Weimer und Merz: Chamäleons im Kanzleramt

Friedrich Merz wie Wolfram Weimer traten an, um wieder konservatives Profil zu liefern – und lösten es in Blitzgeschwindigkeit im Zeitgeist auf. Das Konservative hat sich bei beiden längst ins Gegenteil verkehrt. Über die Methode Chamäleon.

picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Wolfram Weimer, parteiloser Kulturstaatsminister in Friedrich Merzens Kanzleramt, ist ganz und gar der treue Diener seines Herrn. Voll im Sinne des letzteren, der schon 2019 die AfD von deren damaligen 12 Prozent auf 6 Prozent halbieren wollte, sieht Weimer die AfD in vier Jahren – also 2029 – bei neun Prozent. Realitätsverlust scheint seit Merkel zur Grundparanoia in einem Raumschiff namens Kanzleramt zu sein. Zumal solche Prognosen zugleich für Millionen Wähler Motiv sind, das Gegenteil der Halbierungs- oder gar Drittelungsvisionen zu beweisen.

Nun hätte man ja meinen können, dass sich mit Merz und Weimer zwei echte Konservative gefunden hätten. Ein Merz, der sich einst für eine deutsche Leitkultur stark machte. Und ein Weimer, der einst „Das konservative Manifest“ veröffentlichte. Aber denkste! Das Konservative hat sich bei beiden längst bis zu Unkenntlichkeit abgeschliffen, ja ins Gegenteil verkehrt. Methode Chamäleon. Im Falle von Merz noch mal kurz vor der Wahl im Februar 2025 tönend: „Links ist vorbei“ – und gleichzeitig auf Stimmen der Grünen und der Ex-SED hoffend. Derweil gibt man sich profillos mittig und nach allen Seiten offen. Die knallharte Diagnose eines Franz Josef Strauß missachtend: „Wer nach allen Seiten offen ist, der ist nicht mehr dicht.“

Genug des Prologs. Bei Merz muss man die ideellen/ideologischen Salti nicht weiter exemplifizieren. Man erlebt sie tagtäglich. Bei Weimer längst auch. „Deformation professionelle“ auch hier. Kaum war Weimer Staatsminister geworden, kaum musste die links-woke Kulturschickeria befürchten, dass Weimer das Gegenstück zu seiner grünen Vorgängerin Claudia Roth abgeben könnte, da schoss schon die vereinte politmediale Linke gegen ihn. Und dann? Weimer duckte sich weg.

Sehr erhellend bleibt der Fraternisierungsversuch des Herrn Weimer mit dem grünen Co-Vorsitzenden Felix Banaszak am 19. Juni 2025 bei ZDF-„Lanz“. Weimer zeigte Verständnis für die Diskussion um seine Personalie. Und als der Grüne dem Wolfram Weimer ein „traditionelles Familienbild Mann, Frau, Kinder“ vorhielt, lenkte Weimer brav ein: „Sie wissen, wo ich politisch stehe – und das ist die liberale Mitte dieses Landes … Wir (sic zu Banaszak) in der Mitte müssen uns einander zugestehen, dass der andere auch Recht haben könnte mit seinem Argument.“ Der weitere Verlauf war ebenfalls bemerkenswert. Je härter Banaszak gegen Weimer kartete, desto verunsicherter und devoter zeigte sich dieser. Abgrenzen gegen die AfD, aber beinahe flehentlich vorm grünen Banaszak nicht aus der Kreis der demokratischen Mitte geflegelt zu werden. Es lohnt sich das noch einmal anzusehen.

Nach außen freilich gab Weimer damals noch ein wenig den Anti-Claudia-Roth. Die Gender-Schreibweise wollte er in seinem Amt verbieten. Und: Weimer will (wollte?) fast alle mit 8,5 Mio. Euro dotierten journalistischen Projekte seiner Vorgängerin Claudia Roth stoppen. Etwa „Journalisten im Exil“ über den „JX Fund“ (4,19 Millionen Euro), das Programm „Stark für Vielfalt“ der „Neuen deutschen Medienmacher*innen“ (200.000 Euro), die einschlägig bekannte Plattform „Correctiv“, die Anfang 2024 einen Geheimplan einer Art „Wannsee-Konferenz 2.0“ aufgedeckt haben will, mit 198.500 Euro für ein Programm zur Förderung des Lokaljournalismus.

Gehört hat man von diesen Streichungsplänen bislang nichts mehr.

Vernommen freilich hat man, dass Weimer auch keine Probleme mit der Förderung hat, wenn Antifa-Produkte darunter sind. Wie das Portal NIUS herausfand, vergibt Weimer im Rahmen des Deutschen Verlagspreises Zehntausende Euro an linksradikale Verlage. Zum Beispiel an den „Unrast Verlag“, der 2023 das Buch „Tipps und Tricks für Antifas und Antiras“ (Antiras = Antirassismus) herausgab und sich damit „vor allem an Schüler*innen“ wendet und ihnen Tipps gibt, wie man eine Antifa-Gruppe aufbaut, aber auch, wie man sich bei der Konfrontation mit der Polizei verhält. Oder die „Edition Nautilus“, die Bücher mit Gewaltverherrlichungen veröffentlicht. Insgesamt sind für den Deutschen Verlagspreis 1,6 Millionen Euro Steuergelder vorgesehen. Jeder der 80 ausgezeichneten Verlage erhält von Weimer mindestens 18.000 Euro Preisgeld. Alles unter dem Label „Wir in der Mitte“?

Auch mit dem ZDF-Pseudosatiriker Jan Böhmermann will es Weimer nach ein bisschen öffentlichen Gekabbel am Ende doch wieder gut können. Böhmermann wollte am 7. Oktober 2025 (also ausgerechnet am 2. Jahrestag des mörderisch-bestialischen Hamas-Massakers an mehr als 1.200 Israelis) im Haus der Kulturen der Welt (HKW) ein Konzert unter anderem mit dem Rapper Chefket (bürgerlich Şevket Dirican) veranstalten. Weimer missfiel das denn nach einem größeren medialen Brennglas auf dieses unerhörte Vorhaben doch ein wenig. Böhmermann sagte schließlich ab: Chefket (für Böhmermann „über jeden Zweifel erhaben“) war mit dem Tragen eines Trikots aufgefallen, das das Existenzrecht Israels leugnete.

Schließlich trafen sich Weimer und Böhmermann an eben diesem 7. Oktober auf der HKW-Bühne zur rhetorischen Schmuserei und bestätigten sich, „gemeinsam gegen die rechten Brüder“ zu kämpfen.

Klar, dazu Böhmermanns Bemerkung gegenüber Weimer: „Ihre Eier möchte ich haben“. Eine vulgäre Männer- und Waffenbrüderschaft, die sich da anbahnt.


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Kommentare ( 36 )

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Ron
1 Monat her

Kreuzworträtsel: wirbelloses Tier, 4 Buchstaben: WURM, 3 Buchstaben: C*U, wahlweise auch C*U = Unterart in Süddeutschland vorherrschend. Erkennungsmerkmale identisch: Jedenfalls ohne Rückgrat und zu 360° Drehungen fähig.

Werner Brunner
1 Monat her

Das sind doch keine Chamäleons !
Amöben die alles und jeden be – und umschleimen
trifft es , glaube ich , eher !

hansgunther
1 Monat her

Weimer ist halt Journalist, Verleger und Strippenzieher im derzeitigen Medienmachtsystem, ohne jedwede Allüren hier als Kritiker, denn dann doch lieber als Nutznießer zu partizipieren. Das kann nichts werden. Im Übrigen vertritt parallel seine Frau die Medienverlagsinteressen mit der gleichen Intention. Jetzt kann der Gatte noch aus dem Nähkästchen liefern, was, wo, wem und wie was bringt, notfalls ihnen selbst. Alles leicht durchschaubar. Das Sauerländer als fabulierendes Leichtgewicht ist keiner Rede mehr wert, heiße Luft ist echt nicht greifbar. Wenn eine Luftpumpe heißgelaufen ist, kommt eh nix Vernünftiges mehr aus ihr raus. Er wird sich doch keinem Schwergewicht ausliefern, dann doch… Mehr

Ricarda Breit
1 Monat her
Antworten an  hansgunther

Sie haben recht. Als alte Konditor- und Bäckermeisterin erlaube ich mir, da man mir nun an das über lange Zeit Ersparte gehen will, Reisen, von denen ich früher nur geträumt habe. Erst vor kurzem erlebt: Einer meiner früheren Lehrlinge hat mich in seine Wahlheimat Japan eingeladen. Konrad betreibt dort mit seiner Frau eine „Deutsche Bäckerei“ mit nur 3 Stunden Öffnungszeit am frühen Morgen. Dann ist alles verkauft! Alles! Die stehen dort morgens um sechs für frische Semmeln an. Zu Preisen… gütiger Himmel! Schwarzbrot nach deutscher Handwerkskunst ist praktisch sofort ausverkauft. Konzerne, Botschaften, sogar der Palast müssen vorbestellen, weil man einen… Mehr

Ricarda Breit
1 Monat her

Wer geglaubt hat, mit der letzten Bundestagswahl würde sich für uns Deutsche in Deutschland etwas zum Besseren ändern, muss leider erkennen: Wir sind vom Regen unter konsequenter Umgehung der Traufe direkt in die Sch… gerutscht.

Otis.P. Driftwood
1 Monat her

Weimer – ein typischer Konservativer eben. Feige bis zur Selbstaufgabe.

hansgunther
1 Monat her
Antworten an  Otis.P. Driftwood

CDU/CSU ist das anbiedernde Trojanische Pferd an die Linken und Kommunisten. Sie möchten die Fettaugen von der Rote-Grütze-Suppe bei der Wahl noch schnell absaugen, nur um anschließend die Grütze mit den roten Köchen auch noch gemeinsam auszusaufen! Das flaue, geschmacklose Ergebnis müssen dann die Wähler auslöffeln, Brackwassersuppe!

Last edited 1 Monat her by hansgunther
Rob Roy
1 Monat her

Tichys Einblick bzw. die Autoren, die hier schreiben, müssen sich doch nicht zur AfD bekennen.
Aber die verzweifelte Hoffnung, dass sich die Union doch berappeln und auf ihre früheren konservativen Werte zurück besinnen möchte, ist fast schon pathologisch.
Diese alte CDU wird nicht mehr zurückkommen. Sie wurde von den AfD, die nun die alten Werte und Ansichten vertritt, abgelöst. Da beißt die Maus keinen Faden ab.

Schwabenwilli
1 Monat her

Wenn Merz tatsächlich eine ernsthafte Politikwende vorgehabt hätte wäre er nicht mit der SPD eine Koalition eingegangen, sondern hätte eine Minderheitsregierung ohne Brandmauer gemacht.
Merz ist charakterlich, menschlich und intellektuell nicht geeignet den Tanker Deutschland den Merkel und die Ampel Leck geschlagen haben zu reparieren.

Dreiklang
1 Monat her

Die Enttäuschung bei „Tichys Einblick“ über Merz muss schon riesengroß sein, wenn jetzt in dichter Folge, teilweise vom gleichen Kolumnisten mehrfach täglich, Kommentare über Merzens (Nicht)Politik erscheinen. Ich habe schon vor der Wahl 2025 Merz so eingeschätzt, dass er eine Gefahr für Demokratie und Land ist. Mit ihm kann Links-Grün frei durchregieren. Insofern erfüllt er meine Erwartungen durchaus. Ich bin jedoch darüber erstaunt, dass Merz davon ausgeht, dass er als Frühstücksdirektor die nächsten 3 Jahre im Amt bleiben kann. Eine Merkel war stets darauf bedacht, ihre Macht auszuweiten: Opponenten wurden reihenweise ins Abseits geschoben. Ein solcher Machtmensch ist Merz nicht.… Mehr

Last edited 1 Monat her by Dreiklang
Lars Baecker
1 Monat her

Die Wahrscheinlichkeit, dass man, beruft man einen „Journalisten“ aus dem Mainstream zum Minister, einen Konservativen in Amt und Würden bringt, tendiert nahezu gegen null. Ich habe nichts anderes erwartet.

Deutsche
1 Monat her

Die „demokratische Mitte“ scheint heute ein Ort zu sein an dem keinerlei Realität mehr Zutritt hat. Extremisten aller Art und „Homo Molluskus“ vereinigt Euch und verteidigt Eure angeeigneten Fresströge auf Kosten des Landes. Das kann nur im Komplett Bankrott (nicht nur monetär) des Landes gipfeln. Eigentlich ein absolutes Wunder, dass die Politklasse die Enttarnung sämtlicher linker Bullshit Modelle, die sie so eisern praktizieren, so lange verschleppen konnten. Das ist auch nur möglich unter dem Aufbrauchen der letzten Substanz unseres Landes. Siehe Billionen Schuldenaufnahmen und es fehlen immer noch 170 Milliarden. Oder das ständig wachsende Heer der Problem Migranten. Im Netz… Mehr

Kassandra
1 Monat her
Antworten an  Deutsche

Merz steht mitnichten für die politische Mitte. Merz steht weit links – mit den Brandmaurern. Musk hat das lange beschrieben: „…diese selbsternannten Demokraten der Mitte…“ haben die Skala in der Aera Merkel weit nach links verschoben, um sich mittig präsentieren und die aus der Mitte überhaupt erst propagandistisch rechts verorten zu können: https://x.com/elonmusk/status/1519735033950470144 „Wir“ haben ein „linkes“ Übergewicht – und das samt union, und „sie“ gedenken uns so weiter ins Unglück zu stoßen. Unsere Arbeit wird sein, die Skalierung zu berichtigen – um aus zugeschriebenem far right wieder ein just right zu machen. . Nach dem Mord an Charlie Kirks… Mehr

Kassandra
1 Monat her
Antworten an  Kassandra

Gut. Den Islam hat auch er außen vorgelassen. Der ist wohl dort in den USA auch noch nicht ganz präsent wie hier im Abendlande – aber wenn dieser Mamdani tatsächlich Bürgermeister in NewYork würde?