Tichys Einblick
Erst Dortmund, nun Hamburg

In Hamburg demonstrieren Tausende radikale Muslime gegen eine Koranverbrennung

Es ist ein Ausbruch des radikalen Islam: Sie beklagen eine wachsende Islamfeindlichkeit in Westeuropa. Aber mit ihren Forderungen bestätigen die Veranstalter genau die Befürchtungen vieler Bürger.

Screenprint: ZDF/heute express

Ihr Mittagsgebet sollten die Teilnehmer vorher erledigen, um zur rechten Zeit am Ort der Kundgebung erscheinen zu können. So kann man es noch im Online-Auftritt der Organisatoren nachlesen. Und: Jeder der Teilnehmer sollte einen Koran mitbringen, selbst Photos machen und sie in sozialen Medien teilen. Im Vorfeld sollten sie den Aufruf zur Kundgebung möglichst oft teilen, „damit es jeder mitbekommt“. Die Anfahrt sei mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder in Fahrgemeinschaften zu organisieren, weil man von Parkplatzknappheit ausging. Angesagt waren 4.000 bis 6.000 Demonstranten. Am Ende kamen nach Angaben der Polizei „nur“ 3.500 auf den Hamburger Steindamm. Der Verfassungsschutz warnte vor der Teilnahme und vor der veranstaltenden Gruppe „Muslim Interaktiv“.

Der Anlass der Veranstaltung: In Stockholm hatte der dänische Einwanderungs- und Islamgegner Rasmus Paludan einen Koran verbrannt, was auch als Statement im Streit um die Nato-Mitgliedschaft Schwedens gelesen wurde, der sich derzeit noch die Türkei entgegenstellt. Erdogan reagierte so auch auf neue Koranverbrennung, der viele andere in dem skandinavischen Land vorausgingen. Der schwedische Außenminister Tobias Billström bestand auf der Meinungsfreiheit für sein Land. Der Schwedendemokrat und Vorsitzende des Justizausschusses Richard Jomshof ging noch etwas weiter, bekundete zwar, dass man so etwas nicht tun sollte: „Aber man darf es tun, und wenn es sie aufregt, dann zündet noch 100 weitere an.“ Man kann das auch so übersetzen: Es geht ums Prinzip.

Und darum geht es in der Tat. Verneint man das Recht auf Mohammed-Karikaturen, dann verneint man das Recht auf freie Meinungsäußerung im Zeitalter eines wachsenden islamischen Einflusses in Mittel-, West- und Nord-, zuletzt auch Südeuropa. Die Hamburger Demonstration stand unter dem Motto „Der Koran ist die Zukunft“ bzw. „Die Zukunft gehört dem Qur’an“. Auf anderen Schildern und Transparenten hieß es „Der Qur’an ist unsere rote Linie“, „Stoppt die Islamhetze“ und „Allah erhebt Leute mit diesem Buch und erniedrigt andere“.

„Umsetzung und Praktizierung des gesamten Qur’an in allen Lebensbereichen“

Die Gruppe „Muslim Interaktiv“, die im März 2020 gegründet wurde, gilt als neuer Arm der in Deutschland seit 2003 verbotenen Hizb ut-Tahrir („Partei der Befreiung“), die sich für die Wiedererrichtung des Kalifats einsetzt und dafür auch Gewaltanwendung befürwortet. Auch zur Tötung von Juden soll die Hizb ut-Tahrir laut der Verbotsverfügung des Innenministeriums (15. Januar 2003) aufgerufen haben. Und „Muslim Interaktiv“ ist die Social-Media-Version dieser Spielart des radikalen Islams. Auf Instagram hat die Gruppe inzwischen fast 200 Beiträge gepostet und 11.200 Follower. Die Wortführer wirken oberflächlich angepasst, halten aber nicht mit eindeutigen Aussagen zurück – so auch mit scharfer Kritik an dem Islamkritiker Hamed Abdel-Samad, der als „Islamhasser“ dargestellt wird.

Laut einem Mopo-Reporter war auf der Kundgebung eine „klare Trennung von Frauen und Männern“ zu beobachten – tatsächlich sieht man keine einzige Frau auf den Bildern. Die Trennung besteht wohl vor allem darin, dass die Frauen zu Hause bleiben. Gegen 13 Uhr waren um die 2.000 Teilnehmer erschienen. Angesagt war die Demonstration bis 16 Uhr, sie endete aber schon um 14.15 Uhr – ob vorzeitig oder plangemäß nach Gutdünken der Veranstalter, ist nicht klar. Die Stimmung war laut Mopo aufgeheizt, Ausschreitungen blieben aus. Stilprägend war vor allem der Wechsel zwischen verschiedenen „Vorbetern“ und einer Antwort im Chor, in der Art eines öffentlich abgelegten Schwurs. Redner forderten unter allgemeinem Beifall die „Umsetzung und Praktizierung des gesamten Qur’an in allen Lebensbereichen“. Ein wahrlich totalitärer Anspruch, der mit wachsendem Bevölkerungsanteil immer gefährlicher, immer brisanter werden dürfte.

Moderne Erscheinung nur auf den allerersten Blick

In Hamburg soll die Gruppe „Muslim Interaktiv“, die spätestens seit einer Kundgebung im Mai 2021 auch als offen antisemitisch gelten kann, 360 feste Mitglieder haben. Der propagandistische Inhalt der Auftritte in sozialen Medien besteht vor allem in der Darstellung der Muslime als unterdrückter Gruppe und Opfer von „Islamfeindlichkeit“. Aber durch ihr Auftreten bestätigen sie genau die Befürchtungen vieler Bürger. Es sind antisemitische und antiwestliche Social-media-Fundamentalisten, die nur auf den allerersten Blick modern aussehen. Tatsächlich vertreten sie eine Rückkehr zu einer sehr frühen Form des Islam, wie es für die meisten radikalen Spielarten üblich ist.

Auf den Messerangriff von Nizza am 3. November 2020 reagierte die Gruppe mit einem älteren Video in dem das Transparent „Nicht der Islam, sondern Frankreich ist in der Krise!“ zu sehen war. In einem Poetry-Slam-Video wird Politikverdrossenheit – vor allem angesichts der verfehlten Coronapolitik – als Ansatzpunkt genommen und die deutsche Gesellschaft insgesamt als dekadent dargestellt. https://www.lmz-bw.de/landesmedienzentrum/aktuelles/aktuelle-meldungen/detailseite/muslim-interaktiv-islamismus-via-social-media/

Vor knapp einem Jahr waren rund 140 Gruppenanhänger am Hamburger Jungfernstieg in Sträflingskleidung aufgetreten, um auf die Behandlung der muslimischen Uiguren in China aufmerksam zu machen. Erst Mitte Januar hatten Mitglieder der radikal-islamischen „Furkan-Gemeinschaft“ in Dortmund „demonstriert“. Auch hier wurden vorab Videos erstellt, um sie nachher online zu veröffentlichen und so Aufmerksamkeit für die eigene Sache zu machen.

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