Wolfram Weimer will den größten Medien- und Interessenskonfliktskandal der jüngeren Bundesrepublik aussitzen. Friedrich Merz glaubt, dass sich sein Kulturstaatsminister-Amigo mit dieser Last im Gepäck halten ließe. Beide irren: Die Lage hat längst eine politische Schwere erreicht, die Weimer in die Tiefe zieht und Merz mit ihm.
picture alliance/dpa | Georg Wendt
Inzwischen ist nicht einmal mehr die Frage, ob im Umfeld der Weimer Media Group Rechtsverstöße stattfanden – sondern, wie lange sie hingenommen wurden. Über Jahre wurden Texte von bekannten Autoren ohne deren Wissen oder Zustimmung veröffentlicht und als Teil eines angeblich gewaltigen Autoren-Netzwerks präsentiert, das in Unternehmensdarstellungen als je mal mit 1.000 oder mit 2.000 Autoren aufgepumpt dargestellt wurde. Nach den Recherchen von Alexander Wallasch wurde im Hause Weimer bei „The European“ gelöscht, was das Zeug hielt. Unterlassungserklärungen und die nun eingeleiteten Vorermittlungen der Staatsanwaltschaft München belegen: Diese Vorgänge waren kein Ausrutscher, sondern dokumentierter Bestandteil des operativen Tagesgeschäfts.
Potemkinsches Medienpartnerdorf
Besonders deutlich wird das am Umgang mit vermeintlichen Medienpartnerschaften. Behauptete Kooperationen etwa mit der FAZ existierten nach Auskunft der Zeitung gar nicht. Logos von The Economist verschwinden nach Anfragen von Tichys Einblick aus den Materialien der Weimer Media Group zu den Events, ebenso das Logo von CNBC. Als über Jahre als Ausweis internationaler Bedeutung geführte Marken plötzlich kommentarlos getilgt werden, zeigt sich endgültig, wie sehr der öffentliche Glanz auf wackligen Grundmauern ruhte.
Das hochgestapelte Selbstbild eines seriösen publizistischen Akteurs ist damit nicht angekratzt, sondern vollständig widerlegt.
Die Übertragung der Firmenanteile an einen Treuhänder wirkt vor diesem Hintergrund bislang wie reine Kosmetik für die Öffentlichkeit. Eine Eintragung im Transparenzregister fehlt bisher.
Das Netzwerk gegenseitiger Abhängigkeiten wird sichtbar
Der Glanz der Weimer’schen Gipfelformate – Ludwig-Erhard-Gipfel in Bayern, Frankfurt Finance Summit in Hessen – wurde mit staatlichen Fördergeldern, politischer Präsenz und einem sorgfältig gepflegten Netzwerk aus Landesregierungen, Ministerien und Wirtschaftsvertretern unterfüttert. Warum wird eine private Veranstaltung mit Eintrittspreisen um die 3.000 Euro und Paketpreisen bis zu 80.000 Euro mit Steuergeldern gestopft?
Die Weimer Media Group inszenierte sich als zentraler Knotenpunkt ordnungspolitischer Debatten und wirtschaftlicher Impulse. Mit jeder neuen Enthüllung wird deutlicher: Dieser Einfluss war weit stärker abhängig von politischen Kulissen, deren Nähe nun zur Belastung für die Beteiligten wird. Wo öffentliche Mittel und privatwirtschaftliche Interessen ineinandergreifen, verlieren Schönfärbungen ihren Wert.
Zu dieser Nähe gehören Auftritte und Unterstützung aus Bayern ebenso wie aus Hessen: Landesregierungen, die Gipfel mittragen, Landeschefs wie Markus Söder und Boris Rhein, die mit ihrem Gesicht, ihrem Namen, ihrem Amt, die Schirmherrschaft über die Schummelgipfel übernommen haben. Ministerien, die Mittel bereitstellen, und Politiker, die sich über Jahre gern auf diesen Bühnen zeigen ließen. Wer heute überrascht tut, war zuvor Teil des Bildes, das Weimer von sich zeichnete – und trägt nun die politische Verantwortung dafür, diesem Bild Glaubwürdigkeit verliehen zu haben.
Für Weimer ist das heikel, weil die betreffenden Zeiträume in seine Verantwortung als Geschäftsführer fallen. Der Versuch, sich politisch auf eine formale Trennung zwischen Amt und Unternehmen zurückzuziehen, zieht vor diesem Hintergrund nicht. Wer als Staatsminister für Medien- und Kulturpolitik auftritt, während gleichzeitig die von ihm mitgeprägte Firma ins Visier der Strafverfolger gerät, kann sich nicht darauf berufen, man habe es intern schon geregelt.
Ein Amt, das seine eigenen Risiken offenlegt
Damit rückt auch das Amt des Kulturstaatsministers selbst in ein anderes Licht. Ursprünglich als Bindeglied zwischen Bund, Kulturinstitutionen und Medienbranche gedacht, hat sich die Position in den vergangenen Jahren zu einem machtvollen Instrument entwickelt, mit dem Förderströme, Rahmenbedingungen und Deutungshoheiten beeinflusst werden können. Unter Weimer kulminiert dieses Problem: Ein Medienunternehmer, dessen eigenes Geflecht aus Firmen und Veranstaltungen heute unter massiver Kritik steht, verantwortet aus dem Kanzleramt heraus exakt jene Politik, die vorgeblich mediale Vielfalt und Freiheit schützen soll.
Das ist mehr als ein persönlicher Interessenkonflikt. Es ist ein Konstruktionsfehler, der im Fall Weimer sichtbar geworden ist: Ein zentraler Zugriffshebel auf Medienpolitik im Kanzleramt, verbunden mit einem Akteur, der gleichzeitig von publizistischen Geschäftsmodellen, staatlichen Fördergeldern und politischer Nähe profitiert.
Der Angriff auf die digitale Öffentlichkeit
In öffentlichen Auftritten warnt Weimer vor der Macht großer Plattformen, spricht von einer Bedrohung der demokratischen Ordnung durch soziale Medien und fordert einen stärkeren staatlichen Zugriff auf digitale Kommunikationsräume. Dass ausgerechnet ein unter Druck geratener Kulturstaatsminister nach neuen Regulierungsinstrumenten gegen Online-Plattformen ruft, ist kein Detail, sondern Teil des Problems.
Es ist die paradoxe Situation, dass ein politischer Amtsträger, der sich unangenehmen Recherchen ausgesetzt sieht, zugleich Einfluss auf die künftige Ausgestaltung des digitalen Meinungs- und Informationsraums beanspruchen will. Wer in dieser Konstellation „mehr Kontrolle“ fordert, muss sich die Frage gefallen lassen, ob er den Rechtsstaat stärken will – oder nicht vielmehr seinen eigenen unseligen Handlungsspielraum.
Und Merz? Schweigen als Strategie
Damit wird der Skandal jedoch nicht kleiner, sondern immer größer. Je länger Weimer im Amt bleibt, desto stärker verlagert sich die Frage von der Person des Kulturstaatsministers zur Art der Verbindung der Person des Kanzlers. An einem Punkt, an dem Urheberrechtsverletzungen eingeräumt, internationale Medienmarken getilgt, staatliche Förderstrukturen tangiert und strafrechtliche Vorermittlungen eingeleitet sind, wirkt das Festhalten an dieser Personalie nicht mehr wie Loyalität, sondern wie Angst vor dem eigenen Fall des ungeliebten Kanzlers der zweiten Wahl.
Der Punkt des Aussitzens ist überschritten
Der Fall Weimer ist längst mehr als ein Medienskandal. Er hat jetzt das Niveau eines Strukturskandals erreicht und beschädigt mit jedem Tag des Verbleibs im Amt die gesamte Regierung. Die Glaubwürdigkeit ist sowieso bereits nahe dem Nullpunkt. Die Wahlzettel waren noch nicht wieder kalt, da war schon kein Wahlversprechen noch einen müden Cent mehr wert.
Noch ein paar Monate muss das ganze stehen und durchhalten. Nur noch ein paar Monate. So schein man in Berlin zu denken. Nur noch die wenigsten gehen davon aus, dass ein Ende der Legislatur überhaupt noch annähernd erreicht wird. Merz flüchtet sich vor den Problemen zuhause zu allen Auslandsterminen, die er noch abgreifen kann. Hauptstadtjournalisten sind dankbar, dass sie den Menschen Klimaschutz predigen können, während sie selbst bei jedem begleiteten Regierungsflug den CO2-Fußabdruck einer Elefantenherde in 80er-Jahre Trabis vorweisen. Die Krone der Glaubwürdigkeit jettet wieder. Was für ein Schmierentheater, von dem die Teilnehmer annehmen, die Menschen würden diese Diskrepanz nicht sehen.
Ein Staatsminister, dessen publizistische Infrastruktur auf Rechtsverstößen, aufgeblähten Kennzahlen, zweifelhaften Medienpartnerschaften und staatlich gestützten Netzwerktreffen ruht, kann ein Land nicht glaubwürdig durch medien- und kulturpolitische Debatten führen. Und ein Kanzler, der diese Konstellation trägt, ist nun selbst großer Teil des Problems.
Dreist tut Weimer weiter so, als könne er sein Amt trotz alledem behalten. Dreister ist, dass Merz so tut, als könne er ihn trotzdem halten. Für beide gilt: Die Erzählung, man könne das aussitzen, ist vorbei.






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Wer ist denn dieser Treuhänder, Merz, Söder, Müntefering oder einer seiner Söhne dem Weimer seine Anteile an der Weimer Media Group bis für die Zeit nach seinem Abgang als Kulturstaatsminister zur Verwaltung übergeben hat. Ein Treuhänder ist eine Person oder Organisation, die im eigenen Namen, aber treuhänderisch im Interesse eines anderen handelt und dabei Vermögenswerte oder Rechte für diese Person verwaltet. Er agiert nicht als Stellvertreter, sondern ist rechtlich als Inhaber der Vermögenswerte aufzutreten, handelt aber nach den Vorgaben des Treugebers. Der Treuhänder ist nach außen hin oft der rechtliche Inhaber, ist aber im Innenverhältnis an die Vorgaben und den… Mehr
Was für ein Krimi. Ich freue mich auf die Verfilmung, vielleicht bei Netflix? Wird es ein Spielfilm oder eine Serie? Sowas kann man sich nicht ausdenken. Und der Kanzler findet alles „haltlos“. So so …
Was für eine findige, „erfolgreiche“ Familie.
Tricksen und Täuschen, Andere benutzen, Kontakte misbrauchen.
Und letztlich nur durch verkaufte „Kontakte“ Gewinn machen.
Das ist an Chuzpe kaum zu überbieten.
Was für eine Sippe ist das?
Es gab mal eine Zeit und Republik, da musste ein Minister gehen, weil er den falschen Briefbogen fuer eine geschaeftliche Empfehlung verwendete.
Just saying.
Der Mann hat Nerven, das muss man Ihm lassen, Selten war jemand so unbeeindruckt von Vorwürfen.
Wenn es auf eine STRAFTAT mehr oder weniger nicht mehr ankommt, dann nennt man das die Rettung der Demokratie mit anderen Mitteln.
Danke, sehr guter Text! Volle Zustimmung.
Dreist finde ich, dass niemand mal nachdenkt was unseren Kanzler zu dieser Nibelungentreue förmlich zwingt. Welche Leichen unseres Kanzlers kennt Weimar? Das ist doch der Punkt. Weiterhin lässt sich doch mal fragen, ob des Kanzlers Verhalten, eine Sozialisierung durch seinen Beruf als Anwalt, seine Tätigkeit in der CDU oder seine Erlebnisse unter Merkel verursacht hat; oder ist das die normale Black Rock Sozialisierung die da durchschlägt. Keine Freundschaft kann so ausgeprägt sein, dass Fritzchen das so lange durchzieht. Wo ist der Psychiater, der mal eine Tiefenanalyse dieser Big Player vornimmt. Es ist doch mehr als sonderbar, dass unser Kanzler beispielsweise… Mehr
Think „dreist“ . Kann passieren das man solche Leute in der Gruppe hat. Doch wenn man sie gewähren lässt, prägen sie das Bild der ganzen Gruppe.
Die Wahl wurde auch nicht auf ehrlichem Weg gewonnen. Plan „B“ war immer Plan „A“ und wurde bestimmt nicht vom Kanzler vorbereitet. Denn der hat ja nur sein Dienstwagen im Kopf. Oder hat diese Regierung irgendwas vollbracht, das für die Zukunft der Bürger nützlich ist?
Weimer repräsentiert den heutigen Politikertyp der „demokratischen“ Parteien. Für sich alles, auch auf Kosten der Steuerzahler. Verfolgung durch Justiz gibt es nicht. Aufhebung der Immunität gilt nur für die AFD, aber nicht für die ihrigen. Irgend wann explodiert auch dieses Regime an seiner Aroganz, wahrscheinlich in den schillernsten Farben. Danach wird wieder eine Zeit des Friedens und der Realität einziehen. Aber erst, wenn das finale Feuerwerk statt gefunden hat. ES steht uns noch bevor.
Das sieht fast so aus, als wenn er mit Gröhlemeyer redet, statt mit dem Herrn Kultursenator.