Autobahnen jetzt für Radfahrer

Rund um Frankfurt werden wichtige Autobahnen gesperrt – für eine Radfahrdemonstration, die sich über zu enge Bundesstraßen beschwert.

IMAGO / Christian Ender
Symbolbild

Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat am Freitag einen Eilantrag der bundeseigenen Agentur zur Autobahnverwaltung gegen den Fahrradkorso auf der A66 und der A648 zurückgewiesen. Die beiden Autobahnen wurden deshalb am Sonntag zwischen 12.30 und 16.30 Uhr in Richtung Wiesbaden bis zur Anschlussstelle Erbenheim für den Autoverkehr gesperrt.

Es ist ein sensationelles Urteil. Auf Autobahnen darf zwar nicht mit dem Rad gefahren werden – aber Radfahrer dürfen demonstrieren und der Verkehr wird dann gesperrt. Trotzdem sind die Rad-Veranstalter verärgert. Das Gericht hat sich geweigert, das Rhein-Main-Gebiet komplett zu sperren.

Nicht erlaubt wurde eine Pause des Radkorsos an der Autobahn-Raststätte Weilbach. Außerdem dürfen die Radler weniger Autobahn-Auffahrten als ursprünglich geplant nutzen, um sich dem Korso anzuschließen. Eine Autobahnraststätte ist also nichts für Radfahrer, immerhin.

Der Veranstalter der Radfahrer Werner Buthe sagte dem hr, er sei enttäuscht, dass die geplante Pause auf der Autobahn wegfallen müsse. Mehrere Unterstützerinnen der Aktion hätten ihm bereits gesagt, dass sie die 36 Kilometer lange Fahrt in diesem Fall nicht mitmachen könnten. Von Unterstützern war keine Rede; offensichtlich ist die Radfahrerin etwas schwächer auf den Pedalen unterwegs. Und die eigentlich für Radfahrer gesperrte Autobahn sei die einzige Möglichkeit, überhaupt zu demonstrieren. „Völliger Irrsinn“, sagte Buthe dazu, dass wenigstens noch ein paar Autobahnen befahren werden dürfen, was eigentlich Sinn der Autobahn-Existenz ist. Die Autobahn ist jetzt für Radfahrer freigegeben, auch wenn die Straßenverkehrsordnung dagegen spricht. Buthe erklärt weiter: Eine fünfstellige Zahl an Radfahrern lasse sich in einer Gruppe nicht über schmale Landstraßen führen, wo nur eine Fahrspur zur Verfügung stehe und innerhalb von Ortschaften am Fahrbahnrand Autos parkten.

Die Kapazität kleinerer Straßen reiche einfach für solche Demonstrationen nicht aus. „Die Verletzungsgefahr für die Radler wäre zu groß, auch auf die Straße hineinragende Außenspiegel wären gefährdet. Außerdem würde die Fahrt viel länger dauern“, warnte Buthe. Es kommt zu einer bemerkenswerten Umwertung in mehreren Dimensionen: Zu bewundern ist die subtile Form des Gewaltaufrufs zur Beschädigung von Autos (Außenspiegel wären gefährdet). Das Gericht scheint das auch zu goutieren, sonst hätte es diesem Demo-Veranstalter nicht Recht gegeben; Gewalt gegen Sachen ist nicht mehr so schlimm.

Außerdem: Die Autobahnbenutzer stehen stundenlang im Stau, das wird hingenommen.  Demonstranten kann das nicht zugemutet werden. Sie müssen flott zu ihrer Demo kommen und auch wieder weg davon. Die Polizei ist dafür verantwortlich, dass dies gewährleistet ist; mehrere Hunderttausend Autofahrer zählen nicht.

In dem Fall, dass die Radfahrer-Demo auf Landstraßen ausweichen müsste, wäre auch eine deutlich höhere Anzahl an Polizisten nötig, die hunderte Kreuzungen sperren müssten. „Keiner derjenigen, die in Deutschland solche Raddemos organisieren, würde den ganzen Aufwand auf sich nehmen, um das über Landstraßen abzuwickeln. Das geht einfach nicht!“ Also weil es nicht geht, wird Frankfurt weiträumig vom Autoverkehr abgeriegelt. Es ist das verkehrsreichste Autobahnsystem; naja, am Rande des Ruhrgebiets sind ja Brücken gesperrt und die Region beginnt einzuschlafen.

Übrigens ist auch die Verbindung von Frankfurt nach Wiesbaden problematisch, da eine wichtige Autobahnbrücke wegen Baufälligkeit gesprengt werden musste. Nachdem die deutschen Innenstädte für Autofahrer immer weiter abgesperrt werden, beginnt die Blockade jetzt auch für den Fernverkehr. Der ist durch baufällige Brücken auf immer neuen Hauptstrecken ohnehin gefährdet. Ein wichtiger Automobilhersteller hat die Schließung dreier Werke und ihre Verlagerung nach Ungarn bekannt gegeben. Grund ist neben steigender Energiekosten, dass die Anbindung an Lieferanten und Kunden nicht mehr gewährleistet sei. Deutschland wird abgeschnürt.

Aber der Verkehrsminister (FDP) hat die Zeichen der Zeit bereits erkannt:

Eine Fahrradfahrbahn neben der Autobahn weckt bei einigen Erinnerungen an Bilder aus China wie diese:

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Kommentare ( 37 )

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Wuehlmaus
1 Jahr her

Was die Umwege nun alles unnötig an Sprit verbrauchen.
Ich bin ein Freund von Demos, in den Innenstädten. Denn man möchte ja ein Anliegen unter die Bürger bringen.
Das aber ist Quatsch. Zum Glück hat kein LKW Fahrer hinterm Steuer gedöst.

Last edited 1 Jahr her by Wuehlmaus
Iso
1 Jahr her

Das ist die reine Provokation. Warum soll die Demo nicht auf dem Rollfeld des Flughafens stattfinden oder auf den Schienen der ICE-Hauptstrecke Berlin-München. Niemand verlangt von den Teilnehmern, dass sie auf dem Fahrrad sitzend demonstrieren. Es darf auch geschoben werden.

Nachdenkerin X
1 Jahr her

Sie haben vergessen, den Beitrag als „Satire“ zu kennzeichnen. Wenn das mal keinen Ärger gibt! Bei Göring-Eckardt ist es ja noch einmal gutgegangen. Aber das! Wenn die Leute das glauben! Wenn Sie damit nicht das „Delikt“ Delegitimierung des Staates begehen …

Konservativer2
1 Jahr her

Es kann einfach nicht mehr lange gutgehen, dass selbsternannte militante „Schwächere“ sich immer öfter gegen den Willen der Mehrheit durchsetzen und es sich in ihrer Opferrolle bequem machen. Noch dazu Radfahrer (ich merke hier an: ich selbst fahre häufig mit dem Fahrrad, u.a. zum Arbeitsplatz, der ca. 12km entfernt liegt), die sich gefühlt an keine Verkehrsregel mehr halten. Rechts vor links und rote Ampeln sind mittlerweile völlig out. Es gibt vielbefahrene Radwege, die ich meide (dort hatte ich schon mehrere unverschuldete Beinahe-Unfälle), weil die fahren wie die Sau, häufig auch pseudo-sportliche E-Biker. Ich bete täglich um Hirn, aber es fällt… Mehr

TE-2000
1 Jahr her

Interessant finde ich, wie ein Richter so Mir-nichts-Dir-nichts Gesetze aufheben kann.

Die betroffene Strecke ist etwa 58 km lang.

Zwar gibt es keine Mindestgeschwindigkeit auf deutschen Autobahnen, allerdings duerfen BAB und Kraftfahrstraßen nur mit Fahrzeugen befahren werden, bauartbedingt schneller als 60 km/h fahren können. 

Interessant waere zu erfahren, wie es den Auto- und Lkw Fahrern stattdessen ergangen ist. Ist der Verkehr auf Landstrassen ausgewichen und durch Doerfer gefahren? Es waeren dann mindestens 68 km. Oder blieb der ‚Verkehr‘ mit laufendem Motor parkend auf der Autobahn? Es waren immerhin 29 Grad Celsius am Sonntag.

Sonny
1 Jahr her
Antworten an  TE-2000

Sie merken an, dass es keine Mindestgeschwindigkeit auf Autobahnen gäbe.
Hat sich etwa etwas geändert? Habe in den 80ern den Führerschein gemacht und da galt: Mindestgeschwindigkeit auf Autobahnen 60 km/h! Gilt das nicht mehr?

TE-2000
1 Jahr her
Antworten an  Sonny

Es tut mir leid, daß ich Sie habe warten lassen. Trotz Benachrichtigungsoption habe ich leider keine Email erhalten. Es stimmt, daß Autobahnen und Kraftfahrstraßen nur mit KRAFTfahrzeugen befahren werden dürfen, die bauartbedingt schneller als 60 km/h fahren können. Daher sieht man gelegentlich Beschilderungen bei Ausnahmen, z. B. ‚Landwirtschaftliche Fahrzeuge frei‘. Eine Mindestgeschwindigkeit gibt es nicht. Der Hintergrund ist, daß man niemanden auffordern kann/darf, eine bestimmte Geschwindigkeit nicht zu unterschreiten. Das wäre auch nicht mehr vereinbar mit der Forderung nach ‚angepasster Geschwindigkeit‘, zB bei Regen, Nebel, Schneefall oder Straßenglätte. Wie es zu dem Urteil bzw. Beschluss kommen konnte, ist mir jedoch schleierhaft.… Mehr

Jan
1 Jahr her

Die Fahrradkultur der Chinesen vor 50 Jahren war eher der Armut und technologischen Rückständigkeit im Kommunismus geschuldet und hatte mit Öko-Bewusstsein nichts zu tun.

Der notorische deutsche Autohass in einem Land mit der besten Autoindustrie der Welt sollte mal sozialpsychologisch näher untersucht werden. Mir gehen diese Mitbürger nur noch auf die Nerven.

Exilant99
1 Jahr her
Antworten an  Jan

Deutschland war Mal die beste Autoindustrie der Welt. Die Südkoreaner und Japaner haben uns längst überholt. China holt stark auf.
Deutschland ist durch und durch ein technologiefeindliches Land mit einer sektenartigen Mentalität wenn es um Öko und Klima geht.

R.Baehr
1 Jahr her

Dieses Land hat einfach fertig, warum sich noch darüber aufregen? Möge der Untergang schnell erfolgen und alle dafür Verantwortlichen die gerechte Strafe ereilen auf welchem Wege auch immer, mir egal. Wie ich schon sage, alle ideologisch verseucht und völlig verblendet bis hinunter zum Landrat, Justiz usw. alles auf Untergangslinie gebracht.

suprav32
1 Jahr her
Antworten an  R.Baehr

Nicht nur offizielle Würdenträger, auch private Grünen Wähler, finden solche Urteile fantastisch und erzählen 5 Minuten später, „nächste Woche geht es mit Auto ab in den Urlaub nach Venedig!“
Na dann viel Spaß. Nur noch Verrückte in diesem Land…

investival
1 Jahr her

… Und fast alle mit draußen, zumal unter Anstrengung, medizinisch-physiologisch /völlig/ UNsinnigen weißen Gesichtswindeln … – Bezeichnend für den ganz offensichtlich infolge chronischer Unterversorgung mit Sauerstoff erodierten Geisteszustand in Deutschland; leider auch bei gebildeten (– ?) Juristen, die dem inflationierenden Kindergarten in Deutschland so weiteren Vorschub leisten.
Es ist nicht mehr zu fassen.

Last edited 1 Jahr her by investival
Mikmi
1 Jahr her

Meine nächste Corona-Demo führt durch den Bundestag, da wird sich sicherlich auch ein Richter finden lassen. Wofür zahlen wir noch einmal Kfz.-Steuer? Von einer Fahrrad-Steuer habe ich noch nichts gehört.

JamesBond
1 Jahr her

Jetzt eine Anti-Corona Demo auf der gleichen Strecke beantragen – da gibts Auflagen ohne Ende, wenn diese überhaupt genehmigt würde: Rechtsstaat ist etwas anderes!