Bundestag verzögert längere Laufzeit für drei aktive Atomkraftwerke

Der Bundestag hat Selbstvertrauen gezeigt. Statt das „Machtwort“ von Kanzler Olaf Scholz (SPD) umgehend umzusetzen, will sich das Parlament erst im November zu den aktiven Atomkraftwerken beraten.

IMAGO / Political-Moments
62. Sitzung des Deutschen Bundestag in Berlin, 19.10.2022
Es wäre ein Verfahren im Stil der Ära Merkel und ihres Vizekanzlers Olaf Scholz (SPD) gewesen: Sonntags entscheidet die Regierung darüber, wie es mit den drei aktiven Atomkraftwerken weitergeht. Montags inszeniert der Kanzler medial sein „Machtwort“. Am späten Mittwoch erhalten die Abgeordneten eine Gesetzesvorlage, der sie dann am frühen Donnerstag zustimmen sollen. Spätestens am Freitag fahren sie dann nach Hause, um in ihrem Wahlkreis wieder ihre eigentliche Rolle als Grüßonkel auf Bierfesten zu spielen.

Stunde des Parlaments
Lasst endlich den Bundestag über Kernkraftwerke abstimmen statt grüne Funktionäre bestimmen
Doch der Bundestag scheint an Selbstvertrauen zurückgewonnen zu haben. Die Zukunft der Atomkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland wollen sie erst im November beraten. Das wäre schon diese Woche möglich gewesen, nachdem das Kabinett der Vorlage zugestimmt hat, nach der die genannten Werke bis zum 15. April 2023 weiterlaufen sollen. Doch der Bundestag hat das Thema auf die erste und zweite Novemberwoche vertagt. Die entsprechende Vorlage könnte dann Mitte November oder am 25. November durch den Bundesrat gehen.

Das ist mehr als ein Spiel auf Zeit. Die Abgeordneten haben es satt, vorgeführt zu werden, indem sie überforderten Ministern wie Robert Habeck (Grüne) blind folgen müssen: Schnell mal die Gas-Umlage als Idee raushauen, sich bei Maischberger um Kopf und Kragen reden und dann genauso schnell die Gas-Umlage wieder beerdigen. Der Bundestag fordert eine Rückkehr zu seriöser Arbeit.

In der ersten Sitzungswoche im November soll es nun ein reguläres Gesetzgebungsverfahren geben. Das bedeutet auch, dass sich die Abgeordneten Experten einladen können, die sie zu dem Thema anhören. So sollen mögliche Fallstricke vermieden werden, über die das Land durch übereiltes Handeln stolpern könnte. Etwa Rechtsunsicherheit, die dazu führt, dass die Anlagenbetreiber auf Schadenersatz klagen können. Die Parlamentarier bestehen damit auf ihrem Recht. Auch wenn es für die Betreiber bedeutet, dass sie frühestens Mitte November Rechtssicherheit haben werden.

In Richtung Kanzler Scholz, Wirtschaftsminister Habeck und Finanzminister Christian Lindner (FDP) schickt das Parlament indes ein Zeichen: Die Abgeordneten sind PR-trächtige Hopplahopp-Inszenierungen leid. Vorläufig gibt es für die Betreiber nur „übergangsweise die Erlaubnis, im Leistungsbetrieb zu verbleiben, um für eine potenzielle Krisensituation im kommenden Winter auch noch weiter Strom produzieren zu können“. Dass sie neue Brennstäbe beschaffen können, war nach der Machtwort-Inszenierung ohnehin nicht vorgesehen.

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Kommentare ( 32 )

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Andreas aus E.
1 Jahr her

Der Bundestag hat überhaupt kein Selbstvertrauen gezeigt, sondern vielmehr völlig verantwortungsloses Politgeschacher an den Tag gelegt.
Wir befinden uns in einer existenziellen Notsituation, da wird besser gestern als heute beraten und abgestimmt, nicht erst in vier Wochen.
Wer ist eigentlich maßgeblich „Bundestag“? Das wüßte ich ganz gern.
Es müßte sofort entschieden werden, allein schon um eventuell noch Brennelemente bestellen zu können.

Angesichts solcher Kaspereien zweifle ich einmal mehr an Sinn und Zweck parlamentarischer Demokratie.
Sinnvoll wäre: Realistische Abgeordnete stimmen für Weiterbetrieb, Beschaffung von Brennstäben, Wiedereinstieg und schicken die „Grünen“ dorthin, wo sie hingehören, zum Teufel.

Till Kinzel
1 Jahr her

Was soll das Herumgezögere selbst nur bei diesem Scholz’schen Augenwischerei-Verfahren mit Selbstvertrauen zu tun haben? Die Abgeordneten schlafen ja seit Monaten und hätten bereits viel früher selbst tätig werden müssen. Im übrigen bestünde das aktuelle Problem gar nicht in dieser Schärfe, hätten die Abgeordneten früh- und rechtzeitig hier zugestimmt (ich zitiere die Mitteilung auf der offiziellen Website des Bundestages): „Mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen hat der Bundestag am Donnerstag, 16. Dezember 2021, einen Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel „Blackout verhindern – Weiterbetrieb der Kernkraftwerke ermöglichen“ (20/274) abgelehnt.“ Damit ist bereits alles gesagt…

H. Priess
1 Jahr her

Der Scholz ist ein Schattenboxer denn seine Wums und Doppelwumse gehen eindeutig ins Leere. Der Bundestag hat Selbstvertrauen gezeigt? Werter Herr Thurnes, wie kommen sie auf diesen abwegigen Gedanken? Weil da einige Politikenden die wichtige Entscheidung, die Heute besser wäre als Morgen getroffen werden sollte, weiter hinauszögern? Wegen eventuellen Entschädigungsforderungen der Kernkraftwerksbetreiber? Das hat doch Politikenden nie interessiert, egal wie viel Milliarden der Unfug gekostet hat den sie beschlossen haben, Beschluß ist Beschluß, basta! Ich bin der Meinung, da soll eine Scheindebatte geführt werden denn außer der AfD sind alle Politikenden entweder offen oder insgeheim gegen Kernkraft und die Kernkraftwerke.… Mehr

Waldorf
1 Jahr her

Die Ampel besitzt bekanntlich eine Mehrheit im Bundestag. Dass das Thema jetzt „ausgebremst“ wurde, heißt offensichtlich, dass die Regierung zwar im Kabinett irgendeinen Kungel „geschafft“ hat, aber die Fraktionen noch nicht „auf Linie“ haben – das kann offensichtlich nur die Fraktion der Grünen betreffen. Habeck mag sich mit Scholz geeinigt haben, aber seine Fraktion ist offensichtlich noch „unzufrieden“, sieht nur den verlorenen Termin 31.12.2022 – ohne irgendein „politisches Geschenk“ – auf Twitter wurde von der FDP wenigstens noch ein Tempolimit verlangt, egal wie abstrus diese Verknüpfung scheint. Zumindest entspräche es dem üblichen Gekungel immParteienstaat „ich gebe Dir x, du gibt’s… Mehr

Warte nicht auf bessre zeiten
1 Jahr her

Ist da möglicherweise der Wunsch der Vater des Gedankens? Ich glaube das mit dem Selbstvertrauen erst, wenn im Ergebnis der Expertenanhörung das ganze Thema Kernkraft wieder auf die Tagesordnung kommt, nicht nur die 3 noch laufenden, sondern auch die in diesem Jahr abgeschalteten wieder ans Netz gehen … bis auf weiteres. Ausser grüner Idelogie gibt es nichts, absolut nichts, was dagegen spräche.

Autour
1 Jahr her

Also ich kann Herrn Thunes hier überhaupt nicht zustimmen! „Doch der Bundestag scheint an Selbstvertrauen zurückgewonnen zu haben. … Der Bundestag fordert eine Rückkehr zu seriöser Arbeit.“ Wer das glaubt, glaubt auch an den Weihnachtsmann! Herr Thunes wir haben seit Februar dieses Jahres ein Energieproblem. Und sie wollen nun erklären, dass die Abgeordneten noch Informiert werden müssen? Es tut mir leid aber wenn hier auch nur noch EIN Abgeordneter zu diesem Thema Beratung nötig hat, dann hat er sein Mandat verwirkt und sollte abtreten. Nein Herr Thunes hier wird auf Zeit gespielt, denn wie ich gestern schon schrieb gibt es… Mehr

Wilhelm Roepke
1 Jahr her

Hätte die AFD 51%, würde ich der Parlamentsthese zustimmen. So wird es eine abgekartete Sache, da sich Union und FDP weigern werden, mit der AFD zu kooperieren. Wir bräuchten die 2023 eintretenden Brownouts zur Meinungsbildung noch diesen Monat; das wird nicht kommen.

November Man
1 Jahr her

Die Mehrheit der Deutschen ist mittlerweile für Atomkraft. Nur hauptsächlich die paar Grünen sind dagegen. Und von denen dürfen wir uns unsere Zukunft nicht zerstören lassen.

Andreas aus E.
1 Jahr her
Antworten an  November Man

Ob die Mehrheit der Deutschen mittlerweile für Atomkraft ist, vermag ich nicht zu beurteilen.
Aber meine Meinung kenne ich: Ich bin dafür.

Dr. Rehmstack
1 Jahr her

Ob die so neuselbstbewußten Abgeordneten auch bis Mitte November warten würden, wenn sie darüber abstimmen müßten, ob sie am 1.1.2023 noch einen Arbeitssitzplatz haben werden?

Reini
1 Jahr her

Momentan ist wieder Sitzungswoche und ich nutze die Gelegenheit, mir bei ausgewählten Themen die Debatten im Parlament anzuhören. In den letzten Jahren und besonders jetzt mit der Ampelregierung kommt mir dabei immer ein Spruch meiner Schwiegeroma aus den 60er Jahren in Erinnerung. Diese war zweimal bis 1948 mit Eisenbahnern verheiratet und sagte damals, „was heute bei der Bahn arbeitet, die hätten damals nicht mal zum Bahnhof reinschauen dürfen“. Ich denke dann auch immer, was heute so im Bundestag sitzt….
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