Schäuble bereitet nächsten Angriff auf die Meinungsfreiheit vor

Der Ruf nach weiteren gesetzlichen Regelungen, die genau einen solchen Eingriff in das Grundrecht der Meinungsfreiheit darstellen würden und die Gefahr einer Selbstzensur begründeten, passt perfekt in das Bild der CDU/CSU von heute.

„Digitales Vermummungsverbot“. Schon dieser Teil der Überschrift in einem auf „Spiegel Online“ erschienenen Artikel deutet auf eine Bereitschaft des Magazins hin, die verfassungsgemäße Ausübung von Grundrechten zu kriminalisieren. Denn nach § 17a Versammlungsgesetz ist es verboten, „in einer Aufmachung, die geeignet und den Umständen nach darauf gerichtet ist, die Feststellung der Identität zu verhindern, an öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel, Aufzügen oder sonstigen öffentlichen Veranstaltungen unter freiem Himmel oder auf dem Weg dorthin, teilzunehmen“. Die anonyme Meinungsäußerung hingegen ist von der Verfassung geschützt. Und so etwas liest man ausgerechnet in der Zeitschrift, deren wehrhafter Einsatz für die Meinungs- und Pressefreiheit („Spiegel-Affäre“) prägend für das Verständnis der Grundrechte in unserer Republik war. Der Artikel befasst sich mit dem Anliegen von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU), Klarnamen im Netz durchzusetzen.

“Wer seine Meinung äußert, sollte auch dazu stehen können”, sagte Bundestagspräsident Schäuble dem „Spiegel“.

Und: “Für eine offene Gesellschaft ist es schwer erträglich, wenn sich die Menschen bei Debatten im Internet nicht offen gegenübertreten.“

Wieso eigentlich? Die Einlassungen von Schäuble erschöpfen sich in populistischen Floskeln, die zu nichts anderem führen sollen, als zu einem weiteren eklatanten Grundrechtseingriff. Als treibende Kraft hinter dem NetzDG hat die Union schließlich einen Ruf zu verteidigen.

Dass die Anonymität kein Schutzschild für die Begehung von (strafbaren) Äußerungsdelikten sein darf, entspricht dem kleinen 1×1 rechtsstaatlicher Selbstverständlichkeiten. Dass der Inhaber des zweithöchsten Staatsamtes aber derart mit der Verfassung auf Kriegsfuß steht, ist Grund genug für die Aufforderung an ihn, von weiteren Versuchen, an der Gestaltung unserer Rechtsordnung teilzunehmen, abzusehen.

Der Bundesgerichtshof hat schon 2009 (VI ZR 196/08) entschieden:

„Eine Beschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit auf Äußerungen, die einem bestimmten Individuum zugeordnet werden können, ist mit Art. 5 Absatz 1 Satz 1 GG nicht vereinbar. Die Verpflichtung, sich namentlich zu einer bestimmten Meinung zu bekennen, würde..die Gefahr begründen, dass der Einzelne aus Furcht vor Repressalien oder sonstigen negativen Auswirkungen sich dahingehend entscheidet, seine Meinung nicht zu äußern. Dieser Gefahr der Selbstzensur soll durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung entgegengewirkt werden.“

Der Ruf nach weiteren gesetzlichen Regelungen, die genau einen solchen Eingriff in das Grundrecht der Meinungsfreiheit darstellen würden und die Gefahr einer Selbstzensur begründeten, passt perfekt in das Bild der CDU/CSU von heute. Es ist ein weiterer Angriff auf die sozialen Medien. Denn der dort herrschende, häufig raue, manchmal rechtswidrige, in jedem Fall aber freie Diskurs wird von der Union weiter bekämpft. Das ebenso verfassungswidrige wie in der Umsetzung komplett gescheiterte NetzDG war der größte Flop der letzten Legislaturperiode, vergl. meine Stellungnahme an den Ausschuß für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages.

Das hielt den ansonsten eher unbekannten CDU-Abgeordneten Carsten Müller (sein Wikipedia-Eintrag ist eher von Ämternennungen als Leistungen geprägt) jedoch nicht davon ab, am 16.05.2019 im Bundestag wahre Lobpreisungen auf das NetzDG zu äußern („Die CDU/CSU will wirkliche Freiheit im Internet“), die man hören und sehen muss, da man es sonst kaum glauben kann. Ob Müller vielleicht einfach nur mal in die „heute-show“ wollte?

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Kommentare ( 160 )

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brdkultur
4 Jahre her

…ab einem Alter von 70 Jahren, sollten diese alte Politiker sich ein anderes Hobby suchen, und den Jüngeren Platz machen. Man weis ja wie das ist, wenn alte Menschen keine andere Meinung mehr zulassen, als die ihrige! Dann wird´s Zeit zu gehen…

Konservativ_DasGuteBewahren
4 Jahre her

So ein eindeutiger Patriot wie Präsident Trump fehlt in Deutschland in der Politik. Jemand, der es gut meint mit unserer Wirtschaft, unseren Bürgern und der unsere gutbezahlten Jobs vor dem Weggang nach China schützt ! „Donald Trump is somebody that thinks outside the box, and he comes from outside the swamp. He is a disruptor. He is someone who looks at a situation and thinks ten different ways of how it should be handled,” Guilfoyle said. “He’s an innovator, he’s an entrepreneur, he’s a patriot, he could’ve been doing anything else with his life, but he went all in on… Mehr

jkelsh
4 Jahre her

Herr Schäuble sollte zurücktreten…..

Hadrian17
4 Jahre her
Antworten an  jkelsh

Schäuble müsste nach dieser Äußerung ebenso behutsam wie zwingend nahegelegt werden, seine politischen Ämter niederzulegen und sich in den Ruhestand zu verabschieden.

Genug ist genug.

So geht es nicht.

Roland Mueller
4 Jahre her

Der Herr Müller wollte wohl eher in die Muppets-Show.

Boudicca
4 Jahre her

Er ist und bleibt der treueste Paladin der Kanzlerin.

ClaudiaR
4 Jahre her

Früher hätte ich wenig Bedenken gehabt, meinen Klarnamen preiszugeben. In Zeiten von Antifa, Indymedia und Jobvergabe nach Gesinnung ist mein Schutz und der meiner Familie wichtiger.

Fawlty
4 Jahre her

Der wichtigste Punkt ist meines Erachtens ein anderer: jede unter Klarnamen getätigtre Meinungsäußerung ist auf Jahre, oft dauerhaft im Internet zu sehen. Wer wie ich einen seltenen Namen hat, ist also in all seinen getätigten Meinungsäusserungen, den Portalen, auf denen das geschieht, und den Uhrzeiten („warst du gestern um 2.00 noch auf???“) für Partner, Freunde, Feinde, Familie, Arbeitgeber, die gesamte Welt (!!!) verfolgbar und profilierbar.
Mit steht der Mund offen ob a) der Neuland-Naivität oder b) der demokratiefeindlichen Perfidie unseres BTP.

francomacorisano
4 Jahre her

Ich hätte normalerweise kein Problem damit, hier meinen echten Namen zu nennen, denn ich schreibe nichts was rechtlich unzulässig ist. ABER leider muss ich dann Angst haben, dass die staatlich alimentiere AntiFa mir anschließend die Fensterscheiben einwirft oder mein Auto abfackelt… 🙁

GUMBACH
4 Jahre her

Die Wahrheit wird sich ihren Weg bahnen. Dann eben über Thor-Browser und Darknet. Von den chinesischen Dissidenten lernen heißt zudem, zu lernen, wie man einer diktatorischen Macht ein Schnippchen schlägt. Noch sind wir nicht soweit, noch. Btw, mich wundert, dass Tichys Einblick nicht längst eine .com-Adresse hat. Das kann irgendwann sehr schnell gehen.

Struwwelpeter
4 Jahre her

Absolut inakzeptabel. Wenn ich mich nur mit Klarnamen zu irgendeinem Vorgang in China (laenger dort gelebt) aeussern darf, wuerden damit Verwandte und Freunde in Gefahr geraten. Sozusagen Sippenhaft. Gibt’s hier nicht? Wir wissen wo Du wohnst!
Ach, Herr Schaeuble…