Barmherzigkeit und Machtbewusstsein: Zum Tod von Papst Franziskus

Mit 88 Jahren ist Papst Franziskus am Morgen des Ostermontag verstorben. 12 Jahre lang diente er der Katholischen Kirche als ihr Oberhaupt – ein von Ambivalenz und Widersprüchlichkeiten gekennzeichnetes Pontifikat.

picture alliance / Hans Lucas | Alessia Giuliani

Der Osterjubel ist noch nicht verklungen, als Kardinal Kevin Farrell am Vormittag des Ostermontags im Vatikan vor die Kameras tritt: Um 7.35 Uhr, so der Camerlengo, der Kämmerer des Papstes, sei „der Bischof von Rom, Franziskus, in das Haus des Vaters zurückgekehrt“. „Sein ganzes Leben war dem Dienst an Gott und seiner Kirche gewidmet. Er hat uns gelehrt, die Werte des Evangeliums mit Treue, Mut und universeller Liebe zu leben, besonders zugunsten der Ärmsten und Ausgegrenzten“, so Ferell über den ersten Argentinier auf dem Stuhl Petri, der das höchste Amt der katholischen Kirche seit 2013 innehatte.

Der Tod des 88-jährigen Kirchenoberhaupts so kurz nach den Osterfeierlichkeiten kommt überraschend: Zwar war er Mitte Februar aufgrund einer beidseitigen Lungenentzündung ins Krankenhaus eingeliefert worden, was Spekulationen über seinen baldigen Tod beförderte.

Allerdings erholte sich der Papst noch einmal, und konnte die Gemelli-Klinik am 23. März nach fünf Wochen stationärer Behandlung wieder verlassen. Am Ostersonntag noch empfing er den US-Vizepräsidenten JD Vance zu einer kurzen Audienz, und spendete den Gläubigen auf dem Petersplatz und weltweit den besonderen päpstlichen Segen Urbi et Orbi, „der Stadt und dem Erdkreis“. Seine Osterbotschaft, in der er Frieden anmahnte, und an die politischen Verantwortungsträger appellierte, „nicht der Logik der Angst nachzugeben“, sondern an der Zukunft zu bauen, musste er indes verlesen lassen.

Fast genau 12 Jahre stand der Jesuit der katholischen Kirche vor. Ein komplexes und kontroverses Pontifikat, das von Widersprüchen gekennzeichnet war. Ausgerechnet er, der „Pontifex“, wörtlich „Brückenbauer“, hinterlässt der katholischen Kirche Gräben, deren Überwindung nun seinem Nachfolger obliegt.

So zeichnete er sich unter anderem durch die Diskrepanz zwischen pastoralen Forderungen und konkretem Handeln aus: Die Rede von Barmherzigkeit, eines der zentralen Themen seines Pontifikats, stand zuweilen in starkem Kontrast zu maßregelnden Predigten oder Demütigungen, mit denen er Würdenträger bedachte, die er als Gegner ansah.

Sein Anliegen der „Synodalität“, den Versuch, innerhalb der Kirche gemeinschaftliche Beratung und Entscheidung zu kultivieren, konterkarierte er selbst, wenn er Eingaben von Kardinälen, sogenannte „Dubia“, ignorierte, oder unversöhnlich gegen Anhänger der vorkonziliaren Liturgie vorging – ausgerechnet nachdem sein Vorgänger Benedikt XVI. Maßnahmen ergriffen hatte, um Ghettobildung in traditionellen Milieus zu verhindern, und im Sinne einer „Hermeneutik der Kontinuität“ für Ausgleich zu sorgen. Die Tendenz, sein Pontifikat als Gegenpol und Gegenteil der Amtszeit Benedikts XVI. darzustellen, wurde durch derartiges Vorgehen bestärkt, ebenso Lagerbildung und Polarisierung. Die vatikanische Diplomatie gegenüber China zog ebenso Kritik auf sich wie der Umgang mit Missbrauchstätern, insbesondere im Fall seines Ordensbruders Marko Rupnik: Themen, die außerhalb der Kirche oft unter der Wahrnehmungsschwelle blieben, unter Gläubige aber für Diskussionsstoff sorgten.

Es liegt eine gewisse Tragik darin, dass in diesen Konflikten das Verhalten des Papstes und die öffentliche Rezeption oft eine ungünstige Dynamik entwickelten: Was hat der Papst gesagt, und was hat er gemeint? Welche seiner Aussagen werden aufgegriffen, und welche werden übersehen? Angesichts seiner oft spontanen und gern saloppen Äußerungen ließ sich häufig nicht feststellen, ob Unklarheiten und Missverständnisse auf seinen Aussagen oder auf selektiver Wahrnehmung derselben beruhten. Die Kontroversen, die so hervorgerufen wurden, verunsicherten viele Gläubige und sorgten für Verwirrung.

Schnell etwa war in der deutschen Presse ausgemacht, dass dieser Südamerikaner so ganz anders sein müsse als sein als „Panzerkardinal“ verschriener bayerischer Vorgänger. Er hatte sein Pontifikat schließlich mit einer ganzen Reihe an Brüchen mit Traditionen und Protokoll begonnen. Das fing bei der Namenswahl Jorge Bergoglios an, der sich zum ersten Papst seines Namens machte, statt dem Brauch gemäß den Namen eines Vorgängers auszuwählen, und hörte bei der Weigerung, rote Schuhe zu tragen oder im Apostolischen Palast zu wohnen, noch lange nicht auf. Was man entweder als eigenmächtig-ignorant oder als sympathisch-unkonventionell hätte interpretieren können, wurde kurzerhand als Reformwille ausgelegt; in der Folge wurde Franziskus insbesondere in der notorisch gegen das Lehramt opponierenden Kirche in Deutschland zur Projektionsfläche für allerlei Reformpläne.

Selbst klare Worte des Papstes gegen solche Vorhaben konnten am nun etablierten Narrativ kaum rütteln. Es brauchte viele Jahre, einen am Ende steckengebliebenen deutschen „synodalen“ Sonderweg, und eine Weltkirche, die ungläubig registrierte, wie weit sich deutsche Katholiken von der Weltkirche entfernt hatten, um die Hoffnungen zu dämpfen; und irgendwann dämmerte selbst der säkularen Presse, dass Franziskus nicht der war, zu dem sie ihn hatte stilisieren wollen.

Dabei hätten aufmerksame Beobachter bereits erkennen können, dass hier eine Priorität zum Zuge kommen würde, die er von Beginn an deutlich gemacht hatte: Die „Peripherie“ der Kirche. Nicht die selbstbewussten und einflussreichen Katholiken des Westens sollten in der Kirche den Ton angeben! Bewusst legten Franziskus‘ Kardinalsernennungen den Fokus auf teils unbekannte Bischöfe von Diözesen, die weit vom Zentrum der Kirche entfernt liegen. Auch hier war der Argentinier dazu bereit, vor den Kopf zu stoßen, manche zu enttäuschen, andere zu überraschen.

Die Weltkirche praktisch erfahrbar zu machen und zusammenzubringen, den Fokus weg von den europäischen Katholiken hin auf die Bedürfnisse der Kirche „an den Rändern“ zu richten; der Einsatz für die Armen, und, nicht zu vergessen, der Einsatz für die Wehrlosesten und Schwächsten, die Ungeborenen; das Festhalten am Ruf nach Frieden, ob opportun oder nicht: Es sind jene Themen, bei denen Papst Franziskus keine Ambivalenz duldete oder nährte.



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Kommentare ( 70 )

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Sandkorn
15 Tage her

„Spritzen ist Liebe“ -sprach er und fuhr zur Hölle.

h.milde
15 Tage her

Ich weiß leider zu wenig über die vielen anderen „Papabile“, aber mir hat sich auch ein deutscher Kardinal positiv dargestellt, der wie Vigano offen Bergoglio kritisierte, ua. wegen dessen Sympathien & Werbung für die „Coronamaßnahen“ & multitoxischen „Gen-Impfungen“ á la Pfizer & €UdSSR-Pharma-Mafia-Uschi-Lauterbach & Anbiederung an den „Zeitgeist“, man könnte dazu auch „Diabolos“, „Durcheinanderbringer“, sagen

Siggi
15 Tage her

Eine Autopsie ist wohl überflüssig. Bei dem vielen Zucker der ihm von den Qualätsmedien in den Allerwertesten geblasen wird, dürfte das Ergebnis verfälscht sein.

lexus1
15 Tage her

Ich werde ihn in Erinnerung behalten als den Papst, der „Impfung“ mit „Nächstenliebe“ gleichsetzte.

gladius
15 Tage her

Es erscheint notwendig, dass nach diesem linksgrün verirrten Menschen wieder ein konservativer Katholik das Pontifikat innehat. Hoffen wir das Beste.

U.S.
15 Tage her

Germanisthan benötigt dringendst weitaus mehr illegale einreisende Fachkräfte für Gewalt , aus Afrika, der Maghreb Region, – mindestens 50 Millionen Afrikaner jährlich – plus 50 Millionen jährlich islamistische Fachkräfte aus Syrien, Afghanistan, Irak, ….

Der nächste Pabst muss dies der deutschen schwarz- roten Regierung klar-machen.

Laurenz
15 Tage her

Ihre Beschreibung, Frau Diouf, paßt gut auf eine schon immer gescheiterte Sekte. Nach 1.800 Jahren völligem Versagen wird es auch Zeit für die Katholische Kirche, zu gehen.

Barbarossa
15 Tage her
Antworten an  Laurenz

Schoen auf den Punkt gebracht: Von Liebe faseln und keiner Konfrontation ausweichen, „gebet den Armen“ und immense Reichtuemer ansammeln, Barmherzigkeit einfordern und kleine Jungs vernaschen, ja, ein toller Verein ist das!

Hueckfried69
15 Tage her

Er kann kein guter Papst gewesen sein, da ihn das Schicksal des Plebs mehr anrührte als dasjenige deutscher lifestylelinker Herz-Jesu- Emanzen. Ja wo kommen wir denn dahin?

hassoxyz
15 Tage her

Durchschnittlicher Artikel. Heute auf reitschuster.de und apollo-news gibt es wesentlich bessere über Franziskus. Sehr lesenswert.

Laurenz
15 Tage her
Antworten an  hassoxyz

Dem großen Papst Bonifaz VIII werden folgende Aussagen nachgesagt. „Geschlechtsverkehr und die Befriedigung der Naturtriebe ist so wenig ein Vergehen wie Händewaschen“; „Paradies und Hölle gibt es nur in dieser Welt, nicht im Jenseits; wer gesund, reich und glücklich ist, hat das Paradies auf Erden“; „Alle drei Religionen und besonders das Christentum enthalten neben Wahrem viel Falsches. Die christliche Wahrheit ist, dass ein Gott existiert, dagegen ist die Reihe des Unwahren lang, sie schließt Dreieinigkeit, jungfräuliche Geburt, Menschwerdung Christi, die Verwandlung von Brot und Wein in den Leib Christi und die Auferstehung der Toten mit ein.“ „Welchen Reichtum beschert uns… Mehr

Rasparis
15 Tage her

Ja, ja – „die Armen und Ausgegrenzten“ – immer dieselbe Platte. Wie viel eigenes Vermoegen hat diese katholische Amtskirche, immer noch eine der reichsten Unternehmungen der Welt, unter dem Pontifikat dieses Bolschewisten-„Papstes“ denn fuer die „Armen und Ausgegrenzten“ geopfert ? Tatsaechlich hat diese Kirche mit den Parolen des Seigniore Bergoglio im Stil von Don Corleone die „Armen und Ausgrenzten“ zu Millionen nach „€U“ropa -Schwerpunkt die „allerbeste Demokratie aller Zeiten“- gelockt, zehntausenden den Tod gebracht und durch dieses Verbrechen zigfache Milliardenbetraege in die Taschen der kirchlichen Sozialindustrie umgeleitet. Die Zerstoerung Europas durch kirchlichen Ablasshandel, die Uebergaenge zu NGO’s und Kommunismus sind… Mehr