Die Sirenenklänge des Monsieur Macron

Frankreichs Präsident verkauft mit seiner Europa-Initiative alten Wein in neuen Schläuchen. Lässt sich Angela Merkel davon betören?

© Axel Schmidt/Getty Images

Der Pariser Jung-Siegfried Macron gilt in der deutschen Medienlandschaft, aber auch in der breiteren Öffentlichkeit immer noch als politische Lichtgestalt, der Frankreichs verkrustete Wirtschaft genauso umkrempelt wie der Europäischen Union neue Impulse verleiht. Dass er in Frankreich die Auseinandersetzung mit dem Gewerkschaftskartell sucht, um die französische Wettbewerbsfähigkeit durch Arbeitsmarktreformen nach deutschem Gerhard Schröder-Vorbild zu erhöhen, ist unbestritten. Doch seine europapolitischen Initiativen, die er im Herbst in seiner Rede an der Pariser Sorbonne spektakulär präsentiert und jetzt vor dem Europäischen Parlament in abgemilderter Form erneuert hat, bleiben der alten französischen Tradition verhaftet, Europa endgültig in eine zentralistische Transferunion umzubauen. Das scheint vielen in Deutschland bis heute entgangen zu sein.

Ein europäischer Finanzminister mit eigenem europäischen Budget? Eine Stärkung der Währungsunion mit noch mehr gemeinsamer Haftung? Eine Bankenunion mit einer Einlagensicherung, die zu Lasten der deutschen Institute und ihrer Kunden einen weiteren Haftungsverbund in Europa schmiedet? Das alles in einem Europa, das nach wie vor aus souveränen Mitgliedstaaten mit demokratisch legitimierten Parlamenten besteht, zu deren vornehmstem Recht die Budgethoheit gehört. Wer will, dass die nationale Souveränität noch stärker an der Brüsseler Garderobe abgegeben und das Subsidiaritätsprinzip von der EU-Kommission noch stärker missachtet wird, der muss Macron ohne Rücksicht auf die dramatischen Konsequenzen folgen.

Aufsteigende Lügenkurve
In der EU wächst der Widerstand gegen die Schuldenunion
Ob sich die deutsche Bundeskanzlerin allein wegen der langen Regierungsbildung viele Monate lang gegenüber Macrons Vorschlägen reserviert gezeigt hat, wird sich vielleicht schon bald nach Macrons Berlin-Visite zeigen. Dass die Kanzlerin im Zweifel eine europapolitische Taube ist, hat sie ja im Sommer 2015 bewiesen, als sie den vom damaligen Finanzminister Wolfgang Schäuble bereits eingefädelten Ausstieg Griechenlands aus dem Euro torpedierte. Wird die Kanzlerin auch jetzt wieder den Schulterschluss mit den europäischen Zentralisten suchen und alle Befürchtungen bestätigen, die nicht nur die Haushalts- und Wirtschaftspolitiker in der eigenen Bundestagsfraktion in einem Papier niedergelegt haben? Schon auf dem letzten Bundesparteitag der CDU, der mit Riesenmehrheit die Koalition mit der SPD absegnete, wurde ein europapolitischer Antrag beschlossen, der klare Leitplanken für die Europapolitik der Bundesregierung beinhaltet: Keine Haftungsunion! Rückkehr zur Regelgebundenheit der Maastricht-Stabilitätskriterien im Euro-Raum! Keine gemeinsame europäische Einlagensicherung, ehe nicht die Bankbilanzen vor allem südeuropäischer Banken nachhaltig bereinigt sind!

Die Grünen haben Deutschlands Bremserrolle in der Europapolitik in den letzten Tagen scharf kritisiert. In der SPD wird diese Kritik überwiegend geteilt. Bundesfinanzminister Olaf Scholz gibt sich bisher eher reserviert. Ergeht es ihm mit der Kanzlerin wie Schäuble im Sommer 2015?

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Kommentare ( 76 )

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Jens Frisch
5 Jahre her

„Rückkehr zur Regelgebundenheit der Maastricht-Stabilitätskriterien im Euro-Raum!“
Das soll wohl ein schlechter Witz sein! Die Maastricht Kriterien sehen eine maximale Verschuldung von 60% des BIP vor: Demnach müssten so ziemlich alle Euro Mitgliedsstaaten aus dieser Währungsgemeinschaft ausgeschlossen werden, inkl. Deutschland mit ca. 80% Verschuldung.

Schwabenwilli
5 Jahre her

Mir ist jetzt nicht bekannt das Macron das Rentenalter in Frankreich heraufgesetzt hat. Die französische (europäische) Melkmaschine läuft gerade auf Vollast an der deutschen (dummen) Kuh.

NordChatte
5 Jahre her
Antworten an  Schwabenwilli

Sollte der Herr Macron die Heraufsetzung des Rentenalters für französische Bürger auch nur fordern, werden wir innerhalb weniger Wochen nur noch in der Vergangenheitsform über besagten Herren sprechen.

Hajo
5 Jahre her

Bevor man über die sozialliberale en Marche nachdenkt und sich Gedanken über Macron macht müßte man eigentlich den seltsamen Aufstieg dieser Partei in ihrem Gründungsjahr 2016 analysieren, denn es ist völlig unnormal, daß eine Partei 8 Mill. Wähler aus dem Stand heraus generieren kann ohne daß hier mit gewaltigen Mitteln nachgeholfen worden wäre und es ist nicht auszuschließen daß über die drastische Mitgliederzahl Dinge in Bewegung geraten sind, die so im Vergleich zu anderen neuen Parteien nicht möglich gewesen wären und demzufolge ist das gesamte Konstrukt mit großen Fragezeichen zu versehen und mittlerweile hat ja der Hype gegenüber Macron gewaltig… Mehr

NordChatte
5 Jahre her
Antworten an  Hajo

Hajo, das haben sie sehr treffend beschrieben. Leider glaube ich nicht daran, dass sich die bundesdeutsche Regierung den Wünschen des Herrn Macron noch lange widersetzen wird. Nachdem der letzte noch namhafte deutsche Ökonom, der Herr Hans-Werner Sinn, bei unserer Regierung in Ungnade gefallen ist, kann ich nicht erkennen, dass an irgendeiner verantwortlichen Stelle noch ein Wirtschaftsexperte vorhanden ist. Herr Sinn warnte die Bundesregierung davor, dem franz. Staatspräsidenten Macron bei der Reform der Euro-Zone zu weit entgegen zukommen: „Diese Politik reißt uns in einen Schuldensumpf …“ – „Die Bundesregierung macht einen großen Fehler, wenn sie auf Macrons Vorschläge eingeht.“ Es gibt… Mehr

Karl Friedrich
5 Jahre her

Kanzlerin und Macron können auskungeln was immer sie wollen – jegliche Änderung
der europäischen Verträge bedarf der Einstimmigkeit – die nicht zu erwarten ist .
Es besteht also Hoffnung , dass die Treffen der beiden die Verbindlichkeit von
Kaffeekränzchen haben . Trotzdem : Kyrie eleison .

Eva
5 Jahre her

Was ist mit dem Nordländer Brief geworden? Man hat ihn totgeschwiegen.

Stony
5 Jahre her

„Wird die Kanzlerin auch jetzt wieder den Schulterschluss mit den europäischen Zentralisten suchen und alle Befürchtungen bestätigen, die nicht nur die Haushalts- und Wirtschaftspolitiker in der eigenen Bundestagsfraktion in einem Papier niedergelegt haben?“ Das Problem ist, dass Deutschlands Schicksal nicht nur in dieser Frage in der Hand einer Einzelperson liegt, die ihren Mangel an Verantwortung und Weitblick oft genug erwiesen hat. Mit Demokratie hat es rein gar nichts mehr zu tun, wenn das Volk eine Kanzlerin bekommt, der unabhängig von Parteiprogrammen und oft auch unabhängig von jedem gesunden Menschenverstand einfach macht, wie es ihr gerade opportun erscheint. Ich plädiere für… Mehr

Gero Hatz
5 Jahre her

Ich wünschte auch Deutschland hätte eine Regierung, die die Interessen des Landes als ihre erste Priorität sieht. Leider müssen wir bei Mutti davon ausgehen, dass ihr die Interessen Deutschlands am Allerwertesten vorbei gehen. „Ergeht es Scholz mit der Kanzlerin wie Schäuble im Sommer 2015?“ Ist eine rein rhetorische Frage, denn es ist eigentlich immer anzunehmen, dass sie den maximalen Schaden anrichten wird.

Chan Li
5 Jahre her

Ist das Rentenalter in F. eigtl. schon wieder bei 60 Jahren?

Old-Man
5 Jahre her

Ich traue der Frau mittlerweise jede Schweineri zu Herr Metzger. Wer die absoluten Schlüsselministerien so großzügig aus der Hand gibt,nur um Kanzlerin zu bleiben,dem traue Ich auch diese Schweinerei mit Macron zu. Ich stehe diesem französichen Präsidenten sehr skeptisch gegenüber,Ich kann nur hoffen die Regierungsparlamentarier der Union tun das auch. Alles was dieser Mann möchte ist die Deutsche Geldschatulle zu gunsten Frankreichs und der Südländer ausplündern,nicht mehr,aber auch nicht weniger! Die Wähler der SPD sollten sich vor Augen führen,was eine europäische Arbeitslosenversichrung für die Deutschen Arbeitslosen heißt: Sozialabbau erster Güte! Die Vertiefung der Währungs und Haftungsunion bedeutet ausplünderung der Deutschen… Mehr