Nicht viel – aber zu viel für die SPD

Die von Friedrich Merz und Bärbel Bas vorgestellte Reform ist eine Mogelpackung. Doch für die Sozialdemokraten ist eine “sehr kleine” Wirkung schon zu viel. Ihre Jugendorganisation läuft Sturm und zeigt dem Kanzler, dass er eine Politik am Leben hält, die eigentlich vorbei ist.

picture alliance / Geisler-Fotopress | Bernd Elmenthaler/Geisler-Fotopr

Ein Land mit zwei Welten. So präsentiert sich Deutschland, nachdem die schwarz-rote Koalition ihre Reform des Bürgergelds vorgestellt hat. Friedrich Merz und die CDU haben als Opposition damit Wahlkampf gemacht, dass links vorbei sei und sich im Bürgergeld ein zweistelliger Milliardenbetrag einsparen ließ. Als Regierung hat Merz sich mehrfach korrigiert: Aus dem zweistelligen Milliardenbetrag wurde ein einstelliger Betrag, wurde eine “sehr kleine” Summe. Das sagt Arbeitsminister Bärbel Bas nach der Vorstellung der real existierenden Reform: Bas macht dem Kanzler immer wieder deutlich: Links hat seit der Wahl zwar keine Mehrheit mehr. Aber links ist nicht vorbei, links regiert – dank Stimmen, die Merz durch falsche Versprechen gewonnen hat.

Wie wenig Substanz die von Merz und Bas gemeinsam vorgestellte Reform hat, zeigt sich an der Berichterstattung der Bild. Die hat im Wahlkampf massiv von Anzeigen der CDU profitiert und ist seitdem mehr als jedes andere Medium bereit, die Regierung Merz zu verteidigen. Nachdem er vor die Presse getreten war, verkaufte das Springer-Blatt die Sprachregelung des Kanzlers: Das Bürgergeld sei Geschichte. Tusch. Fanfare.

Doch diese Position ließ sich bei bestem Willen zum Anzeigengeschäft nicht halten. TE und andere Medien, in denen die CDU nicht inseriert, machten deutlich, wie wenig effektiv die Reformen sein werden. Laufen die Leser weg, gehen aber die Anzeigenkunden gleich mit. Also musste die Bild nochmal über ein Thema berichten, das angeblich Geschichte sein soll. Nun zitiert das Blatt Experten, die vorrechnen, dass die Reform von CDU, CSU und SPD gar keinen Effekt haben kann.

Allerdings wären diese Experten gar nicht nötig. Doktor Mathematik und Professor Gesunder Menschenverstand würden reichen: Die Sachbearbeiter müssen erstmal mit den Langzeitarbeitslosen eine Kooperationsvereinbarung verhandeln. Dazu müssen die Antragsteller erscheinen. Tun sie das nicht, müssen sie insgesamt drei weitere Termine verpassen, bevor ihnen die Leistung gestrichen wird.

Hört sich nach Aufwand für die Sachbearbeiter an? Abwarten. Da geht noch mehr. Bevor sie die Leistungen streichen, müssen sie die zuhause besuchen, die Geld wollen, und sie müssen diese antreffen. Dann können die Antragsteller immer noch einen Vorwand vorschieben, warum sie zu den Terminen nicht erschienen seien. Es reicht, dass es ihnen seelisch gerade schlecht gehe. Das müssen die Sachbearbeiter widerlegen und selbst dann ist die Streichung der Beiträge nur relativ und befristet.

Zusammengefasst: Die Sachbearbeiter müssen sich selbst das Leben schwer machen und einen hohen Aufwand betreiben, mit einer geringen Aussicht auf einen Effekt, der im besten Fall unbedeutend ist. Das kann nicht funktionieren und das weiß Bärbel Bas auch, wenn sie sagt, dass nur ein “sehr kleiner” Betrag eingespart werde. Die Vorsitzende sitzt vor dem Kanzler, sagt das offen und macht damit jedem klar, dass Merz nur ein Bettvorleger zu Füßen der SPD ist.

Die Reform bringt nicht viel. Doch selbst wenig ist noch zu viel für die SPD. Deren Jugendgruppe Jusos kündigt “Widerstand” gegen die Reform an. So als sei es das Wesen einer Diktatur, wenn ein Staat Arbeitsunwilligen nicht selbst dann noch mehr als manchem Arbeitenden zahlen will, wenn der Arbeitsunwillige dem Staat auf der Nase herumtanzt – und die bisherige Regelung systematisch zu Missbrauch einlädt.

Auf X stellt die Nutzerin Anna eine Frage. Eine Frage aus der anderen Welt, der Realität: “Wenn ich drei Mal unentschuldigt nicht zur Arbeit komme, bekomme ich kein Gehalt mehr. Warum regt sich da eigentlich keiner auf wegen ,sozialer Kälte’?” Doch Realität und arbeitende Bevölkerung sind der SPD und ihrer Jugendorganisation fremd geworden, seitdem für die Sozialdemokraten nur noch eine Politikerkaste antritt, die das Leben ausschließlich aus Kreißsaal, Hörsaal und Plenarsaal kennt. Die Mehrheit der Wähler will das spätestens seit Februar nicht mehr – es ist Friedrich Merz, der eine Politik am Leben hält, die eigentlich vorbei ist, und die dem Land nachweislich schadet.

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Kommentare ( 6 )

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J.Thielemann
1 Monat her

Ein Selbstständiger erscheint dreimal unentschuldigt nicht bei seinem Kunden. Der storniert daraufhin den Vertrag. Ggf. stellt er eine – wegen des Zeitfaktors teurere – Ersatzleistung in Rechnung. Wird das jetzt verboten? Wäre ja die logische Vorgehensweise a la „gleiches Recht für alle“. Der Auftraggeber muss zahlen- auch wenn der Selbstständige gar nicht mehr kommt?!

Reinhard Schroeter
1 Monat her

Von Arbeiterverrätern ist nichts anderes zu erwarten als ein weiterer Verrat an denen, die ihr Leben mit der eigenen Hände Arbeit gestalten.
Und gerade die, sollen ihrer neuen Klientel ein völlig leistungsfreies Leben sichern.
In der Natur wird ein Leben auf Kosten anderer, parasitär genannt .
Als Dank erwarten sie von den Parasiten, deren Zahl zu steigern, sie alle Anstrengungen unternehmen, das Kreuz in der Wahlkabine.
Wie lange wird es noch zu einem Bürgerkrieg brauchen ?

wenmic
1 Monat her

Die Frage ist warum bekommen Leute die noch nie eingezahlt haben genauso viel vom Staat wie z.b. jemand der mit 49 Jahren Arbeitslos wird weil er bei z.b. einem Autozulieferer am Band steht nachdem er seit seinem 16. Lebensjahr gearbeitet hat und mehr als 12 Monate arbeitslos wurde weil sein Betrieb ins Ausland verlagern muss?

Steuernzahlende Kartoffel
1 Monat her

Bei der (damaligen) Umstellung auf Hartz-IV (SGB II) und dessen Sanktionsregime mussten z.B. eine Einladung zum Gespräch ebenso wie ein Arbeitsangebot „zugegangen“ sein. Die Standard-Ausrede lautete darum: „Hab ich nicht gekriegt“. Schon aus finanziellen Gründen konnten die JC nicht hunderte Einladungen, Arbeitsangebote etc. pro Woche mit Postzustellungsurkunde verschicken. Warum soll das jetzt anders sein? Außerdem: Die Gesprächseinladung, so sie denn nachweislich angekommen war, musste einem enumerativen Grund gerecht werden, das (angekommene) Arbeitsangebot musste eine geeignete und zumutbare Stelle enthalten. Nach (vom Steuerzahler finanziert) Sozialgerichtsprozess mit Sozialrechtsanwalt kommt dann ca. 3 Jahre später raus, der Grund / die Stelle waren nicht… Mehr

Ohanse
1 Monat her

Als Meister Gepetto Pinocchio geschnitzt hat, hat er den Kopf aus einem Stück gemacht. Der hat nicht zuerst ein Gehirn geschnitzt, dann den Kopf ausgehöhlt und dann das Gehirn eingesetzt. Pinocchio hat herstellungsbedingt kein Gehirn. Das macht sich im Verlauf der Erzählung durch seine Dummheiten und Gedankenlosigkeit bemerkbar. Pinocchio hat keinen Verstand. Das erklärt sein Verhalten.

taliscas
1 Monat her

Ich finde, Frau Bas hat nicht nur physiognomisch alles, um mich zum SPD Wähler zu transformieren. Dieser unbedingte Wille zur Macht und zum Gestalten von Politik für die schon länger hier Leidenden ist grandios. Bitte weiter so.