Denen das Kontrollinstrument DSA noch nicht weit genug geht, bekommen nun Schützenhilfe: Der EuGH nutzt einen Fall, um das Netz auf links zu drehen. Plattformen sollen für fremde Inhalte haften, Identitäten speichern, Posts proaktiv durchleuchten. Der Weg in den vollüberwachten Digitalraum ist vorgezeichnet.
IMAGO
Ein Rechtssystem ist ein empfindliches Wesen. Jeder einzelne, von einem Gericht entschiedene Fall ist ein Schmetterlingsflügelschlag, der als Präzedenzfall unabsehbare Folgen haben und einen wahren Orkan auslösen kann. Zudem ist aber oft seltsam, wie Richter urteilen und dabei die Rechtstexte, Gesetze, Richtlinien und Verordnungen, anscheinend vollkommen neu erfinden. Das zeigt sich nun auch in einem Fall zwischen der EU-Provinz Rumänien und den leitungsbefugten EU-Richtern in Luxemburg.
Doch von vorne: Publi24.ro ist ein bunt gemischtes Anzeigenportal. Man findet dort ebenso Verkaufsanzeigen für Arbeitsgerät wie für Häuser. Daneben scheint das Portal ein beliebter Umschlagplatz für den rumänischen Schweinehandel zu sein. Landschweine und große Sauen werden dort gleichermaßen angeboten. Und dann scheint sich jemand einen üblen Scherz erlaubt zu haben, der zudem gar nicht lustig gemeint war. Er oder sie veröffentlichte eine Anzeige, in welcher sich die spätere Klägerin angeblich für sexuelle Dienste anbot. Dazu gab es echte Bilder der Frau und ihre Rufnummer. Das war natürlich misslich. Das Portal kam der Löschaufforderung der Geschmähten daher umgehend nach.
Das reichte der Frau aber nicht. Sie klagte gegen den Website-Betreiber, die Russmedia SRL (=GmbH) zusammen mit der Inform Media Press SRL, und bekam in erster Instanz 7000 Euro Schadensersatz. Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf. Das Gericht dritter Instanz bemerkte schließlich, dass hier ein Normenkonflikt innerhalb des EU-Rechts vorlag und überwies den Fall samt einigen Fragen nach Luxemburg. Und so begann das Unglück.
Ende der Anonymität, stattdessen Identitätszwang
Es geht um einen Widerspruch zwischen dem vielkritisierten Digital Services Act (DSA), der Plattformbetreiber ausdrücklich von der Haftung für die geteilten Inhalte befreit, und der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der EU, die die Anbieter für alle von ihnen verarbeiteten Daten verantwortlich macht. Ein typischer Fall von Unschärfe, die sich immer wieder in den Rechtsakten der EU findet, manchmal sogar in ein und demselben Text. Aber in sich widersprüchliche Rechtsnormen gestatten letztlich die absolute Willkür, wie auch das nun ergangene EuGH-Urteil zeigt. Das am 2. Dezember ergangene Russmedia-Urteil des EuGH (C-492/23) könnte sehr weitreichende Folgen für Online-Plattformen in der EU haben.
Der EuGH hat das Zugeständnis aus dem DSA – das noch aus der vorangehenden E-Commerce-Richtlinie von 2000 stammt – schlicht zurückgenommen. Nicht mehr der Verfasser eines Posts oder einer Online-Anzeige soll für dieselben verantwortlich sein, sondern nun auch die Plattformen. Die müssen die Identitäten aller Nutzer kennen und bereithalten, sobald diese „sensible Daten“ posten könnten. Also immer.
Datenschutz als heiliger, aber hohler Gral
Das Kuriose ist aber, dass die beiden EU-Texte sogar das Gegenteil der EuGH-Entscheidung nahelegen. In der Datenschutz-Grundverordnung von 2016 (Artikel 2, Absatz 4) heißt es, ihre Regelungen ließen die Anwendungsbestimmungen der älteren E-Commerce-Richtlinie aus dem Jahr 2000 (heute im DSA aufgegangen) „unberührt“. Die Richter zitieren das sogar, verkehren den Satz aber in sein Gegenteil. Der genannte DSGVO-Absatz (Art. 2, 4) sei so zu verstehen, dass nicht automatisch ausgeschlossen sei, dass sich ein „Wirtschaftsteilnehmer in anderen Fragen als solchen, die den Schutz personenbezogener Daten betreffen, auf die Art. 12 bis 15 der Richtlinie 2000/31 berufen kann“. Der „Schutz personenbezogener Daten“ wird hier zum heiligen Gral der Rechtsprechung erklärt, der wichtiger als andere Normen sein soll.
Kurzum: Wo im Text der DSGVO von „unberührt lassen“ die Rede ist, schlagen die Richter eine Einschränkung der älteren Richtlinie durch die neuere Verordnung vor. Aber welche Formulierung gilt nun wirklich? Der Gesetzestext oder der Richterspruch? De facto wird der Datenschutz vom EuGH verabsolutiert und damit nahezu in sich selbst aufgelöst.
EuGH mobilisiert „Datenschutz“ für umfassende Überwachung im Netz
Plattformbetreiber sollen nun dazu verpflichtet sein, auf den Plattformen veröffentlichte Inhalte vorab – „proaktiv“! – zu prüfen. Dabei soll es vor allem um „sensible Daten“ wie die sexuelle Orientierung, politische oder religiöse Ansichten, Informationen über die ethnische Herkunft oder über Erkrankungen gehen. Jeder Post, jede Kleinanzeige, jeder X-Tweet müssten künftig auf solche Eigenschaftszuschreibungen durchsucht werden. Wenn eine Veröffentlichung solche sensiblen Daten enthält, muss die Identität des Nutzers eindeutig ermittelt werden – von der Plattform, und dieselbe muss diese Daten für eine bestimmte (aber unbekannte) Zeit vorhalten.
Es könnte also künftig niemand mehr anonym über seine eigenen Erkrankungen im Netz schreiben, etwa in einer Selbsthilfegruppe. Vielmehr müsste er sich zuvor gegenüber der Plattform identifizieren. Und das scheint schon fast unabwendbar. Denn den Urteilen des EuGH können nur durch eingelegte Rechtsmittel beim Gerichtshof selbst abgeholfen werden. Der EuGH erkennt nationale Gerichte nicht als über ihm stehend oder gleichberechtigt an.
Und das nächste Paradox – das die Datenschutzverordnung gewissermaßen von innen heraus sabotiert – lugt bereits um die Ecke: Die Plattform ist damit im Besitz neuer sensibler Daten, die es ohne die Anwendung der DSGVO gar nicht gäbe. Das ist natürlich bei jedem Akt der Kontrolle so, immer entstehen Daten, die es vorher nicht gab und deren sichere Aufbewahrung im Grunde wieder kontrolliert werden müsste. Nur hält sich der Staatenblock EU dabei noch vornehm heraus.
Insgesamt ist es der Weg in ein vollständig überwachtes und kontrolliertes Netz, in dem niemand mehr etwas anonym tun kann, auch wenn dem im normalen Recht nichts entgegenstehen würde. Er tut ja nichts Unrechtes, indem er seinen Namen nicht angibt. Nicht zuletzt lohnt die Erinnerung: In dem rumänischen Fall ging es ja eigentlich gar nicht um Datenschutz, sondern um die Offenlegung einer Identität und den Schutz vor übler Nachrede. Der EuGH mobilisiert also die DSGVO für einen Zweck, der der Verordnung fernsteht. Der „Datenschutz“ wird damit der umfassenden Überwachung im Netz und der Strafverfolgung dienlich gemacht. Auch der Datenschutz ist offenbar kein Allheilmittel der informationellen Selbstbestimmung und schützt nicht immer vor dem Verlust des Rechts an den eigenen Daten, das hier in seinem Namen verkündet wird.





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Na ja, und damit dann zukünftig auch ich in der Öffentlichkeit immer weiß wer mich -warum auch immer- angesprochen, mir einen Vogel gezeigt, mich bepöbelt, mir ein oder zwei Messer in den Rücken gestochen oder meine Freundin „gruppen-bereichert“ hat, bin ich dafür, dass nun jeder Mensch in der Öffentlichkeit immer ein gut lesbares Namensschild tragen muß damit ein jeder jederzeit erkennbar bzw. identifizierbar ist.
Öhm, wo kämen wir denn hin, wenn im besten und freiesten EUropa aller Zeiten auch weiterhin so etwas wie Anonymität herrschen würde -mhh?
„Die EU“ ist konsequent auf dem Weg zu einer Diktatur.
Es ist dasselbe, als müsste man in der Öffentlichkeit immerzu eine persönliche ID-Nummer in großen Lettern auf Brust und Rücken tragen.
Dusseliger Vergleich. Sie haben dazu einen Personalausweis.Schon mal anonym ein Auto gekauft, oder anonym ein Bankkonto eröffnet? Woher kommt der schwachsinnige Gedanke, man habe ein Recht auf Anonymität im Internet?
Angeblicher Kinderschutz wird auch gerne für Zwecke dienlich gemacht, zu denen es keine Debatte geben soll.
Man muss immer einen haben der die Schuld trägt. So ist es besser für die Regierenden, weil sie dann alle üble Nachrichten verfolgen können. Mal sehen, ob sie mit Tweeter glück haben. Wenn ja dann ist alles vorbei und nicht nur hier. Dass das ganze Unglück durch die Klage einer Frau passiert ist, finde ich auch bezeichnend. Sie müssen noch lernen, wie man nicht ständig beleidigt läuft. Es hilft nicht, wenn die an anderer Seite auch eine Menge leicht aufgereizten Idioten stehen, die noch nur auf die Gelegenheit warten, etwas zu verbieten. Später werden sich die Leute streiten, was der… Mehr
wer hat eigentlich den EuGH über die nationalen Gerichte gesetzt? Kein Wunder, dass man aus den USA jetzt hört, die EU sei eine Fehlkonstruktion. Eigentlich müsste man da raus, koste es, was es wolle und so schnell es irgend geht und aus den Trümmern eine neue EWG aufbauen. Besser ein schnelles Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.
Die EU ist inzwischen mehr als eine Fehlkonstruktion. Sie ist eine totalitäre Gefahr.
Ach So? In den USA steht der Bundesgerichtshof auch über den einzelnen Staaten. Exakt dasselbe Konstrukt wie hier.
Sie begreifen nicht, daß die USA im Gegensatz EU ein demokratischer und förderaler Staat ist und keine Diktatur von nicht gewählten Bürokraten. EU und EuGH ermächtigen sich zunehmend selbst – und anscheinend funktioniert das ohne ein Ermächtigungsgesetz!
Die „EU“ ist eben nicht exakt das gleiche Konstrukt wie das der USA!
So und nicht anders ergibt Ihr Argument des Bundesgerichts einen Sinn!
An den Präsidentschaftswahlen können übrigens alle wahlberechtigten Amerikaner teilnehmen. Ich kann mich aber nicht erinnern, UvdL gewählt zu haben, geschweige daran, meine unveräusserlichen Rechte als Deutscher in Brüssel abgegeben zu haben, was auch durch die sog. Europawahlen nicht „geheilt“ wird!
Identitätszwang wird dann zu einem großen Problem, wenn die Meinungsfreiheit nicht mehr gewährleistet ist. Dieser Punkt ist das eigentliche Problem. Wenn man sieht wie schon heute Politiker vom Kanzler bis hin zum Abgeordneten sich überschlagen Anzeigen wegen Banalitäten zu erstatten, wird eine Vereinfachung zu Erkennung der Identität dazu führen, dass sich diese Herrschaften noch mehr damit beschäftigen die Kritiker in der Bevölkerung zu verfolgen.
> wird eine Vereinfachung zu Erkennung der Identität dazu führen, dass sich diese Herrschaften noch mehr damit beschäftigen die Kritiker in der Bevölkerung zu verfolgen.
Besonders wenn viele davon die „Entschädigungen“ längst zum Nebenerwerb gemacht haben. Grottenschlecht regieren und abkassieren, wenn das Fußvolk deswegen mault? Und der Michel wählt so etwas immer noch?
Die EU ist kein Staat und ich somit kein Staatsbürger der EU.
Ergo gehen mir „Gesetze“ der EU und ihre Auslegung durch einen EuGH am Allerwertesten vorbei. Punkt!
Entweder Europa schafft die EU ab, oder die EU schafft Europa ab. Sie ist schon ziemlich weit gekommen.
Die EU stirbt gerade an selbstmörderischer Idiotie. Europas größte Irrenanstalt legt sich mit der US Verfassung an. Das war’s dann. Die deutsche, selbsternannte Diktatorin zerlegt den Laden durch ihr gekonntes Nichtskönnen.
Enn Dicke Hose D Taschen leer, geht die Austrittswelle los.
Mittlerweile teilt Musk mit Vergnügen Memes, welche die EUdSSR als „Viertes Reich“ bezeichnen: https://uncutnews.ch/viertes-reich-musk-schlaegt-nach-x-geldstrafe-gegen-eu-tyrannen-zurueck/ Hier wäre es verboten – ein Staatsanwalt käme sicherlich damit, dass die Hälfte aus einem verbotenen Symbol besteht. Und die Keule der „NS-Verharmlosung“, als ob man gerade das meinen würde…
> „… Die EU hat der Meinungsfreiheit praktisch den Krieg erklärt und nimmt amerikanische Unternehmen ins Visier. … Dieser Krieg hat gerade mit der ersten DSA-Geldstrafe begonnen. …“
Jetzt müssen die Amis zusehen, den Krieg für die Meinungsfreiheit schnell zu gewinnen… Am besten lange vor der nächsten US-Präsidentschaftswahl, damit die letzte Woke Bastion der Welt fällt.