Der Fall des hessischen Professors zeigt, wie schnell heute ein Verdacht, ein Dossier und falsche politische Nähe ausreichen, um Existenzen zu zerstören – selbst dann, wenn sich die Anschuldigungen vor Gericht als haltlos erweisen. Ein Staat im Niedergang greift zum autoritären Reflex als letztes Mittel, bröckelnde Kontrolle durch Gesinnungsprüfung, Einschüchterung und Obrigkeitshörigkeit zu ersetzen.
IMAGO
Vor kurzem konnte man in der eher linksliberalen FAS einen Bericht über einen hessischen Professor lesen, dem seine Hochschulleitung die Lehrbefugnis entzogen hatte. Grund dafür waren eine frühere Mitgliedschaft in der AFD, persönliche, aber wohl eher sporadische Kontakte zu Jürgen Elsässer – der in der Tat als rechter Scharfmacher gilt – und seiner Familie und vor allem ein umfangreiches Dossier des Verfassungsschutzes, das den Professor als Verfassungsfeind darstellte, den man nicht auf Studenten loslassen dürfe. Offenbar hatte der Verfassungsschutz den Hochschullehrer seit langer Zeit observiert und eine Akte über ihn angelegt.
Aber soll man den Erfolg des Hochschullehrers wirklich feiern? Wäre das nicht naiv? Deutschland ist heute ein Land im steilen Niedergang. Die Infrastruktur zerbröselt, die Verwaltung konzentriert sich auch im Auftrag des Brüsseler Dirigismus, den man ohne alle Vorbehalte vollständig verinnerlicht hat, oft genug darauf, jede produktive Arbeit zu behindern, und ein Deindustrialisierungsprozess hat eingesetzt, dessen Ende in keiner Weise absehbar ist. Vermutlich wird er sich nicht mehr aufhalten lassen. Überdies sind der Sozialstaat und das Gesundheitswesen in der jetzigen Form nicht mehr zu finanzieren.
Wir sollten uns auf das besinnen, was Deutschland einst groß gemacht hat: das bedingungslose Vertrauen in die Obrigkeit
Es sieht also ziemlich düster aus und die Unzufriedenheit unter den Bürgern wird immer größer und äußert sich nun auch unverhohlen in trotziger Widersetzlichkeit, gefährlichem Räsonieren und gelegentlich sogar in offener Auflehnung. Das kann vom Falschdenken bis hin zu gefährlichem „Falschwählen“ reichen. Das ist alles sehr besorgniserregend. Gerade in dieser kritischen Situation sollten wir uns auf das besinnen, was uns einst als Nation stark gemacht hat: das bedingungslose Vertrauen in den Staat und die Obrigkeit. Gerade Hessen respektive Kurhessen konnte sich nach 1815 rühmen, von tatkräftigen Herrschern mit einer starken Neigung zum Neo-Absolutismus regiert zu werden, auch wenn die Gerichte schon damals, so wie heute das hessische Verwaltungsgericht im Fall des inkriminierten Professors sich solchen Bestrebungen in kritischen Momenten gelegentlich in den Weg stellten. Ihnen fehlte eben die Einsicht, dass die Obrigkeit es im Grunde genommen doch immer besser weiß als der Untertan mit seiner arg beschränkten Weltsicht. Umso erfrischender ist es, dass die dortige CDU so energisch an althessische Traditionen im Umgang mit unbotmäßigen Untertanen anzuknüpfen versucht.
Ein noch besseres Vorbild für die heutige Politik wäre aber vielleicht die preußische Hochschulpolitik des frühen 18. Jahrhunderts. Bekanntlich zögerte der Soldatenkönig, Friedrich Wilhelm I. (reg. 1713-40) nicht lange, wenn es galt, einen Professor zu maßregeln, der die falschen Ansichten vertrat, wie der Philosoph Christian Wolff 1723 erfahren musste. Er verlor seinen Lehrstuhl, weil er sich mit den Pietisten in Halle angelegt hatte, in denen man mit etwas Mühe, wenn man auf ihren Hang zu religiöser Sentimentalität und ihren selbstgerechten Anspruch auf moralische Überlegenheit blickt, fast die Vorfahren der heutigen Grünen sehen könnte.
Aber man könnte auch an eine der bedeutsamsten Stunden des preußischen Beamtenstaates zurückdenken: Das Jahr 1806, nach der Niederlage von Jena und Auerstedt – die preußische Armee befand sich damals in einem ähnlichen Zustand wie heute die Finanzen vieler Kommunen oder die deutsche Autoindustrie – erließ der damalige Gouverneur von Berlin, Graf von der Schulenburg, eine Verordnung, in der er die Bürger der Stadt aufforderte, Haltung zu wahren mit den geflügelten Worten „Ruhe ist die erste Bürgerpflicht.“ Was damals richtig war, ist auch heute richtig. Wir werden den Niedergang unseres Landes nicht aufhalten können, dazu sind die Probleme zu groß. Das gilt nicht nur für den Bereich der Wirtschaft, sondern auch für die Lasten, die uns Brüssel im Rahmen der unausweichlichen Vergemeinschaftung der Schulden in der Eurozone aufbürden wird, oder für die nicht immer erfreulichen Folgen einer unkontrollierten und unkontrollierbaren Masseneinwanderung. Damit müssen wir uns abfinden. Aber wenigstens sollten wir in dieser Situation Ruhe und Gleichmut bewahren, Tugenden, die deutsche Untertanen am Ende immer ausgezeichnet haben.
Einschränkungen der individuellen Freiheit sind heute alternativlos
Schließlich müssen wir auch Verständnis für die geplagte Obrigkeit aufbringen. Sie kann das Vertrauen ihrer Untergebenen, also unser Vertrauen, das sie offensichtlich in vielen Milieus verloren hat, nun einmal nicht zurückgewinnen. Dazu müsste sich ja etwas zum Besseren verändern, und das zeichnet sich schlechterdings nicht ab, nicht auf nationaler Ebene und erst recht nicht in Brüssel unter der segensreichen Herrschaft der dort regierenden militanten Feinde des Nationalstaates vom Schlage der stets eisig lächelnden Frau von der Leyen. Also muss man wenigstens verhindern, dass es zu Aufständen und Meutereien kommt, und dazu sind nun einmal Einschränkungen der individuellen Freiheit unverzichtbar. Das ist doch gar nicht so schwer zu verstehen. Wo kämen wir hin, wenn einfache Untertanen bedeutenden Politikerinnen noch dazu solchen, die in den letzten 20 Jahren unser Land immer wieder durch ihren Sachverstand in die richtige Richtung gelenkt haben, einfach bescheinigen könnten, bei ihnen herrsche „Dürre im Kopf“, wie es ein hier nicht zu nennender Volkswirt im Juni 2023 gegenüber einer der klügsten Politikerinnen der Grünen wagte? So etwas geht nicht, und diese verbale Insubordination wurde dann auch exemplarisch mit einer hohen Geldstrafe geahndet. Friedrich Wilhelm I. hätte den Übeltäter freilich sofort in die „Karre geschickt“, also zu Zwangsarbeit verurteilen lassen. Diese Möglichkeit gibt es zur Zeit leider nicht mehr, aber der § 188 StGB (Beleidigung der Obrigkeit) ließe sich sicherlich unschwer in entsprechender Weise ergänzen. Auch hier sollten wir uns auf unsere Traditionen zurückbesinnen.
Überhaupt ist Meinungsfreiheit im Grunde genommen ein Luxusgut, mit dem wir sehr viel sparsamer als bisher umgehen sollten, namentlich in Zeiten, in denen wir auch sonst zur Nachhaltigkeit im Umgang mit knappen Ressourcen aufgerufen werden. Wir essen ja auch nicht jeden Tag Kaviar oder Seezunge. Das versteht leider nicht jeder, und zu denen, die es nicht verstanden haben, gehört auch ein emeritierter Berliner Hochschullehrer namens Norbert Bolz, der sich in unangemessener Weise in den sozialen Medien über den angeblich „woken“ Zeitgeist lustig machte, was an sich schon eine destruktive, zutiefst illoyale Haltung demonstriert. Weil er dabei ein Zitat aus der Zeit vor 1945 in ironischer Weise – einfache Bürger sollten in ihren Äußerungen im Normalfall auf jede Ironie verzichten, weil das die Arbeit der sie beaufsichtigenden Behörden unnötig erschwert – verwandte, schickte ihm die Staatsanwaltschaft die Polizei auf den Hals, die sein Haus durchsuchen sollte. Angeregt wurde das alles wohl durch eine der Meldestellen, die heute dankenswerterweise die sozialen Medien nach „Hass“ und Falschmeinungen, also nach „wrongthink“ durchforsten, wobei auch hier Hessen unter der Führung der dortigen CDU eine zentrale Rolle spielt. Wie heißt es so schön? Hessen vorn! Für die Meldestellen gilt das jedenfalls. Wenn heute ein neuer Hauptmann von Köpenick auftreten würde, würde er sich nicht als Offizier der Bundeswehr ausgeben – vor dem hätte ohnehin keiner Respekt – sondern er würde als der Mitarbeiter einer Meldestelle auftreten, vorzugweise aus Hessen. Jedenfalls hat unsere Obrigkeit erkannt, dass man den Untertanen nicht alles durchgehen lassen darf, und dass die meisten mit dem selbständigen Denken leider überfordert sind, und der Anleitung etwa durch vom Staat finanzierte NGOs bedürfen. Und das ist dann immerhin schon einmal ein Fortschritt auch in Zeiten des Niedergangs.
Ein Ratschlag zum Schluss für die sicher zahlreichen Sbirren und Familiaren der einschlägigen Meldestellen und die unermüdlichen Mitarbeiter unseres großartigen Inlandsgeheimdienstes, wenn sie diesen Artikel, wie vermutlich alles, was bei TE erscheint, überprüfen und zu den Akten nehmen: Bei der Auswertung könnte es hilfreich sein, zunächst einen Blick in Lausbergs Handbuch der literarischen Rhetorik zu werfen und sich dort über den Tropus der Ironie zu informieren, auch wenn das einzige Exemplar dieses unentbehrlichen Referenzwerkes unter Umständen zur Zeit von einem Agenten mit Bildungshunger aus der Dienstbibliothek ausgeliehen wurde. Aber vielleicht lohnt sich ja die Anschaffung eines Zweitexemplars. U. u. bekommt man dafür sogar einen Zuschuss von der EU.


Sie müssenangemeldet sein um einen Kommentar oder eine Antwort schreiben zu können
Bitte loggen Sie sich ein
Zitat: „Deutschland muss sich auf seine Stärken und seine besten Traditionen besinnen: den Obrigkeitsstaat“
> Höhöhö…. -Jau, mit diesen Vorschlag würde der Autor mit ziemlicher Sicherheit vor allem bei den Grünen und der Linke umgehend zum Partei-Chef gewählt. 😉
Was Deutschland meiner Meinung aber wirklich wieder gut tun würde und für das AltparteienKARTELL (inkl CDU) aber wohl ein arger Graus wäre, wären wieder die guten allten preußischen Tugenden -….und diese dann aber auch bis hoch in die Regierung hinein.
Das alles funktioniert doch nur aufgrund der Lethargie und Feigheit der Bürger.
Wir brauchen friedliche Montagsdemos und aktive Mitarbeit bei patriotischen Parteien.
Dann ist der Neo-DDR Spuk schnell vorbei.
Ironie? Ich würde eher meinen, Sarkasmus erkannt zu haben. Aber auch dann muß ich zustimmen. Allerdings aus einem anderen Grund, denn noch ist wohl jede Liebesmüh vergebens, den überwiegenden Teil dieses Volkes an Tugenden zu erinnern. Dieser Teil ist nämlich obrigkeitshöriger als jeder „Volksgenosse“ es jemals war. Und sie merken gar nicht, daß es nun alsbald Fin de Siècle (frei übersetzt: Schluss mit lustig) ist. Bestenfalls könnte man noch meinen, daß die situative langsam aber sicher in die kognitive Dissonanz übergeht. Bis dahin werden Selbstwertgefühl und Durchsetzungsvermögen immer wieder durch emotionale Instabilität durcheinander gebracht und selbst das Homeoffice ist zu… Mehr