Tichys Einblick
Bündnis Deutschland in Bremen

Wie bei der AfD: Die Parteien diskriminieren die Opposition

In der Bremischen Bürgerschaft soll das neu eingezogene Bündnis Deutschland keinen Platz im Bürgerschaftsvorstand erhalten: der politische Bewerber wird zum Außenseiter diskriminiert. Die Parteien haben nichts aus der Causa AfD gelernt.

Jan Timke, Frontmann von Bündnis Deutschland in Bremen.

IMAGO / dts Nachrichtenagentur
Opposition bitte nur, wenn sie aus den etablierten Parteien besteht. Der Eindruck entsteht, wenn man auf die Ereignisse in der frisch gewählten Bremischen Bürgerschaft schaut. Dort hatte das Bündnis Deutschland (früher: Bürger in Wut) 9,4 Prozent und damit 10 Mandate errungen. Doch für die etablierten Parteien belebt Konkurrenz nicht etwa das Geschäft, sondern erscheint als Gefahr für den Status quo.

Bei der ersten Sitzung ließen SPD, FDP, Grüne und Linke den Neuling spüren, dass dieser ein bloßer Außenseiter bleiben sollte. Schon zuvor hatte der Weser Kurier berichtet, dass die Parteien sich darauf geeinigt hätten, dem Konkurrenten rechts der Mitte einen Platz im elfköpfigen Bürgerschaftsvorstand zu verweigern. Die CDU hat mittlerweile nachgezogen. Auch in den Ausschüssen soll Bündnis Deutschland keinen Vorsitz erhalten.

Man kennt diese Spiele aus dem Bundestag, wo die AfD bis heute keinen Vizepräsidenten stellen darf. Und ebenso kennt man das Spiel der vorherigen Verleumdung, bevor die Gegenseite nur einen Atemzug getan hat. „Ich werde in diesem Haus nicht dulden, dass Menschenwürde, Vielfalt, Freiheit und Solidarität in Frage gestellt werden“, kündigte die neue Bürgerschaftspräsidentin Antje Grotheer (SPD) an; SPD-Fraktionschef Mustafa Güngör fügte an: „Die Bürger in Wut und das Bündnis Deutschland ziehen faule Eier förmlich an, verehrte Kollegen, und das besonders aus den Reihen der AfD.“

Henrike Müller (Grüne) erklärte, eine Zusammenarbeit mit dem BD sei nicht möglich, denn die wolle „einen Bremer Landespräsidenten als eine Art ‚Führer‘, mit dem die Gewaltenteilung faktisch außer Kraft gesetzt würde“. FDP-Fraktionschef Thore Schäck sagte, man könne „aktuell nicht einschätzen“, wie sich die Partei zum parlamentarischen Betrieb verhalte.

Nur wenige Tage nach dem Aufschrei über die Wahl eines AfD-Landrats in Thüringen zeigt Bremen, dass die Parteien nichts gelernt haben. Demokratisch gewählten Parteien werden traditionelle parlamentarische Rechte vorenthalten, Brandmauern hochgezogen, von denen kaum einer weiß, wie sie sich begründen lassen – insbesondere angesichts einer zumindest in Teilen beobachteten Linkspartei, die zum anerkannten Parteienkartell gehört, indes eine solche Beobachtung durch den Verfassungsschutz beim BD gar nicht besteht.

Die Panik angesichts der eigenen Machterosion mag die Parteien von der Union bis zur Linkspartei zusammenschweißen, machen dabei aber nicht den Eindruck, die „Demokratie“ zu verteidigen, sondern diese aus parteitaktischen Gründen auszuhebeln, weil nicht der Wähler, sondern sie bestimmen wollen, wer im Plenum das Sagen hat. Das ist nicht nur demokratietheoretisch erschreckend, sondern auch demokratiepraktisch höchst problematisch, da das politische System nicht von der Autorität der Parteien, sondern vom Vertrauen des Bürgers abhängt.

Dass dieses Vertrauen seit rund einem Jahrzehnt massiv ins Wanken geraten ist, scheint für die Parteien weiterhin nicht zu bedeuten, nach der Ursache der Vertrauenskrise zu suchen, sondern stattdessen Konkurrenten an den Futtertrögen zu vertreiben. Das ist schlicht das Bild, das solche Zankereien vermittelt und schon in der Vergangenheit dazu geführt hat, dass die AfD ihre abschreckende Wirkung immer mehr verloren hat.

Zugleich treiben die etablierten Parteien Neubewerber damit in die Totalopposition, da ein vermeintlich „Konstruktiver Dialog“ gar nicht erst in Erwägung gezogen wird. Wenn auch FDP und CDU signalisieren, dass sie mit vermeintlichen Schmuddelkindern nicht spielen wollen, ergibt sich keine politische Machtopposition. Radikale Kräfte in den Parteien setzen sich durch, die keinen Regierungswechsel, sondern einen Systemwechsel anstreben. Der Vorwurf der „Radikalisierung“ wird dann zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung – womöglich nicht ungewollt, um den politischen Gegner umso mehr zu isolieren und zu diskriminieren.

Solche Spielereien mögen kurzfristig wirken, um lästige Neubewerber im Parteienzirkus loszuwerden. Im Falle der AfD ist dieser Versuch krachend gescheitert. Wer „Nationale Fronten“ bildet und von „demokratischen Parteien“ spricht, setzt voraus, dass nur die Regierung wählbar ist – oder eine Scheinopposition. Sehenden Auges ziehen sich die Parteien langfristig nicht nur einen viel gefährlicheren Feind heran, sondern sie lassen das Vertrauenssystem willentlich für den eigenen Vorteil erodieren.

Die Spaltung der Gesellschaft geht nicht auf die AfD zurück, sondern auf vermeintliche Alternativlosigkeiten, die in der Euro-, der Energie-, der Klima-, der Migrations- und zuletzt auch der Corona-Politik dominierten. Die AfD ist lediglich in diese Bresche gesprungen. Dämonisierung schafft nur einen Zeitvorteil, wenn der Dämon nicht mehr wirkt. Das Heulen und Zähneklappern danach wird groß werden – nicht nur in Bremen.

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