanzierung, eine Wohnraumsteuer, genauer eine Zusatzsteuer für jene, die auf besonders vielen Quadratmetern leben.

Na bitte – und TE klagte heute schon, den Grün:innen würden Themen fehlen. So eine Steuer könnte man politisch korrekt staffeln, besonders hoch für alte weiße Männer, welche die AfD wählen. Eine schwarze Lesbe mit einer nachgewiesenen Geschlechtsumwandlung und dem Grün:innen Parteibuch wäre natürlich von solcher Steuer befreit.

joly
58 Minuten her
Antworten an  Haba Orwell

Nachdem wir problemlos das Geschlecht umwandeln können, sollten wir auch unsere Rasse ändern können. Schon wäre Rassismus beendet und die alten Männer alle schwarz – zumindest kaffeebraun.

PK110
1 Stunde her

So hätte es die Politik gerne.
Teure kleine Wohnungen für Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben und die neu Hinzugekommenen ziehen mit ihren großen Familien in die geräumigen Wohnungen ein. Natürlich für gratis diese Klientel, irgendwo wird der Staat bei denen, die noch arbeiten und etwas besitzen, neue Einnahmequellen finden