Dezember 2025, Corona vorbei, doch Notlage beschlossen: Sachsen-Anhalt ruft die Pandemie zum siebten Mal als „außergewöhnliche Notsituation“ aus, um 2026 die Schuldenbremse zu umgehen und bis zu 790 Mio. Euro aus dem Sondertopf zu ziehen. Die CDU schaufelt der AfD die Wähler nur so zu.
picture alliance / dts-Agentur
Sachsen-Anhalt hat im Dezember 2025 einen Beschluss gefasst, der so dreist ist, dass er bereits als Präzedenzfall taugt: Der Landtag erklärt erneut die Corona-Notlage. Nicht, weil das Virus wieder wütet. Nicht, weil Krankenhäuser kollabieren. Sondern weil im Haushalt Geld fehlt und man einen Schlüssel braucht, der sonst verboten ist.
Hier wird nicht eine Notlage festgestellt. Hier wird eine Notlage produziert. Eine Landesregierung behauptet offiziell eine „außergewöhnliche Notsituation“, die fortbestehe, obwohl sie selbst und jeder im Land weiß: Das ist keine Realität mehr, das ist eine Konstruktion. Ein politisch beschlossener Ausnahmezustand, der nur deshalb „fortdauert“, weil er so praktisch ist.
Das Ziel ist glasklar. Mit diesem Beschluss kann Sachsen-Anhalt auch 2026 die Schuldenbremse umgehen und bis zu 790 Millionen Euro aus dem Corona-Sondervermögen ausgeben. Dieses Sondervermögen betrug anfangs rund zwei Milliarden Euro. Bis Oktober 2025 wurde nach Angaben der Landesregierung schon mehr als eine Milliarde verfrühstückt, für 2026 sind weitere Hunderte Millionen vorgesehen. Ab 2029 soll zurückgezahlt werden, mit jährlichen Raten von 100 Millionen Euro. Heute verteilt man – und morgen kassieren andere die Quittung. Die Steuerzahler werden ausgenommen wie Weihnachtsgänse. Nach uns die Sintflut. Was für eine Mentalität.
Man kann über Schuldenpolitik streiten. Aber hier wird nicht gestritten, hier wird glasklar getrickst. Der Corona-Topf hätte längst in den normalen Haushalt überführt werden müssen, mit klarer Prioritätensetzung, sichtbaren Kürzungen an anderer Stelle und ehrlicher Verantwortung. Stattdessen wird ein Schattenhaushalt künstlich am Leben gehalten, indem man eine Notlage verlängert, die es nicht gibt.
Das ist staatspolitisch hochgefährlich. Denn mit diesem Muster wird aus dem Ausnahmeinstrument eine Standardmethode: Wenn es eng wird, erklärt man irgendeine alte Krise zur fortbestehenden „Folge“, hängt ein Etikett „Resilienz“ dran und hat wieder Sonderrechte. So höhlt man Regeln aus, ohne sie zu ändern. So macht man aus Verfassungsgrundsätzen einen Vorschlag zur optionalen Anwendung.
Die Begründung der Regierung klingt wie aus der Textbaustein-Hölle: Corona-Folgen seien noch nicht abgearbeitet, „Pandemieresilienz“ müsse finanziert werden. Und wofür fließt das Geld? Nicht nur für Klinikmaßnahmen und Digitalisierung, sondern auch für ein mobiles Impfangebot, Tourismusförderung, einen Notfallfonds für Kultureinrichtungen und sogar Baumaßnahmen in der Zentralen Aufnahmestelle für Flüchtlinge.
Damit wird das Corona-Etikett endgültig zur Allzweckwaffe. Was politisch gerade bezahlt werden soll, wird als „Folge“ einer beendeten Krise umdeklariert. Der Bürger soll glauben, es sei noch immer Ausnahme, damit die Regierung weiter Ausnahme darf. Das ist die Umkehrung jeder demokratischen Normalität: Nicht die Lage zwingt die Politik, sondern die Politik erfindet die Lage.
Bemerkenswert ist, wer dagegen hält, und wie. AfD und Linke sprechen von einem Haushaltstrick. Die Linke sagt offen, dass hier verspätete oder falsch geplante Projekte nachfinanziert werden sollen. Die Grünen nennen das Ganze „Realsatire“. Selbst aus der FDP gab es Widerspruch, verbunden mit der Frage, ob man das Geld überhaupt rechtzeitig ausgegeben bekommt.
Sachsen-Anhalt steht mit diesem Manöver praktisch allein. Andere Länder haben den Ausnahmezustand spätestens 2024 beendet. Magdeburg ruft seit 2020 jedes Jahr neu aus, jetzt zum siebten Mal. Wer das noch „Notlage“ nennt, hat das Wort entkernt. Es ist nur noch ein Freifahrtschein.
Und hier wird es politisch explosiv. Eine CDU-geführte Regierung in Ostdeutschland, die so agiert, darf sich über nichts mehr wundern. Nicht über Verachtung. Nicht über Zorn. Nicht über den nächsten Schub Richtung AfD. Wer heute mit „Notlage“ regiert, obwohl keine existiert, signalisiert den Leuten: Wir sagen euch alles, was wir sagen müssen, um an Geld zu kommen.
Vor allem kann sich diese CDU in nicht einem einzigen Fall mehr als Hüterin des Rechtsstaats aufspielen. Denn stellen wir die simple Gegenprobe: Würde eine AfD-geführte Landesregierung eine erledigte Krise zur „fortbestehenden Notlage“ erklären, um die Schuldenbremse zu umgehen, wäre das Geschrei ohrenbetäubend. „Autoritäre Machtergreifung“, „Beugung des Rechts“, „faschistische Methoden“ – die Standardvokabeln lägen bereit. Wenn aber CDU, SPD und große Teile der FDP es tun, soll es plötzlich Verwaltungskunst sein.
Genau diese Doppelmoral ist das Gift. Nicht nur die 790 Millionen, sondern die Botschaft: Regeln gelten, bis wir einen Weg finden, sie zu umgehen. Normalität gilt, bis wir beschließen, dass sie nicht gilt. Das Vertrauen in Politik wird nicht von „Populisten“ zerstört. Es wird von solchen Beschlüssen zerlegt, Stück für Stück, ganz „staatstragend“.
Wer die Notlage politisch reanimiert, um Geld zu ziehen, baut nicht „Resilienz“ auf. Er baut die nächste politische Explosion.

Sie müssenangemeldet sein um einen Kommentar oder eine Antwort schreiben zu können
Bitte loggen Sie sich ein