Umfrageergebnisse: Fake Interpretation

Umfragewerte sollten aus methodischen Gründen nicht überinterpretiert werden, empfehlen Fachleute. Journalisten tun exakt das Gegenteil.

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Immer weiter dieselbe Leier. Umfrageergebnisse werden interpretiert, bei denen nichts zu deuten ist. Weil die gezeigten Zahlenveränderungen innerhalb der methodischen Fehlerquote liegen.

Auf Wahlrecht.de steht unmissverständlich: „Bei 1.000 Befragten liegt der statistische Unsicherheitsbereich (Fehlertoleranz) bei ca. 3 % (das heißt, mit 95 %-iger Wahrscheinlichkeit liegt der wahre Wert in einem Intervall von +/− 3 % um dem angegeben Umfragewert. Der Unsicherheitsbereich kann auch durch statistische Tricks nicht mehr verkleinert werden (sondern nur durch mehr Befragte). Umfragewerte sollten daher nicht überinterpretiert werden.”

Das hindert Journalisten mit großer Regelmäßigkeit nicht daran, Veränderungen in Umfrageergebnisse zu interpretieren, die keine Deutung zulassen. Aktuelles Beispiel dpa:

»Moment der Erleichterung für CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer: Die Union ist zurück auf ihrem jahrelangen Stammplatz. Düster sieht es für die SPD aus. Auf Platz drei: die AfD. 

Die Union ist einer neuen Umfrage zufolge wieder stärkste politische Kraft und hat die Grünen auf Platz zwei verdrängt. Im Emnid-Sonntagstrend für die „Bild am Sonntag“ legt die Union um zwei Punkte auf 27 Prozent zu, während die Grünen um zwei Punkte auf 25 Prozent zurückfallen. Die AfD ist mit 14 Prozent (+1 Prozent) drittstärkste Kraft. Die SPD verharrt bei 12 Prozent, die Linke bei 8 Prozent. Die FDP verliert einen Punkt und kommt nun auf 7 Prozent.«

Die Überschrift  zu diesem Text von dpa lautet: „Union wieder stärkste Kraft vor den Grünen.” Text samt Überschrift transportierten zahlreiche Medien – ohne kritischen Kommentar, ohne zu hinterfragen.

Es geht also um Propaganda zugunsten der Union, nicht um Information.

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Kommentare ( 23 )

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23 Comments
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GerdM
4 Jahre her

Ich könnte nur noch Ko…., was für eine Manipulation!

1. Heute Abend bei Lanz: Anna und Robert
2. Heute Artikel in der Welt:
https://www.welt.de/debatte/kommentare/article195772223/Oeffentlich-Rechtliche-Wie-ich-beim-Casting-fuer-die-Talkshow-durchfiel.html

tavor1
4 Jahre her

Ich habe selber mal eine Umfrage in Auftrag gegeben, bei einem der renommierten Institute. Den Wenigsten ist bewußt, daß die Umfrageinstitute ihr Geld vor allem mit Kunden aus der Wirtschaft verdienen, die etwas über das Verhalten von Konsumenten in Erfahrung bringen möchten. Politische Umfragen sind meistens nur Nebengeschäft. Eine Telefonumfrage (rund 1.000 Anrufe) ist nicht nur spottbillig, man kann als Kunde auch die Fragestellung bis ins einzelne festlegen. Insofern – das liegt für mich auf der Hand – sind Umfragen ein probates Mittel, politische Propaganda zu betreiben. Das geht dann so: Institut xy erhält den Auftrag, die Frage zu stellen,… Mehr

W aus der Diaspora
4 Jahre her

Die Wahlumfragen dienen heute doch eh nur noch der Propaganda und nicht der Information. Umfragen, die alle paar Tage erneuert werden (21.,22. und 25.06.) zeigen maximal die Unterschiede der Ersteller, aber nie die Unterschiede im Gesamtvolk.

P.Reinike
4 Jahre her

Das gilt aber immer. Und die hysterischen Überinterpretationen werden nicht aufhören, sondern im Gegenteil hektische Wirkungen im politischen Bereich erzeugen. Dort wird die Wirklickeit nach exakt diesen Meldungen interpretiert und die Konsequenzen gezogen, obwohl das alles eine reine Blase sein kann. Es gilt eben auch hier die normative Kraft des Faktischen, was aber nur wenig mit der Realität zu tun haben muss.

Interessant ist daher die Zustimmungsindex PZI, der einen Querschnitt aus allen Umfragen bildet: CDU/CSU 26,4, Grüne 25,6 und AfD 12,9, Quelle: Dawum)

Edu
4 Jahre her

Interpretation der Interpretation von Umfragerohdaten! Klar, dass Nichtstatistiker das am Ende wohl nicht mehr verstehen und einen entsprechenden Erguss verzapfen.

Danton
4 Jahre her

Es geht bei solchen Umfragen nicht um eine allgemeingültige Erkenntnis. Es geht darum die richtigen oder falschen Fragen zu stellen. Umfragen sind immer manipulativ. Das wissen vor allem die die solche Umfragen machen. Zum einen sind Umfragen nie anonym. Irgendjemand muß ja meine Telefonnummer kennen, oder mich ansprechen. Zum anderen kann man abschätzen mit welchem Milieu man es hier oder dort zu tun hat. 1000 Befragte über die bedingungslose Grundrente werden in Berlin anderster antworten wie die selbe Anzahl Befragter in Frankfurt. Man kann über Umfragen also gar nicht diskutieren, sondern nur Gegenumfragen machen. Beispiel: Befragung 1000 Inuit Indianer Alaskas,… Mehr

schukow
4 Jahre her
Antworten an  Danton

Die Süddeutsche würde erst einmal die Eisbären befragen….

H. Priess
4 Jahre her

Mit irgendwas müssen die Schreiberlinge ja ihre Zeilen füllen, die wollen schließlich auch leben. Statistiken bieten sich natürlich dafür an und wer halbwegs Intellegent ist schafft es aus einer nebensächlichen Informatione einen Leitartikel zu basteln. Schön zu lesen immer wieder in Die Welt wo der Berg kreißt und eine Maus gebiert. Kommentare mit Null-Informationen die nicht mal in die Nähe neuer Gedanken oder Sichtweisen kommen bzw. der Kommentator selbst das Bemühen vermissen läßt. Dazu kommt der alte Spruch der Churchill angedichtet wird wegen der eigenen Statistiken die man selbst gefälscht hat. In diesen wird mit Prozentzahlen hantiert die entweder in… Mehr

Rainer Neuhaus
4 Jahre her

Sieht man auch daran, dass mit gleichem Datum die aktuelle Umfrage von Forsa das umgekehrte Ergebnis zeigt. CDU = 24 % ; GRÜNE = 27 %

Tesla
4 Jahre her

„Das hindert Journalisten mit großer Regelmäßigkeit nicht daran, Veränderungen in Umfrageergebnisse zu interpretieren, die keine Deutung zulassen. (…) – ohne kritischen Kommentar, ohne zu hinterfragen. Es geht also um Propaganda zugunsten der Union, nicht um Information.“

Diese Journalisten sind ja auch keine Journalisten mehr, sondern Aktivisten, die ihrer eigenen pol. Agenda folgen. Das zieht sich durch deren gesamte Berichterstattung, nicht nur in der „Interpretation“ von Umfrageergebnissen.

Michael Sander
4 Jahre her

Business as usual.