Es ist die SPD, Herr Kanzler

CDU, CSU und SPD bekommen keine ordentlichen Reformen hin. Wenn sie handeln, dann mit absurden Ergebnissen. So wie jetzt in Sachen Drohnenabwehr und Wehrpflicht, über die sich die Koalitionäre nicht einig werden.

IMAGO

Eine wichtige Regel lautet: Spiel kein Schach mit Tauben. Sie koten nur aufs Brett und stoßen irgendwann die Figuren um. Die Vorschläge von Marcel Fratzscher ernst zu nehmen, hieße, Taubenschach für Fortgeschrittene zu spielen.

Sein jüngster: Menschen ab dem 70. Lebensjahr das Wahlrecht zu entziehen. An der Idee ist alles derart dumm, dass es Taubenschach wäre, auf sie ernsthaft einzugehen. Für eine Glosse ist es indes guter Stoff.

Politisch interessant daran ist nur, dass Marcel Fratzscher für rot-grüne Staatsmedien ein “Top-Ökonom” ist. Und dass Sigmar Gabriel (SPD) einst als Minister Fratzscher für den richtigen Mann hielt, eine Kommission anzuführen, die Investitionen nach Deutschland locken sollte. Was einen erhellenden Blick auf die Unfähigkeit der SPD zulässt.

Die deutsche Wirtschaft schrumpft, unterm Strich wandert Kapital in bedeutenden Größenordnungen ab. Immer wenn Marcel Fratzscher Schach gespielt hat, ist das Brett danach nicht mehr zu gebrauchen.

Der “Top-Ökonom” will die Menschen von der Wahl ausschließen, von denen die SPD lebt: 16 Prozent erreichten die Sozialdemokraten bei der Bundestagswahl. Nach einer Wahlanalyse der Tagesschau erreichten die Genossen in der Gruppe, die Fratzscher von der Wahl ausschließen will, 25 Prozent. Bei den Menschen unter 45 Jahren waren es weniger als 13 Prozent. In diesem Zahlenbereich steht die SPD ein gutes halbes Jahr später bei allen Wählern in den Umfragen. Zum einen, weil die Sterberate bei Menschen über 70 Jahren nun mal statistisch gesehen höher ist. Und zum anderen, weil die SPD SPD-Politik macht.

Das ist auch das Problem von Friedrich Merz, Bundeskanzler, 69 Jahre alt, dem Vernehmen nach Christdemokrat. Als Oppositionsführer hatte er noch offen benannt, dass der wirtschaftliche Niedergang des Landes auch etwas mit der Partei zu tun hat, die in 23 der letzten 27 Jahren an der Bundesregierung beteiligt war. Die Politik von Ministern wie Gabriel oder Andrea Nahles samt Experten wie Fratzscher. Auch weiß Merz, dass Weiter-So oder Mehr-Davon nicht zu einer Wende führen werden – oder können. Sondern zu weiterem und mehr wirtschaftlichen Niedergang.

Eigentlich. Merz weiß das alles. Nur will der Kanzler nicht als neuer Franz von Papen in die Geschichte eingehen, der nur kurz regiert hat und das Land einem schlimmen Schicksal ausgesetzt hat. Deswegen hat Merz sich entschieden, lang zu regieren, auch wenn er dafür SPD-Politik umsetzen muss. Diese sozialdemokratische Politik hat dem Land massiv geschadet und schadet dem Land weiterhin.

Dieser Politik hat der Wähler von 19 bis 99 Jahren im Februar keine Mehrheit mehr gegeben – doch Merz verschafft sozialdemokratischer Politik eine Mehrheit durch konservative und liberale Stimmen. Um wenigstens lange an der Macht zu sein. Ein Ziel nur zur Hälfte zu erreichen, wäre für andere zwar Scheitern – für Friedrich Merz jedoch ein Fortschritt in seiner miesen Misserfolgsbilanz.

In seinen eigenen Reihen hat Friedrich Merz aufgefordert, den SPD-Chef Lars Klingbeil nicht zu hart zu kritisieren. Der sei sensibel. Man versuche sich vorzustellen, wie Gerd Schröder so über Joschka Fischer gesprochen hätte – oder Helmut Kohl über Hans-Dietrich Genscher.

Undenkbar. Klingbeil hat mittlerweile gegenüber Journalisten bestätigt, dass er sensibel sei. Damit ist diese Regierung zu Ende erzählt. Eigentlich. Und intellektuell.

Doch geht die rote Politik mit schwarzen Leihstimmen halt weiter: eine ungezügelte Staatsverschuldung. Mehr statt weniger bürokratische Gängelung. Höhere Abgaben und Steuern statt niedrigere – nicht einmal Rentnern, die weiterarbeiten, weil sie als Fachkräfte unverzichtbar sind, will die SPD finanzielle Vorteile gewähren. Die SPD steht für genau das Gegenteil von alledem, was Friedrich Merz durchaus richtig als richtig erkannt hat.

Das Beispiel des Tages. Wenn jemand sich die Mühe machen will, Friedrich Merz als halbwegs brauchbaren Bundeskanzler darzustellen, der muss sich die Außen- und Verteidigungspolitik ansehen. Er hat die Politik seiner Vorgänger Gerd Schröder (SPD), Angela Merkel (CDU) und Olaf Scholz (SPD) revidiert und die Bundesrepublik wieder fest im westlichen Verteidigungsbündnis verankert. Der Ukraine hat er in ihrem Verteidigungskrieg gegen Russland zuverlässige Unterstützung zugesagt.

Gesagt. In der Umsetzung scheitert der Kanzler wieder einmal. Wer die Struktur des Textes verstanden – oder Augen im Kopf und auch sonst etwas dazwischen hat – weiß, woran es liegt: an der SPD. Die Christdemokraten wollen die Wehrpflicht wieder aktivieren. Merz muss auf den sensiblen Lars Klingbeil Rücksicht nehmen und der wiederum auf Partei-Linken wie Ralf Stegner, ganz egal, wie viele Wahlen Stegner und Co schon verloren haben.

Stattdessen gibt es einen Kompromiss, der ganz nach Taubenschach klingt: Junge Menschen erhalten einen Fragebogen. Die Wehrpflicht besteht darin, dass sie diesen Fragebogen ausgefüllt zurückschicken müssen. Passend zu einer sozialdemokratischen Republik, die in Bürokratie erstickt, ganz egal, wie sehr die Verantwortlichen betonen, diese Bürokratie abbauen zu wollen: eine Fragebogen-Armee.

Kein Satiriker kann die Sozialdemokratische Republik Deutschland härter parodieren, als die SPD und ihre Verbündeten wie Friedrich Merz. Wobei sie in Sachen Wehrpflicht noch einen draufsetzen: Wie in jedem überbürokratisierten Verfahren gibt es Ausnahmen. Frauen erhalten den Fragebogen, müssen ihn aber nicht ausfüllen und zurückschicken. Transfrauen auch nicht.

Sie Männer zu nennen, verfolgt der Staat. Es sei denn, es gilt der Kriegsfall. Denn betrachtet der gleiche Staat Transfrauen als Männer und stellt sie wieder unter Wehrpflicht. Also müssen sie im Kriegsfall den Fragebogen zurückschicken. Es ist leicht damit anzufangen, die Regierung Friedrich Merz zu verhohnepipeln – es ist nur schwer, damit aufzuhören.

Gleiches Themenfeld. Anderes Beispiel. Die Drohnen über dem Münchener Flughafen. Die Gefahr, die noch keiner gesehen, aber die Alarmstimmung ausgelöst hat. Friedrich Merz könne sich vorstellen – hat er im Staatsfernsehen gesagt – dass die Russen hinter diesen Drohnen stehen. Er könne sich das vorstellen. So weit hätte sich auch eine Marketenderin vom Münchener Viktualienmarkt aus dem Fenster lehnen können. Die Drohnen abschießen? Falls dies nicht möglich ist, die Versäumnisse seiner Vorgänger beheben und die nötige Technik anschaffen? Vor allem aber zuerst einmal klären, was nun tatsächlich hinter den Drohnen-Sichtungen steckt?

All das wäre die Aufgabe eines Bundeskanzlers – wenn der sich nicht an die SPD gekettet hätte. Alles, weil es sonst Gefahren gäbe, die durch die AfD drohten. Nur stellt sich allmählich die Frage: Wäre ein Ende der “Brandmauer” wirklich so viel schlimmer als ein ewiges Weiter-So unter überforderten Politikern wie dem sensiblen Lars?

Friedrich Merz setzt auf die SPD. Auf die Partei, in der Marcel Fratzscher als Wirtschaftsexperte gilt – und staatliche Planwirtschaft als historisch noch nicht gescheitert genug. Mit der SPD zu regieren, ist aber Taubenschach für Fortgeschrittene. Friedrich Merz weiß das alles – und handelt trotzdem so, wie er es tut. Aber als Regierungschef zu wissen, dem Land zu schaden, ist um einiges verantwortungsloser als all das Treiben von Marcel Fratzscher – den Sozialdemokraten und ihre Journalisten ernsthaft für einen Top-Ökonomen halten. Wenn Merz dem nachgibt, muss er als 69-Jähriger noch dieses Jahr Neuwahlen ausrufen, falls er noch einmal einen Stimmzettel abgeben dürfen will.

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Kommentare ( 81 )

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Harry Charles
1 Monat her

DEN BOCK ZUM GÄRTNER MACHEN der Ausdruck ist wahrscheinlich schon ein paar hundert Jahre alt. Und er enthält ein gerüttelt Maß an Weisheit, um die allerdings die CDU einen Riesenbogen zu machen scheint. Und das hält sie dann vielleicht noch für schlau. Genau wie den Umstand, dass sie unser Land endgültig gegen die Wand fahren will, nur weil da einer angeblich (!) sensibel ist. Wir Bürger sind es auch, vermutlich weit mehr als der, zusätzlich sind wir betroffen, mitgenommen, bestürzt über die Zustände hier im Land. Die CDU will Reformen? Und die will sie mit genau denen umsetzen, die für… Mehr

Dreiklang
1 Monat her

Es ist die CDU/CSU, Herr Thurnes. Im „Kampf gegen die AfD“ (im Kampf um die Posten, ja genau) nimmt die CDSU die Zerstörung der Industrie in Kauf, weil man sich so bequem in die links-grüne Einheitsfront einreihen kann. Jetzt hat CSU-Söder bemerkt, dass er in Bayern besonders schlecht wegkommt (BMW, Audi, Zulieferer) und er versucht, ein bisschen umzusteuern, ohne dabei allzusehr aufzufallen. Das lässt ihm die SPD nicht durchgehen, und sie kann sich dabei auf die Beschlüsse der Merkel-Ära berufen. Warum sollte sie auch, da die CDU auf der Verliererseite steht. Merz redet und dann sagen Bas/Klingbeil, was Sache ist.… Mehr

Alf
1 Monat her

CDU, CSU und SPD bekommen keine ordentlichen Reformen hin.
Nein, es ist nicht die SPD, die hier versagt.
Es sind alle.
Sie alle können es nicht. Selbst ein Geldspeicher von Dagobert Duck würde nichts ändern.
Die Koalition der Wahlverlierer hat sich in der Tür geirrt, nicht nur die Tür, das ganze Haus ist mehrere Nummern zu groß.
Nur will der Kanzler nicht als neuer Franz von Papen in die Geschichte eingehen?
Merz hat bereits alle Vorgänger überholt.

P.Schoeffel
1 Monat her

„Nur will der Kanzler nicht als neuer Franz von Papen in die Geschichte eingehen, der nur kurz regiert hat und das Land einem schlimmen Schicksal ausgesetzt hat.“

Dumm ist nur: Je länger er regiert, desto schlimmer wird es.

humerd
1 Monat her

vielleicht sollten sich die älteren Wähler der SPD mal erinnern: 2004 SPD / Grüne Koalition: Nullrunde bei der Rente und gleichzeitig müssen Rentner den Beitrag zur Pflegeversicherung alleine bezahlen. Faktisch eine Rentenkürzung. Müntefering, SPD, musste die Ex Kanzlerin Merkel dazu überreden, das Renteneintrittsalter hoch zu setzen und das Rentenniveau abzusenken. Faktisch eine Rentenkürzung. Ampel „Reform“ der Pflegeversicherung. Familien mit Kindern unter 25 Jahren zahlen einen ermäßigten Beitrag. Wer Kinder über 25 Jahre hat, zählt zu den Kinderlosen und zahlt den erhöhten Beitrag. 2025 Angebliche „Pflegebeitrags-Panne“ bei Rentnern. Die Rentenversicherung berechnete den höheren Beitrag ab Januar 2025 auf der Basis der höheren… Mehr

Juergen P. Schneider
1 Monat her

Im Fall eines von der Union mitbetriebenen AfD-Verbots wird Merz mit Sicherheit der Franz von Papen der Bundesrepublik werden. Dann könnte rot-rot-grün über ein Misstrauensvotum Klingbeil zum Kanzler wählen, weil die Union mitgeholfen hätte, die Mehrheitsverhältnisse hin zu einer rot-rot-grünen Mehrheit zu verändern. Wenn also die Union aus Angst vor dem Tod Selbstmord begeht, hat der Lügenbaron die historische Rolle des Franz von Papen, da er als Kurzzeitkanzler einen Staatsstreich von SPD, SED und Grünen mit Hilfe des links-grün unterwanderten BVerfG ermöglicht hätte. Im Jahr 2029 würden dann auch keine Bundestagswahlen mehr stattfinden, da es am Verfassungsgericht ja auch eine… Mehr

gmccar
1 Monat her
Antworten an  Juergen P. Schneider

Man kann das aber auch als die erfolgreiche Durchsetzung der Ziele des Herrn Schwab aus diesem Davoser Verein verstehen.Durchweg ALLE der Bundesregierung sind doch Schüler desselben und tragen den Titel „Young Global Leader“.

Nibelung
1 Monat her

Die Koalition ist wie im normalen Leben auch, wer selbst keine Ansprüche stellt oder über äußere Einflüsse daran gehindert wird, muß sich halt mit dem zufrieden geben was sich bietet und das ist der Untergang der Republik, weil dadurch jede weitere Auswahl verhindert wird und somit alles im Keim erstickt wird, was uns früher zu dem gemacht hat, was wir waren und auch nicht wieder kommt, bei dieser illustren Gesellschaft im rot-schwarz-grünen Geist von heute.

Guzzi_Cali_2
1 Monat her

Vor was die Kartellparteien durch die Bank panische Angst haben, und hier insbesondere die CDU, ist, daß die Leute unter einer AfD-Regierung merken KÖNNTEN, daß es SPÜRBAR besser wird, daß Dinge angegangen werden, die im Argen liegen und von denen man GEMEINT hat, die CDU könne das lösen. Daß in der Antifanten-SPD ausschließlich Nichtskönner und Ideologen zugange sind, ist so bekannt, daß es schon fast Folklore ist. Bei der CDU sieht’s kaum besser aus. Bei der AfD hat man den Eindruck, da sind die Fachleute, die es braucht, um den Laden wieder einigermaßen zum Laufen zu bringen. Im Prinzip haben… Mehr

bkkopp
1 Monat her

Fratzscher scheint noch absurder zu sein. Einerseits schlägt er ein Höchstwahlalter von 70 vor, gleichzeitig aber auch die Idee, dass, wie Kinder/Jugendliche in den ersten 18 Jahren ihres Lebens nicht wählen können, Alte in den letzten 18 Jahren ihres Lebens auch nicht wahlberechtigt sein sollten. Bei einem statistischen Durchschnittsalter von 78 für Männer, wäre es dann mit 60 mit dem Wahlrecht vorbei. Wenn man dann an “ no taxation without representation “ denkt, dann wäre es mit 60 auch mit der Steuerpflicht vorbei. Daran hat die schachspielende Taube wohl nicht gedacht.

humerd
1 Monat her
Antworten an  bkkopp

Fratzscher sagt nichts ohne Kalkül. Es geht um die alte Forderung nach einem Wahlrecht für Kinder. Einfach mal anschauen, wer denn die kinderreichen Familien sind. Kleiner Tip: die Familien des Mittelstandes sind es nicht.

Joe
1 Monat her

Nein, es ist die CDU! Dem Beitrag liegt die irrige Vorstellung zugrunde, die CDU werde irgendwie von der SPD zu dieser Politik veranlasst oder gar gezwungen. Dies ist naiv. Eine richtige Analyse würde fragen, welche Politik die CDU gemacht. Und das Ergebnis ist, dass die CDU die Massenmigration einleitete, die Kernkraftwerke abschaltete, den CO2 Wahn mit Deindustrialisierungswirkung in Gesetze goß, die Schuldenbremse mit einem abgewählten Parlament abschaffte, die grüne Klimaideologie in der Verfassung verankerte, was die neuen von der CDU gewählten Richter in rot weidlich nutzen werden; es ist die CDU, die in Berlin und NRW ganz offen den Gender-Gaga… Mehr