„Apocalypse Now“: Wie unverantwortlich darf ein amerikanischer Präsident sein?

Donald Trump wollte einen lockeren Spruch raushauen. Aktuell schickte er amerikanische Soldaten zu deren vermeintlichen Schutz in amerikanische Städte. Mit dem Zitat stellt Trump sich aber in die Tradition einer Filmfigur, bei der ein ähnliches Vorgehen übel ausgeht.

Screenshot via X

Der Kriegsfilm ist ein dankbares Genre für Filmemacher. Er bietet die Möglichkeit zu großen Bildern und reichlich Action. Vor allem aber handelt das Genre von dem größten Thema des Menschen nach der Liebe: dem Tod. Außerdem ermöglicht der Kriegsfilm dem, der das will, ein einfaches Freund-Feind-Schema. Entsprechend überschlug sich Hollywood nach dem gewonnenen Zweiten Weltkrieg mit erfolgreichen Epen wie: „Der längste Tag“ oder „Sands of Iwo Jima“.

Letzterer trug den unglücklichen, weil wenig aussagekräftigen, deutschen Titel „Du warst unser Kamerad“. Die Hauptrolle spielte John Wayne. Bereits im Jahr 1945 war der Westernstar in Kriegsfilmen wie „Stahlgewitter“ oder „Schnellboote vor Baatan“ zu sehen. Hollywood konnte und wollte gar nicht lange darauf warten, den Ruhm der erfolgreichen Soldaten zu Geld an der Kinokasse umzumünzen.

Dokumentationen über den Vietnamkrieg zeigen, dass für viele amerikanische Soldaten Wayne und „Sands of Iwo Jima“ wichtige Rollenmodelle boten, als sie selbst ab 1964 zum Einsatz in ein Land zogen, das ihnen fremd war. Sie waren Vertreter einer Siegergeneration, die keine militärischen Niederlagen kannte und der es entsprechend leicht fiel, sich mit der Rolle des tapferen wie pflichtbewussten Soldaten zu identifizieren, die der – fast schon selbstverständlich ungediente – John Wayne verkörperte.

Bürger in der Haupstadt leben nun sicherer
D.C.- Bürgermeisterin dankt President Trump
Vor eben diesem Vietnamkrieg schreckte Hollywood anfangs zurück. Zum einen, weil Niederlagen nie sexy sind. Vor allem aber, weil es ein asymmetrischer Krieg war: In offenen Schlachten hätte die nordvietnamesische Armee keine Chance gegen die US-Army gehabt. Also entschieden sich die Verantwortlichen für eine Guerilla-Taktik. Mit dem Ergebnis, dass nicht Panzer auf Panzer, Schlachtschiff auf Schlachtschiff traf – sondern amerikanische Soldaten ziellos durch den Dschungel latschten, bis sie aus dem Nichts heraus erschossen wurden oder in eine ausgelegte Falle stolperten. Der Feind war unsichtbar. Für Filme erst einmal eine undankbare Ausgangssituation.

Doch der Vietnamkrieg veränderte die USA. Der Optimismus und die Siegermentalität der 50er und frühen 60er Jahre waren verloren; es herrschte Zweifel an der eigenen Kraft und vor allem an der Integrität der eigenen Eliten. Ausgelöst etwa durch Dokumente, die belegen, wie fahrlässig die politisch Verantwortlichen ihre Soldaten in Vietnam in den unnötigen Tod laufen ließen. Dieses Misstrauen darzustellen, war eines der Elemente, die das „New Hollywood“ ausmachten. Selbst zu Blockbustern wie „Der Weiße Hai“ gehörte die Kritik an der korrupten Führung, hier der Bürgermeister, die durch korruptes Verhalten Menschen in den Tod treiben.

Ende der 70er Jahre griff New Hollywood den Vietnamkrieg auf, damit gleichzeitig die gesellschaftliche Wurzel seines eigenen Entstehens. Fast zeitgleich entstanden zwei Meisterwerke von einer elementaren Wucht, die in ihrem Zynismus und Pessimismus allerdings auch schwer zu ertragen sind. Zuerst kam 1978 „The Deer Hunter“ ins Kino. Auch hier versuchte sich der deutsche Filmverleih mit einem reißerischen Titel, der am Ende nichts besagt: „Die durch die Hölle gehen“. Robert De Niro führt als Stahlarbeiter seine Kumpels durch den Vietnamkrieg, indem er beim Russischen Roulette alles riskiert und ihr Leben gewinnt – aber an diesem scheitern danach alle drei.

Apocalypse Now entstand zeitgleich mit „The Deer Hunter“. Durch eine unglaubliche Serie von Pannen, der Hauptdarsteller erlitt während des Drehs einen Herzinfarkt und Stürme vernichteten mehrfach das Set, kam dieser aber erst 1979 ins Kino. Manche sagen, dass die Dokumentation über die Dreharbeiten das bedeutendere Werk als der Film selbst sei. Mag sein. Apocalpyse Now gehört dennoch zu den größten Filmen aller Zeiten. Wenn das Kriegsboot auf dem Mekong Richtung unbekanntem Feind fährt und dazu im Hintergrund „This is the End / My only friend / The End“ von den Doors läuft, bleibt keiner unberührt, der Kino liebt.

Hauptmann Willard (Martin Sheen) erhält den Auftrag, in die Tiefen des Dschungels, den die Army nie wirklich beherrscht hat, zu reisen, Oberst Kurtz (Marlon Brando) zu finden und zu töten. Der ist desertiert und hat im Dschungel ein eigenes Terrorregime aufgebaut. New Hollywood hat – unter anderem – die Sichtweisen geändert. Etwa durch den Weißen Hai: Die Bedrohung wirkt umso größer, je länger sie nicht zu sehen ist. Je mehr Willard im Off von Kurtz spricht, desto größer scheint er dem Zuschauer.

Wobei Apocalypse Now eine Quest darstellt. Die klassische Idee eines Helden, der sich aufmacht, um ein Abenteuer zu erleben. Nur dass Regisseur Francis Ford Coppola diese Idee gleich zu Beginn ad absurdum führt, indem er Willard als heruntergekommenen Mann zeigt, der in einem letztklassigen Hotelzimmer darüber sinniert, dass er selbst umso schwächer und der Vietkong umso stärker wird, je länger er in diesem Hotelzimmer liegt.

Ziel Chicago
"Apocalypse Now"-Posting: Trump droht als Kriegsheld
Auf der Reise erfährt Willard endgültig, wie absurd dieser asymmetrische Krieg der Weltmacht gegen Reisbauern ist. Dabei hat Coppola viele ikonische Bilder und Szenen geschaffen, die Helikopter im Sonnenaufgang oder die Familie, die auf einem kleinen Boot unterwegs ist und von (verbündeten) Soldaten völlig unsinnig gemeuchelt wird. Am heftigsten wird diese Erfahrung, wenn Willard auf Oberst Kilgore trifft. Dargestellt von Robert Duvall. Wie Brando und Coppola auch ein Macher des brillanten Films „Der Pate“.

Kilgore ist ein begeisterter Surfer. Als er in Willards Team einen Gleichgesinnten entdeckt, lässt er ein eigentlich verbündetes Dorf angreifen. Weil die Wellen hinter diesem Dorf so günstig sind. Als die Bewohner Widerstand leisten und das Surfen somit erschweren, lässt Kilgore das Dorf mit Napalm vergiften. Eine offensichtliche Gräueltat an den Bewohnern. Wie 1979 bereits bekannt war, setzte er damit seine eigenen Soldaten ebenfalls einer hohen Krebsgefahr aus. Willard stellt sich zum ersten Mal die Frage, warum die Army Kurtz töten will, wenn sie Kilgore gewähren lässt.

Die Figur des Oberst Kilgore ist es auch, die den berühmten Satz ausspricht, dass er den Geruch von Napalm am Morgen liebe. Jenen Satz, an den sich nun Donald Trump anlehnt, wenn er sagt, dass er den Geruch von Abschiebungen am Morgen liebe. Der amerikanische Präsident steht auch für gute Werte wie die Verteidigung der Freiheit, er hat schon bewiesen, dass er ein Gespür für PR hat und er ist nicht trotz seiner politischen Unkorrektheit mindestens zweimal gewählt worden – sondern wegen ihr. Trotzdem zeugt diese Aussage von einer dramatischen Dummheit und offenbart eine mangelhafte Fähigkeit, Dinge richtig einzuordnen.

Aktuell schickt er amerikanische Soldaten in von den Demokraten geführte amerikanische Großstädte, weil die Stadtregierungen vermeintlich die Sicherheitslage nicht mehr im Griff haben. Wer dies tun und die Bevölkerung von der Not seines Handelns überzeugen will, sollte verantwortungsvoll wirken. Trump stellt sich dabei aber selbst in die Tradition eines verlotterten Wahnsinnigen, der aus privatem Vergnügen und Machtrausch Menschen töten lässt, deren Schutz eigentlich seine Aufgabe wäre. Oberst Kilgore wird nicht von John Wayne dargestellt, sondern von einem der größten Charakterdarsteller der USA. Wobei. Eigentlich wollte Robert Duvall klarmachen, dass man seine Figur auf gar keinen Fall nachahmen sollte – zumindest am PotUS ist er damit gescheitert. Für New Hollywood ist der Kriegsfilm dann doch, zumindest nachträglich gesehen, kein dankbares Genre.

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Kommentare ( 44 )

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M.Friedland
2 Monate her

Der Autor hat also irgendwelche Assoziationen bei Trumps Auftreten. Das ist sein gutes Recht, Phantasien sind bekanntlich frei. Dann kritisiert er diese Phantasien, was ebenfalls sein gutes Recht ist – es sind seine eigenen Phantasien, mit denen kann er machen, was er will. Was nicht sein gutes Recht ist: diese Phantasien für die Wirklichkeit zu halten – das sind sie nämlich nicht. Dies ist ein gängiger Denkfehler von Leuten, die sich selbst zu wichtig nehmen.

Deutscher
2 Monate her

Ich liebe Trumps Humor und seinen Sinn für Selbstironie. Er nimmt sich nicht zu ernst, aber er macht ernst mit seiner Politik. Und er weiß natürlich genau, wie er die verlogene linke Blase auf die Palme bringt und dabei noch Spaß hat. Ganz bewusst überzeichnet er sein eigenes Image, während miesepetrige deutsche Politiker beleidigt Anzeigen raushauen, wenn jemand sie auf die Schippe genommen hat.

Besser geht’s nicht. Und wenn deutsche konservative Journalisten darüber aufjaulen, spricht das nicht gegen Trump, sondern gegen jene selbst. Einfach mal ein bissel locker machen!

Last edited 2 Monate her by Deutscher
Sonny
2 Monate her

Selbst wenn der Film und die Figur des Oberst Kilgore nicht hundertprozentig passt, weil Täter- und Opferrolle verschwimmt:
Die Bilder, die dieser ähnliche Ausspruch von Donald Trump im Kopf erzeugt, leben nicht von der Differenzierung, sondern von der angedrohten Gewalt.
Sie suggerieren für mich eindeutig die Schlussfolgerung:
Gewalt und Verbrechen kann man nur mit Gewalt bekämpfen.
Alles andere ist sentimentaler Schwachsinn und verlängert die Leidensperioden. Dafür gibt es genug Beispiel in der Geschichte.

BK
2 Monate her

Wenn bei uns die Apokalypse beginnt, wird dieses Land nicht genug Soldaten und Polizisten haben, um diese Leute zu stoppen. Zu bedenken ist auch, dass der Süden Millionen mehr Männer schicken kann und die Bundeswehr nur für wenige Tage Munition hat.

MaximilianMueller
2 Monate her

Finden sie nicht, dass sie ein wenig übertreiben? Ich bin zu 100% sicher, Trump hat keine zwei Gedanken an diesen Satz verschwendet. Man kann nun sagen, dass er das als Präsident tun sollte, aber er tut es eben nicht. Das er wenig über solche Feinheiten nachdenkt, macht ihn aus, das unterscheidet ihn vom Rest. Und genau das brauchte die USA und das bräuchten auch wir – jemanden, der keine Rücksicht mehr nimmt auf Befindlichkeiten und falsche Worte! Das sich manche an Kleinigkeiten wie solchen Filmzitaten stoßen, zeigt meiner Meinung nach sehr anschaulich, wie es überhaupt so weit kommen konnte, dass… Mehr

Haba Orwell
2 Monate her

Der Amerikaner Scott Ritter über die Bombardierung bei Venezuela: https://uncutnews.ch/scott-ritter-ueber-das-ende-der-ukraine-und-globale-spannungen-und-der-gesellschaftliche-zusammenbruch-von-europa/ > „… US-Militäraktionen: Mord oder Gerechtigkeit? … Ritter kritisiert scharf die jüngste Aktion des US-Militärs, bei der elf Menschen auf einem venezolanischen Fischerboot getötet wurden, ohne dass ihre Identität oder Straftaten nachgewiesen wurden. Er bezeichnet dies als „Mord“ und eine Verletzung des Völkerrechts: „Wir wissen nicht einmal ihre Namen. Es gibt keine Beweise für Waffen oder Drogen an Bord.“ Er stellt die Frage nach dem Rechtsstaat: „Wo bleibt der ordentliche Prozess? Müssen wir nicht das Boot stoppen, die Identitäten überprüfen, Anklagen erheben und sie vor Gericht stellen, bevor wir Gerechtigkeit… Mehr

Hubbel
2 Monate her

@ Hr. Thurnes

Wie kommen Sie darauf dass das Dorf „eigentlich“ verbündet sei? Der Film gibt das an keiner Stelle her, und ja, ich habe es recherchiert. Sie nageln damit Trump was ans Bein was die Handlung nicht hergibt. So sehr ich befürworte dass in „unserer Blase“ kritische Selbstreflexion stattfindet, so enttäuschend und unter Gürtellinie finde ich es dergleichen einfach dazuzudichten.

Last edited 2 Monate her by Hubbel
3 Finnen
2 Monate her
Antworten an  Hubbel

Richtig, „Charlie doesn´t surf“, sagt schon aus, dass es sich um ein Vietkong-Dorf handelt. Das steigert nochmal den Wahnsinn des Colonels: Nur um Lance surfen sehen zu können, werden Kampfhandlung und auch eigene Verluste in Kauf genommen. Die Bootscrew wollte einen anderen Ort um in den Fluss zu übersetzen, ab der Colonel hat für die Sicherheit garantiert, obwohl mit Widerstand zu rechnen war. Vielleicht den Film vorher anschauen bevor man dazu schreibt.

Alexis de Tocqueville
2 Monate her

Ich liebe den Mann.
Umso mehr, je lauter das Gewinsel der Schneeflöckchen schallt.

3 Finnen
2 Monate her

Die Recherche über den Film war nicht gut, das 2. bekannteste Zitat im Film zum Angriff auf das Dorf lautet: Charlie doesn´t surf. Also wird kein „befreundetes“ Dorf angegriffen. Auch ist Apocalypse Now kein Kriegsfilm, sondern einer der besten Anti-Kriegsfilme und nicht nur auf Vietnam zu beziehen, das bildet lediglich die Kulisse.

Haba Orwell
2 Monate her

> Trump stellt sich dabei aber selbst in die Tradition eines verlotterten Wahnsinnigen, der aus privatem Vergnügen und Machtrausch Menschen töten lässt, deren Schutz eigentlich seine Aufgabe wäre.

Besonders absurd: Er führt Handelskriege gegen etliche BRICS-Länder und beklagt lautstark, „Russland und Indien an China verloren zu haben“. Röper berichtete kürzlich über einen Video-Sondergipfel zu diesen Handelskriegen: „Die BRICS wehren sich gegen Trump und den Westen“.

Bald wird man sich den scharfen analytischen Verstand von Joe Biden (mit Trump verglichen) zurück wünschen.