Nicht das Volk hat die Regierung zu fürchten, sondern die Regierung das Volk

Freiheit wird nicht gewährt. Kein Staat kann Freiheit gewähren. Der Mensch trägt die Freiheit in sich. Der Mensch ist Mensch, weil er frei ist. Freiheit macht den Menschen aus.

picture alliance/dpa/Reuters-Pool | Hannibal Hanschke

Frau Bundeskanzlerin, zum Thema Freiheiten für Geimpfte haben Sie am ersten Tag im Februar 2021 gesagt: „Es wird keine neuen Freiheiten geben“. Ich bin nur einer von über dreiundachtzig Millionen, aber dieser eine sagt Ihnen: Sie können mir weder Freiheit geben noch nehmen.

Ich gewähre Ihnen gerade lediglich Einschränkungen in meine Freiheitsrechte. Dies mache ich für eine gewisse Zeit des Notstands und der Krise. Sie und unsere Regierung bleiben jedoch auch zu dieser Zeit der Krise stets eine Dienerin. Sie sind nicht unsere Herrscherin.

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Jede Instanz, die auch nur im Geringsten daran denkt, unsere Gewährleistungen zu missbrauchen, bekommt unseren Widerstand zu spüren. Nicht das Volk hat die Regierung zu fürchten, sondern die Regierung das Volk.

Freiheit wird nicht gewährt. Kein Staat kann Freiheit gewähren. Der Mensch trägt die Freiheit in sich. Der Mensch ist Mensch, weil er frei ist. Freiheit macht den Menschen aus.

Die menschliche Freiheit kann lediglich eingeschränkt werden, entweder weil ein Mensch freiwillig diese Einschränkung zulässt oder weil er mit Gewalt dazu gezwungen wird. Für die gewalttätige Einschränkung der Freiheit braucht es gute Gründe.

Freiheit bedeutet, Befehle nicht willenlos ausführen zu müssen, wie eine Maschine, die programmiert wurde. Freiheit bedeutet, sich zu der Welt, in der man sich befindet, in moralisch bewertender Zuwendung zu verhalten und das eigene, aber auch das Handeln fremder Personen in richtig, falsch, gut und böse einzuteilen. Der Mensch ist sich selbst stets Rechenschaft schuldig und somit gewissermaßen zur Freiheit verurteilt.

Wer kennt sie nicht, die Bisse des Gewissen, die besonders dann spürbar werden, wenn man alleine ist und wenn keine großen Ablenkungen die Gedanken zerstreuen. Das Coronavirus hat uns zurück in unsere Höhlen geworfen. Die Straßen sind ruhig, die Amüsiermeilen geschlossen und keine bunten Lichter laden zum Vergnügen.

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Der Mensch ist ein soziales Wesen. Menschen kümmern sich um andere Menschen. Der Mensch ist sogar in der Lage, sich für andere Wesen zu opfern. Es gehört zum Wesen des Menschen, sich in Freiheit opfern zu können. Ein Opfer kann jedoch nicht nur freiwillig erbracht werden. Es gibt auch erzwungene Opfer. Die Geschichte ist voll von Menschen, die gegen ihren Willen geopfert wurden. Frau Merkel, Sie haben nicht das Recht, andere Menschen zu opfern.

Der Mensch möchte gebraucht werden und seiner Existenz einen Sinn geben. Er sucht nach einer Aufgabe im Leben und möchte Verantwortung übernehmen. Aber nur ein freier Mensch kann Verantwortung übernehmen. Wer nicht frei ist, kann sich nicht verantworten für eine Tat, auf dessen Ausführung er keinen Einfluß hatte.

Sie können nur darauf hoffen, dass sich freie Menschen dazu entscheiden, zum Wohle alter, schwacher und kranker Menschen ihre eigene Existenz aufs Spiel zu setzen. Die Maßnahmen, die dieses Land ergriffen wird, wird in vielen Fällen zu schweren Depressionen und seelischen Störungen führen, auch bei Kindern.

Ja, die momentanen Einschränkungen sind sinnvoll. Nicht umsonst setze ich sie gerade zusammen mit vielen anderen Bürgerinnen und Bürgern um. Unser bisheriger Lebensentwurf wird dabei völlig über den Haufen geworfen. Wir alle sind besorgt und wollen Sicherheit. Der Tod der Freiheit kam jedoch immer mit dem Ruf nach mehr Sicherheit. Daher sollten wir folgendes bedenken: Die Verfassung wurde nicht nur für glückliche Tage geschrieben, sondern gerade für Zeiten der Krise.

Gerade in der Krise ist Kritik wichtig. Nicht immer ist Kritik angemessen. Manchmal ist sie hart und unberechtigt, manchmal einfältig, dumm und falsch. Es gibt intelligente und dumme Personen. Menschen sind unterschiedlich. Manche regeln ihr Leben nach mathematischen Formeln, andere nach Bauernregeln. Es gibt Menschen, die glauben an Gott, andere umarmen Bäume, wieder andere nennen den Zweifel ihren besten Verbündeten. Sie alle aber tragen die Freiheit in sich und ordnen die Welt auf ihre Weise. Zudem haben alle Menschen die Fähigkeit, sich gegenseitig zu verständigen und sich zu einem gewissen Teil in die Situation des Gegenübers hineinversetzen zu können.

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Natürlich lamentieren Menschen, wenn ihnen etwas genommen wird. Es ist vollkommen verständlich, dass in Ausnahmesituation auch mal dumme oder schmutzige Gedanke den Weg aus den Mündern jener finden, denen grade der Boden unter den Füßen weggezogen wurde, die um ihre pure Existenz bangen und die nicht wissen, ob sie wirtschaftlich oder beziehungstechnisch heil aus der Situation herauskommen.

Die Menschen, die mit voller Wucht von dieser Herausforderung getroffen werden, sollte man weder bestrafen noch ihnen das Recht nehmen, ihrem Unmut auch mal deutlich Ausdruck zu verleihen. Ihnen sollte man stattdessen die Möglichkeit geben, sich so frei wie möglich für die Verantwortung entscheiden zu können. Dafür müssen sie aber auch Fehler machen dürfen, auch in der Krise. Vor allem aber müssen Sie frei denken und reden dürfen.

Liebe Frau Merkel,

die Bürgerinnen und Bürger des Landes, dem Sie dienen, bringen gerade große Opfer. Was für ein Preis, überall zertretenes Glück von Millionen. Soll die Freiheit, die Sie erklären, nicht geben zu wollen, das einzige sein, das ihre Wünsche reifen kann? Nein. Verteidigen Sie Gedankenfreiheit!


Dieser Beitrag ist zuerst bei Tapfer im Nirgendwo erschienen.

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Kommentare ( 58 )

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Evero
3 Jahre her

Diesen Artikel habe ich erst heute gelesen. Lob dafür. Wie ich immer sage: jeder Mensch wird frei geboren. Sein irdischer Zweck ist es nicht, von Geburt bis zum Tod gegängelt zu werden von Obrigkeit.

Und schon gar in einer Demokratie können Regierungen oder Behörden nicht über bürgerliche Freiheiten walten, wie sie lustig sind, sonst ist es keine Demokratie mehr!

Wolfsohn
3 Jahre her

Noch sitzt ihr da oben, ihr feigen Gestalten,
vom Feinde bezahlt und dem Volke zum Spott.
Doch einst wird wieder Gerechtigkeit walten,
dann richtet das Volk und es gnade euch Gott.
Theodor Körner

CIVIS
3 Jahre her

Zur Überschrift „Nicht das Volk hat die Regierung zu fürchten, sondern die Regierung das Volk
Das ist bei der Mehrheit in „unserem Volk“ mittlerweile leider reines Wunschdenken !

Ich hätte nicht gedacht, dass ich das einmal über meine Landsleute sagen muss.

Sonny
3 Jahre her

merkel ist weder lieb noch umsichtig oder besonders intelligent.
Sie ist einfach nur berechnend und machtgeil, dabei beseelt von einer tief verankerten DDR-Philosophie, die sie in 16 Jahren in aller Ruhe vorbereiten und mit der Brechstange durchsetzen konnte.

beko
3 Jahre her
Antworten an  Sonny

Bis machtgeil kann ich Ihnen noch zustimmen, aber dann folgt meines Erachtens eine Fehleinschätzung. Es ist nicht die „DDR-Philosophie“ die sie durchgesetzt hat und noch durchsetzt! Es ist der in den USA ersonnene, Anfang des 20. Jh. von Lippmann, später Friedmann, Hayek und sogar Ludwig Erhard sowie Franz Josef Strauß weiter verfolgte und ihrer Seite popularisierte Neoliberalismus mit all seinen Zusammenhängen und Konsequenzen. Die Theorie – Der Markt regulier sich selber ohne Eingriffe vom Staat?! Bisher blanke Theorie, denn der Staat musste bisher immer eingreifen und den „Pokerfreunde“ aus der Misere helfen. Das wird sich m.E: auch nicht ändern aber… Mehr

Pro Contra
3 Jahre her

Die haben schon lange Angst vorm Volk. Deshalb sperren sie es ein und verkaufen es per Staatsfunk und Presse für dumm. Sie glotzen vor jeder Wahl auf die Umfragewerte wie das Kaninchen auf die Schlange. Sie jubeln, wenn die Stimmenverluste nicht so hoch waren wie prognostiziert, wie Söder zuletzt in Bayern. Am Ende sind alle Wahlsieger (außer AFD), und die Welt ist wieder in Ordnung. Das funktioniert, solange der Bürger stillhält. Noch tut er es, aber wenn der Job weg, das Konto leer, der Strom gesperrt, das Smartphone stumm und die Psyche kaputt ist, erwacht der Wutbürger. Ich weiß auch… Mehr

Gerro Medicus
3 Jahre her

Sehr geehrter Herr Buurmann, so eine mehr als berechtigte Philippika, und dann „Liebe Frau Merkel“´? Fällt Ihnen da nicht auch eine gewisse Diskrepanz auf?

Korner
3 Jahre her

Es ist Sache der Opposition, diese vielen Fehler und Verbrechen dem Wähler nahezubringen. Bessere Chancen kann man kaum haven.

Evero
3 Jahre her
Antworten an  Korner

Die Opposition wird von den linken Blockparteien kriminalisiert. Kritik wird strafbar. Und die Mehrheit der Wähler sind apolitische Mitläufer, die dröge alles hinnehmen, solange es irgendwie geht.

Ben Goldstein
3 Jahre her

Sehr gut auf den Punkt gebracht. Es wird schwierig werden, den Eliten, die unter uns, dem Souverän, regieren, irgendwann zu erklären, dass der Corona-Notstand dann wieder vorbei ist.

Aufgewachter
3 Jahre her

Nicht das Volk hat die Regierung zu fürchten“ stimmt leider nicht, die Geschichte liefert mehr als genug Beispiele was „Regierungen“ ihrem Volk angetan haben…

Tizian
3 Jahre her

Auf den Punkt, so ist es. Man kann gegen Merkel und Konsorten, gegen das ganze Establishment aus Parteien, Medien, NGO´s und devoten, obrigkeitshörigen und systemkonformen Beamten, Bürokraten und Mitläufern aller Art weder anschreiben noch theoretisieren, man muß die Wut, den Protest und den Veränderungswillen auf die Straße bringen und mit den Füßen abstimmen. Sonst wird sich nicht nur nichts ändern, sondern mit jedem Tag schlimmer.