Wie der Staat Pflege, Kassen und Rente plündert – und jetzt vor mehreren Klagen steht

Der Bund hat so gut aus den Taschen der Steuerzahler gewirtschaftet, dass er gleich beim Sozialverband, den Krankenkassen und der Rentenversicherung weitergemacht hat. Jetzt wehren sich Betroffene: Der Sozialverband VdK und mehrere Krankenkassen klagen gegen den Bund.

picture alliance / Ulrich Baumgarten - Collage: TE

Einst hat Julia Klöckner im Deutschlandfunk gesagt: „Um 7.15 Uhr spreche ich im Live-Interview mit dem Deutschlandfunk über die Flüchtlingsfrage und wer für die Kosten aufkommt. Der Steuerzahler jedenfalls nicht – der Bund hat gut gewirtschaftet!“ Ein Satz, der bis heute als Running Gag taugt. Tatsächlich wirtschaftet der Bund nicht, sondern er verwaltet Steuergelder. Damit kam der Staat aber nicht aus, weshalb er – und das ist das skandalöse – zusätzlich, wahrscheinlich rechtswidrig, auf Rücklagen der Sozialversicherungen für Pflege, Gesundheit und die Rentenkasse zugegriffen hat.

Nun geht der Sozialverband VdK gerichtlich gegen die Zweckentfremdung dieser Pflegebeiträge vor. Die Bundesregierung soll laut VdK 5,2 Milliarden Euro aus der Pflegeversicherung abgezogen haben, um „allgemeine Krisenkosten“ der Corona-Zeit zu finanzieren. Diese Mittel sind nach dem Gesetz jedoch ausschließlich für Pflegeleistungen gedacht, eine Rückzahlung hat der Bund bis heute nicht geleistet.

Rückenwind bekommt der VdK dabei von der DAK-Gesundheit – einer der größten Kassen der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Krankenkasse bestätigt den Vorwurf. Ein Rechtsgutachten der Universität Hamburg kam bereits 2024 zu dem Schluss, dass die während der Pandemie geleisteten Hilfszahlungen aus dem Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung rechtswidrig waren. Die Gelder seien zweckgebunden und dürften ausschließlich für die unmittelbare Versorgung Pflegebedürftiger eingesetzt werden.

Genau dies war aber nicht der Fall: Der Bund hatte die Pflegekassen 2020 gesetzlich dazu verpflichtet, Corona-Hilfen an Pflegeeinrichtungen auszuzahlen. Finanziert wurde dies vor allem durch Sozialversicherungsbeiträge statt durch Steuermittel.

DAK-Chef Andreas Storm fordert deshalb die vollständige Rückzahlung der 5,2 Milliarden Euro. Ohne diese Rückführung drohe ein weiterer Anstieg der Pflegebeiträge. Die Krankenkassen sind gleichzeitig auch die Pflegekassen.

Besonders kritisch bewertet Storm, dass die Bundesregierung die Finanzlücke der Pflegeversicherung nur mit einem Darlehen von 3,7 Milliarden Euro überbrückt hat. Nach seiner Einschätzung wird die Pflegeversicherung nicht in der Lage sein, dieses Darlehen zurückzuzahlen. Dieses Darlehen, so Storm, verschiebe die Lasten nur in die Zukunft und verschärfe die Schieflage weiter. Eine Rückzahlung sei „zwingend geboten“, um die teils existenzgefährdende Finanznot der Pflegekassen zu mildern, bis eine angekündigte große Pflegereform greift.

Da der VdK selbst nicht klagen darf, wurden 24 Versicherte ermutigt, ab Januar Widerspruch gegen ihre Pflegebescheide einzulegen. Dadurch wird eine Klagekette angelegt, die durch mehrere Instanzen bis hin zum Bundessozialgericht oder dem Bundesverfassungsgericht gehen kann. Der Verband vertritt über 2,3 Millionen Mitglieder. Der VDK will mit den Klagen klären, ob der Staat Sozialbeiträge für staatliche Aufgaben einsetzen darf. Insgesamt hatten sich 720 VdK-Mitglieder als Kläger gemeldet.

Der Bund lässt Krankenkassen auf zehn Milliarden Euro sitzen

Die gesetzlichen Krankenkassen gehen bereits gegen den Bund vor. Der Grund: Der Staat hat sie verpflichtet, die Gesundheitsversorgung von Bürgergeldempfängern sicherzustellen, doch selbst übernimmt der Staat nur einen Bruchteil der tatsächlichen Kosten. Rund zehn Milliarden Euro jährlich sollen bei den Kassen hängenbleiben. Diese Ausgaben wären eigentlich vom Bund zu tragen. Aus diesem Grund sprechen die Kassen von einem systematischen Rechtsverstoß: Sozialbeiträge seien zweckgebunden und dürften nicht zur Finanzierung staatlicher Fürsorgeleistungen missbraucht werden.

Bislang blieben jahrelange Warnungen ohne Wirkung. Auch hier starten die Krankenkassen nun eine Klagewelle gegen den Bund. Der GKV-Spitzenverband hat die ersten Verfahren beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen eingereicht und strebt eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts an. Die fehlenden Bundeszuschüsse tragen dazu bei, dass die Kassen ihre Zusatzbeiträge anheben müssen. Das wiederum trifft Millionen Versicherte und erhöht zugleich die Arbeitskosten der Unternehmen.

Die stille Plünderung der Rentenversicherung

Sehr viel anders sieht es beim Thema Rentenversicherung auch nicht aus. Die Versicherung wird seit Jahren mit staatlichen Zusatzaufgaben belastet, die nichts mit dem normalen Rentenprinzip zu tun haben. Dazu gehören Kindererziehungszeiten, Fremdrenten für Spätaussiedler oder Sonderregeln bei Erwerbsminderungsrenten. Diese Leistungen müssten eigentlich aus Steuermitteln finanziert werden, werden aber aus den Beiträgen der Rentenversicherten bezahlt.

Nach Zahlen der Rentenversicherung lagen diese zusätzlichen Leistungen allein 2020 zwischen 63 und 112 Milliarden Euro. Doch der Bund hat diese Kosten nie vollständig erstattet. Demnach fehlten 2020 der Rentenkasse bis zu 37 Milliarden Euro. Insgesamt ergibt sich daraus eine beachtliche Summe: Seit 1957 hat sich durch die Anhäufung der nicht erstatteten Zusatzlasten für die Rentenkassen eine Summe von 988 Milliarden Euro angesammelt. Dies entspricht fast zwei kompletten Jahresausgaben der Rentenkasse.

Der Bundesrechnungshof kritisiert seit Jahren die fehlende Transparenz, während die Bundesregierung offiziell bestreitet, dass Gelder zweckentfremdet wurden.

Die drei Fälle zeigen ein Muster: Der Staat missbraucht immer wieder Geld aus den Sozialkassen, obwohl diese Beiträge eigentlich nur für Pflege, Gesundheit und Rente gedacht sind. Für die Versicherten bedeutet das am Ende höhere Beiträge, für Unternehmen höhere Kosten. Gleichzeitig geraten die Kassen selbst immer stärker unter Druck. Immer mehr Stellen bezweifeln inzwischen, ob der Staat sich an die eigenen Regeln hält und ob die Sozialversicherungen auf Dauer überhaupt noch verlässlich finanziert sind.

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Kommentare ( 47 )

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joly
18 Stunden her

Es ist für mich nicht nachvollziehbar, wieso diese Institutionen sich erst jahrelang haben ausbeuten lassen, bevor sie sich zur Wehr setzten.

Tesla
18 Stunden her

Bereits Friedrich Nietzsche wusste es: „Und was der Staat auch sagt, er lügt – und was er auch hat, gestohlen hat er’s.“
Manche Dinge ändern sich wohl nie.

yeager
20 Stunden her

Weil das Parteienkartell der Realität und den Konsequenzen der eigenen Politik nicht stellen wollen pflastern sie die Probleme mit Geld zu. Dass sie dazu in die Renten- und Krankenkassen greifen liegt daran, dass sie diese Kosten nicht im regulären Haushalt wollen, zum einen weil sie das Geld lieber für anderes ausgeben, von „Bürgergeld“ über die „N“GO-Propagandamaschinerie bis hin zum Export woker Politik per „Entwicklungshilfe“. Zum anderen sollen so die wahren Kosten der politischen Fehlentscheidungen verschleiert werden.

Jens Frisch
22 Stunden her

„Ein Rechtsgutachten der Universität Hamburg kam bereits 2024 zu dem Schluss, dass die während der Pandemie geleisteten Hilfszahlungen aus dem Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung rechtswidrig waren.“
Spätestens seit der illegalen Grenzöffnung 2015 sollte jedem in Deutschland klar sein, dass wir von Kriminellen regiert werden:
„Nimm das Recht weg, was ist ein Staat dann anderes als eine große Räuberbande“ – Augustinus

libelle
23 Stunden her

Wieso zahlen wir immer mehr Steuern, aber die Dinge, die man ausposaunt damit erledigen zu wollen, bleiben liegen; die Brücken werden marode und brechen zusammen, die Straßen werden immer schlaglöcheriger und werden nicht repariert, Schulen, Schwimmbäder werden nicht saniert – aber es entstehen immer neue Bedarfsträger, Ressourcenfresser, Geschwätz-Institutionen, (förderwürdige oder -bedürftige?, weil keine zahlende Nachfrage nach ihren fragwürdigen Leistungen) NGOs. In den Betrieben nimmt im Gegenzug die Anzahl der Low Performer lawinenartig zu. Mein Aha Erlebnis war nach der Wende als man uns naiven Ostlern, in einem West-Erklär-Lehrgang beibrachte daß nicht die Leistung in der Leistungsgesellschaft die Kern-Maxime und Forderung… Mehr

Benedictuszweifel
17 Stunden her
Antworten an  libelle

Wieso? Weil die überwältigende Mehrheit der Wähler dieser Republik vollkommen verblödet ist.

Abraxas1609
1 Tag her

Die Sozialversicherungen sind Versicherungen! Man zahlt einen Beitrag und bekommt im Versicherungsfall eine Leistung. Aus den Beiträgen werden aber immer wieder Leistungen an Leute bezahlt, die nie eingezahlt haben. Das ist Betrug an den Beitragszahlern! Das nennt sich dann verklausuliert „versicherungsfremde Leistungen“, also so ne Art „Sondervermögen“…
Die Regierung lügt und betrügt. Immer wieder!

Last edited 1 Tag her by Abraxas1609
Bernd Bueter
1 Tag her

Da müsste langst die Justiz tätig werden, da die staatlichen Akteure Straftaten begehen zum Nachteil der Zwangs-Beitragszahler..der Griff in fremde Kassen..

Jens Frisch
22 Stunden her
Antworten an  Bernd Bueter

Wie „praktisch“, dass die Staatanwaltschaften weisungsgebunden sind – fragen sie einfach mal bei Frau Anne Brorhilker nach.

Gert Friederichs
1 Tag her

Kennt noch jemand den Juliusturm? Nicht den aus Steinen in Berlin, sondern den pekuniären vom damaligen Finanzminister Schäffer.
Der hat damals 1957 gut 8 Mrd DM gehortet, also nicht im Abrechnungsjahr ausgegeben!
Danach kamen die Abzocker. Die haben die Renteneinzahlungen der Bürger nicht auf einem Sonderrentenkonto geparkt, vllt. mit Aktieninvestment unterfüttert, sondern geraubt und ausgegeben!
Und nun stehen wir blank als Bettler da!
Ich wüßte nicht, dass BSW oder Afd da mitgemacht hätten, am gigantischen Raubzug!

libelle
23 Stunden her
Antworten an  Gert Friederichs

Wir – d.h. in Wirklichkeit aber das Establishment und die Parteien-oligarchie verbrauchen die Reichtum gewordene zu Industrie und geronnene Arbeit und Leistung vorangegangener Generationen. Das geht jetzt zur Neige. Man darf nie die Urheber und Propagandisten der Dämonisierung der Leistung vergessen.

Karl Renschu
1 Tag her

Zum Glück können wir die raubziehenden Parlamentarier, Regierer und höheren Verwaltungsbeamten für ihr rechtwiedriges Handeln haftbar machen.

hansgunther
1 Tag her

Dat interessiert kein Parlamentsfuzzy, dann d‘ Diäten sin secher, söns nix, nor Dat zällt!

wegmitdenaltparteien
1 Tag her

Reformiert werden kann das Sozialversicherungssystem nicht mehr, das steht den Interessenkonflikten und der Vollkaskomentalität als auch dem Anspruchsdenken des Dummmichels zu wider.
Dieses Land muss erst an die Wand fahren und selbst dann bezweifele ich noch, das dieses Babylon zur Räson und wieder auf Kurs gebracht wird.