Grimms Märchenwald wird abgeholzt

Das ging auffallend schnell: Genehmigung erteilt, Motorsägen dürfen anrücken. Die uralten Bäume im Reinhardswald nördlich von Kassel können gefällt werden. 'Naturschutzverbände' stehen hinter dieser gigantischen Naturzerstörung.

IMAGO / Jochen Tack

Mehr Naturfrevel geht kaum: 18 Windräder mit 241 Meter Höhe dürfen in den Reinhardswald in Nordhessen gebaut werden. Das Regierungspräsidium Kassel hat jetzt endgültig Errichtung und Betrieb der Windindustrieanlagen im Forstgutsbezirk Reinhardswald genehmigt. Genehmigt wurde auch der Bau von autobahnähnlichen Zufahrtswegen für die Schwerlastwagen, die die Einzelteile auf die Höhenzüge transportieren sollen.

Von 690 Einwendungen von 736 Einwändern gegen den Bau des größten Windindustrieprojektes spricht das Regierungspräsidium Kassel. Tatsächlich gingen im langen Verlauf insgesamt mehr als 47.000 Stellungnahmen ein – sie wurden alle schnell von CDU und Grünen in Hessen beiseite gewischt oder flogen wohl direkt in die Papierkörbe. Der Wald gehört dem Land, das kann mehr oder weniger damit machen, was die Politik will. Geändert wurde jedenfalls nichts an dem wahnwitzigen Zerstörungsprogramm Nordhessens.

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Vor allem das Regierungspräsidium Kassel beeilte sich, die schöne nordhessische Mittelgebirgslandschaft mit Windrädern zu zerstören. Das wundert nicht, denn die EAM GmbH in Dillenburg holzt jetzt den Wald ab und baut die Windräder. Die gehört wiederum zwölf Landkreisen und der Stadt Göttingen. Funktionäre der Kommunen und Landkreise entscheiden über sich selbst, dass sie den Reinhardswald zerstören dürfen. Widerspruch war also nicht zu erwarten. Der Politik blinken die Dollarzeichen aus den Augen.

Die Pläne für die Zerstörung der Landschaft reichen schon weit zurück. Erstmals im Frühjahr 2013 wurden sie offen ausgelegt, um, wie seinerzeit das Regierungspräsidium Kassel heuchelte, »Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen, Kommunen und Verwaltungen und andere Institutionen zu beteiligen«. Die Entscheidung allerdings stand schon längst fest: Auf die Höhenzüge kommen Windräder. »Gerade das Regierungspräsidium Kassel ist bemüht, dass im rechtlichen, naturfachlichen wie sachlichen Abwägungsprozess der Windenergie als eine der Energieerzeugungsformen Raum eingeräumt wird«, lautet die offizielle Doktrin. »In Anlehnung an den Teilregionalplan Energie und an das Bundesimmissionsschutzgesetz wurden für das Gebiet des Regierungsbezirks etliche Windenergieanlagen genehmigt, die schon heute eine beträchtliche Strommenge produzieren.« Wenn der Wind weht, wurde vergessen hinzuzufügen.

Trotz zehntausender Einsprüche gegen die Windkraftpläne des Landes hat im Oktober 2016 das Kabinett in der Landeshauptstadt Wiesbaden dem von der Regionalversammlung Nordhessen beschlossenen Teilregionalplan Energie »nach gründlicher Prüfung« zugestimmt, wie der grüne Wirtschafts- und Energieminister Tarek Al-Wazir stolz verkündete.

Eine besonders prekäre Rolle nahm der frühere, im Jahr 2019 in seinem Wohnhaus in Istha erschossene Regierungspräsident Walter Lübcke ein. Er sah den Reinhardswald im Norden Hessens als Top-Windstromzone an; das führte schon früh zu einer »Goldgräberstimmung«, wie Lübcke früher lobte. Er verdiente selbst als Geschäftsführer eines Windanlagenunternehmens an Windrädern und phantasierte einst sogar von einem Windstromland Nordhessen mit bis zu 1.000 Windrädern, die 150, 200 Meter hoch in den Himmel zwischen die Diemelsee und Rhön ragen. Windkraftanlagen seien hervorragend, so Lübcke in einem Zeitungsartikel, sein Schwiegervater könne damit ohne Arbeit Geld verdienen.

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Lübcke hat diesen Posten erst aufgegeben, als ihm ein Verstoß gegen das Neutralitätsgebot vorgeworfen wurde. René Rock, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Hessischen Landtag, warf seinerzeit Lübcke mangelnde Neutralität vor. Rock damals: »Herr Lübcke ist als Präsident des Regierungspräsidiums Kassel Chef der Behörde, die die Flächen für Windkraftanlagen plant, die Genehmigungen erteilt und Auflagen festlegt. Als solcher muss er sich an das staatliche Neutralitätsgebot halten und streng Recht und Gesetz beachten. Wer aber so redet wie Herr Lübcke und beispielsweise naturschutzrechtlich klar definierte Einschränkungen für Windindustrieanlagen abtut und sich zeitgleich öffentlich darüber freut, dass er privat viel Geld mit dem Ausbau der Windkraft verdient, der sollte nicht über die Genehmigung von Windkraftanlagen entscheiden dürfen.«

Lübcke wies die FDP-Vorwürfe seinerzeit pauschal zurück, ebenso wie die vielen Einsprüche der Bewohner Nordhessens gegen die Windpläne. Er selbst war nicht mehr Geschäftsführer der Windkraft Bründersen-Istha Verwaltungs GmbH, Wolfhagen, nachdem er Regierungspräsident wurde. Der damalige SPD-Landtagsabgeordnete Manfred Görig rief ihm seinerzeit herzerfrischend zu: »Walter Lübcke gehört zu den wenigen Unionspolitikern, die der Windkraft positiv gegenüber stehen, schließlich hat er als Geschäftsführender Gesellschafter der Windkraft Bründersen-Istha GmbH & Co. KG in Wolfhagen reichlich Erfahrung vorzuweisen. Insofern hoffen wir, dass er dazu beiträgt, das Potential der Erneuerbaren Energien zu nutzen.«

Als alles andere als Naturschutzverbände haben sich NABU und BUND erwiesen; sie haben sich vielmehr zu Naturzerstörern gewandelt. Sie stehen hinter dieser gigantischen Naturzerstörung, wollen die Windräder in den Wäldern und lassen den kommenden tausendfachen Vogelmord zu. Sie haben damit jede Berechtigung verloren, jemals wieder ihre Stimme gegen Naturzerstörung zu erheben. Das Wort »Vogelschutz« aus deren Mund ist geheuchelt. Das hätten sich die grünen Gründer wohl nie träumen lassen, dass sie sich dermaleinst vor der Geschichte als die wahren Naturzerstörer verantworten müssen.

Der märchenhafte Reinhardswald war Inspirationsquell der Brüder Grimm. Vom Turm der Trendelburg ließ Rapunzel ihr goldenes Haar herunter, die Sababurg war Schloss von Dornröschen. Heute findet Hans sein Glück nicht mehr wie früher im Reinhardswald, sondern stößt auf Windräder.

Die Märchensammler Brüder Grimm lebten 30 Jahre lang in Kassel; zahlreiche ihrer bekannten Märchen spielen oft im Wald, im tiefen, dunklen Reinhardswald. Der Unterschied: Im Märchen gewinnt das Gute. Wenn etwa Esel, Hund und Katze altersschwach von ihren Höfen weggejagt werden, müssen sie auf ihrem Weg nach Bremen durch den Wald gehen. Dort entwickeln sie ungeahnte Kräfte, um Gefahren zu überwinden. Wenn Kinder im Wald ausgesetzt werden, müssen sie das Böse überwinden. Im Märchen besiegen sie sogar die böse alte Hexe. Doch die ist heute grün.

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Kommentare ( 91 )

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nordlicht2000
2 Jahre her

Falls es in den Köpfen von bestimmten politischen Menschen noch nicht angekommenn sein sollte: Wir müssen, wenn wir dieses Deseaster von praktizierter Weltzerstörung überleben wollen, der Erde mehr zurückgeben als wir brauchen und nehmen. Nur wenn wir unserer Erde mehr zurückgeben als wir nehmen, können wir sie vor dem Untergang bewahren. Das schöne Wirtschaftsmärchen vom „Wachstum“ ist vorbei, die Zukunft ist „Achtsamkeit, Beschiedenheit und Rücksichtnahme im Umgang mit vorhandenen Resourcen“. Solange das in den Köpfen von Menschen nicht angekommen ist, können wir uns getrost von der Erde verabschieden, denn der Weg des Raubbaus und der Plünderung führt unausweichlich in den… Mehr

Stefferl
2 Jahre her

Interessant ist der Teil zu Walter Lübcke. Wenn man sich die Arroganz und Überheblichkeit ansieht, mit der er andere herablassend behandelt, dann kann man sich lebhaft die Podiumsdiskussion vorstellen, auf der er migrationskritische Bürger abgekanzelt hat. Sein Kommentar war, daß diese doch ihr (eigenes Heimat-) Land verlassen könnten, wenn ihnen die Migrationspolitik nicht gefalle. Natürlich rechtfertigt ein solches Verhalten die spätere Tat nicht.

Liz Schmidt
2 Jahre her

Wann stoppt endlich Jemand die irren Kriminellen?

Liz Schmidt
2 Jahre her

§ 330 Strafgesetzbuch Besonders schwerer Fall einer Umweltstraftat (1) 1In besonders schweren Fällen wird eine vorsätzliche Tat nach den §§ 324 bis 329 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. 2Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter  1.  ein Gewässer, den Boden oder ein Schutzgebiet im Sinne des § 329 Abs. 3 derart beeinträchtigt, daß die Beeinträchtigung nicht, nur mit außerordentlichem Aufwand oder erst nach längerer Zeit beseitigt werden kann,  2.  die öffentliche Wasserversorgung gefährdet,  3.  einen Bestand von Tieren oder Pflanzen einer streng geschützten Art nachhaltig schädigt oder  4.  aus Gewinnsucht handelt. (2) Wer durch… Mehr

Liz Schmidt
2 Jahre her

§ 329 Strafgesetzbuch Gefährdung schutzbedürftiger Gebiete (1) 1Wer entgegen einer auf Grund des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassenen Rechtsverordnung über ein Gebiet, das eines besonderen Schutzes vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen oder Geräusche bedarf oder in dem während austauscharmer Wetterlagen ein starkes Anwachsen schädlicher Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen zu befürchten ist, Anlagen innerhalb des Gebiets betreibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. 2Ebenso wird bestraft, wer innerhalb eines solchen Gebiets Anlagen entgegen einer vollziehbaren Anordnung betreibt, die auf Grund einer in Satz 1 bezeichneten Rechtsverordnung ergangen ist. 3Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Kraftfahrzeuge, Schienen-, Luft- oder… Mehr

caesar4441
2 Jahre her

Wir brauchen keine Märchen mehr von Grimm ,heute tischt uns die Regierung täglich die unglaublichsten Märchen auf.Und dafür brauchen wir bloß Steuern zu zahlen.

Rob Roy
2 Jahre her

Viele haben immer noch nicht begriffen, dass die Grünen keine Umweltschutzpartei sind. Den Titel „Friedenspartei“ haben sie spätestens 2001 abgegeben, als sie für den Afghanistan-Krieg stimmten. Und 2011 haben sie Merkel für ihre autoritäre Entscheidung zum Atomausstieg bejubelt.
Inzwischen sind sie eine „Klimapartei“. Und für die Rettung des Klima hat alles andere zurückzustehen. Selbst die Natur.
„Es war nötig, die Erde zu zerstören, um sie zu retten.“

kasimir
2 Jahre her

@aelterer Herr: Ausgleichsflächen mit angebauten Monokulturen können niemals die Rodung eines 150-200 Jahre alten Mischwaldes ausgleichen, das sollte klar sein…

Regenpfeifer
2 Jahre her

Grüne, NABU und BUND vereinigt darin, ein Naturschutzgebiet im Dienste des Greenwashing-Kapitalismus platt zu machen -das kannste dir nicht schlechter ausdenken..

fatherted
2 Jahre her

mal sehen ob sich die Antifanten aus dem Hambacher Forst auch im Reinhardswald auf den Bäumen festketten und die Polizei mit Fäkalien bewerfern…..wahrscheinlich nicht….denn die Weisung von rot/grün wird anders sein….zur Zeit dürfen sich die „Aktivisten“ nur auf Autobahnen und Hauptverkehrsstraßen „festkleben“ um damit kilometerlange Staus zu erzeugen….die Abholzung im Reinhardswald folgt ja einer „besseren Idee“….da muss man nicht auf die Bäume….es finden sich andere „Betätigungsfelder“.

AlexR
2 Jahre her
Antworten an  fatherted

Völlig richtig! Die GrünInnen sind unwählbsr. Es ist eine Sekte!