Laschet in Merkels Falle

Merkels Entscheidung für eine grüne Regierung ist gefallen. Der Kanzlerkandidat der Union kann sich nur mit dieser Entscheidung arrangieren, vielleicht, wenn es doch noch aus irgendeinem Grund gut geht, unter den Grünen Kanzler werden, die mit der Etablierung eines Klimaschutzministeriums ohnehin die Richtlinienkompetenz in einer neuen Regierung für sich beanspruchen oder Juniorpartner der SPD werden.

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Rational ist es nicht mehr zu verstehen, wenn man nicht zur Erklärung den deutschen Irrationalismus, die fatale Liebe zur politischen Romantik zu Hilfe nimmt, denn der fragwürdige Kandidat, von dem in der Wirecard-Affäre gesagt wurde, dass er nach dem Motto gehandelt habe, dass sein Name „Hase“ sei, liegt in der Wählergunst vorn. Olaf Scholz ist  der Bundesminister, der ohnehin an Musils „Mann ohne Eigenschaften“ erinnert, weil er die ideale Projektionsfläche für das neudeutsche Biedermeier verkörpert. Das folgt immer noch der alten Melodie: „immer langsam voran, immer langsam voran, damit der deutsche Michel beim Fortschritt noch nachkommen kann“. Nur dass der Fortschritt inzwischen einem fortschreitenden Aufbruch nach Phantasia, ins Reich der Utopie, weichen musste. Während die Grünen dem deutschen Wähler für die Reise nach Utopia hübsch angepinselte Tretboote anbieten, empfiehlt der Mann von der Waterkant dem deutschen Michel eine Reise auf einem seit 1989 ausgedienten Kreuzfahrtschiff der unteren Mittelklasse. Doch letztlich steht nur Tretboot oder Kreuzfahrtschiff auf dem Wahlzettel. Tertium non datur – ein drittes ist ausgeschlossen.

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Angela Merkels asymmetrische Demobilisierung hat langfristig – und vielleicht war das auch das Ziel der Frau, die alles vom Ende, also vom Reich der Utopie her bedenkt – die CDU personell wie inhaltlich zu demobilisieren. Ein Kanzlerkandidat, der sich aus ihrer Resterampe bedienen muss, hat nur die Chance, zwischen Tretboot und Kreuzfahrtschiff der unteren Mittelklasse zu wählen. Er könnte auch versuchen, eine Hybridvariante zu konstruieren, etwa ein Kreuzfahrtschiff mit E-Antrieb, wobei die Passagiere abwechselnd im Bauch des Schiffes auf Fahrrädern zu strampeln hätten, um die Batterien wieder aufzufüllen. Die Union könnte in diesem Fall sogar darauf verweisen, dass die Galeeren ökologisch völlig unbedenklich und klimaneutral waren, sieht man vom Ausatemfaktor der Ruderstrampelaktivisten ab.

Der große Freund der Linken aus dem hohen Norden, Daniel Günther, hat nun festgestellt, dass der bisherige Wahlkampf der CDU niemanden überzeuge, und in der selbstsicheren Art eines wahren Weltweisen die philosophische Erkenntnis geäußert: „Wir müssen die Themen in den Mittelpunkt rücken, die für die Menschen wichtig sind.“ Dank Parteifreund Günther weiß Armin Laschet endlich, dass er die Themen „in den Mittelpunkt rücken“ muss, „die für die Menschen wichtig sind“, eine Erkenntnis, die er vor Günthers Diktum sicher nicht besaß. Von hoher Analytik ist Günthers Aussage allein schon deshalb, weil dem geneigten Publikum entgangen sein muss, dass Armin Laschet überhaupt ein Thema in den Mittelpunkt gestellt hätte. Sekundiert wird der Magus aus dem Norden von seinem unglücklichen Kollegen aus dem Süden, Marco Wanderwitz, der unter Menschen leben muss, die „auch nach 30 Jahren nicht in der Demokratie angekommen sind.“ Der Rheinischen Post sagte der sächsische Spitzenkandidat: „Als Union haben wir es bisher nicht geschafft, den Bürgern deutlich zu machen, dass wir mit Armin Laschet das beste Personalangebot und das beste inhaltliche Angebot haben“ und fügte hinzu: „Da müssen wir nachlegen.“

Eine Kanzlerkandidatin verschwindet
Genau hier beginnt das Dilemma des Armin Laschet als Wahlkämpfer. Womit soll Armin Laschet nachlegen? Welches Thema ist den Medien, vor allem den öffentlich-rechtlichen wichtig, das kein Thema der Grünen wäre? Wenn Wanderwitz oder Günther von „Menschen“ reden, meinen sie natürlich die Medien, denn angesichts der Wahl kann es sich entweder nur um Bürger handeln, die ein Wahlrecht besitzen, oder um Medien, die „unsere Menschen“ zu erziehen haben.

Was also soll Armin Laschet tun? Mit der grünen Politik Angela Merkels, mit De-Industrialisierung und Demokratieabbau, mit Entmündigung und Zukunftsvernichtung brechen? Gar Deutschlands Interessen, das Wohl der deutschen Bürger, Freiheit, Innovation, Selbstbestimmung, Wissenschaft, Technik und eine gute Zukunft für ihre Kinder in den Mittelpunkt stellen, auf die Gefahr hin, dass diese Themen „die Menschen“ nicht interessieren und von den Medien in einer beispiellosen Kampagne auf allen Kanälen als rechts denunziert werden, denn inzwischen ist alles „rechts“, was nicht grün ist? Oder den aussichtslosen Versuch starten, grüne Idiosynkrasien abzumildern. Aber letzteres macht Armin Laschet doch schon. Er versucht, sich als besonnener Politiker zu verkaufen, der die sympathischen, aber über das Ziel hinausschießenden grünen Heißsporne zügelt, nur hat sich die altväterliche Attitüde eines bornierten Konservatismus längst überlebt. Das Falsche bleibt das Falsche, auch in abgemilderter Form.

Lügenpolitiker
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Er könnte natürlich auch ein echtes Angebot unterbreiten und die falsche und desaströse Antwort auf den noch dazu falsch interpretierten Klimawandel der Grünen einer längst überfälligen Kritik unterziehen und für die Freiheit des Bürgers eintreten. Doch das würde dem Cäsar vom Rhein die Iden des März bescheren, wenn er denn nicht schon beim Überqueren des Rubikons versenkt werden würde. Die Reaktion der Grünen und ihrer Medien wären noch harmlos zu nennen, im Vergleich zu dem, was ihm von Angela Merkel, die immer noch über beachtliche Macht in der Partei verfügt, von Günther und Wanderwitz, aber auch von Ursula von der Leyen blühte, deren Green Deal zur Maximalverschuldung Deutschlands er damit in Frage stellte. Wahrscheinlich würde auch der getreue Volker Bouffier sich noch einmal aufs Pferd setzen lassen, um den guten Armin ins Gewissen zu reden.

Merkels Entscheidung für eine grüne Regierung ist gefallen. Der Kanzlerkandidat der Union kann sich nur mit dieser Entscheidung arrangieren, vielleicht, wenn es doch noch aus irgendeinem Grund gut geht, unter den Grünen Kanzler werden, die mit der Etablierung eines Klimaschutzministeriums ohnehin die Richtlinienkompetenz in einer neuen Regierung für sich beanspruchen oder Juniorpartner der SPD werden.
Eines jedoch wird deutlich. Der Kanzlerkandidat der Union, Armin Laschet, steckt tief in Merkels Falle. Da befindet er sich an dem Ort, an dem sich Deutschland befindet. Insofern ist Laschets Position, Deutschlands Position.

Wie er den gordischen Knoten zerhauen könnte, ist mir ein Rätsel. Die Zeit, die ihm dafür zur Verfügung stand, scheint abgelaufen zu sein, denn er müsste in der Tat mit einem modernen Programm und mit einer völlig neuen Medienstrategie starten, das aber benötigt Zeit zur Vorbereitung, die Laschet verspielt hat. Er sitzt nicht nur in Merkels Falle, er ist sogar in Merkels Falle gelaufen. Rheinischer Frohsinn hilft nicht immer. Manchmal wird auch mitteldeutsche Standfestigkeit in der Art: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“, benötigt. Er hätte es wissen müssen: Die Reise nach Berlin führt über Worms, auch fünfhundert Jahre später noch – oder schon wieder.


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Kommentare ( 66 )

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the NSA
2 Jahre her

„Denk ich an D in der Nacht, werd ich um den Schlaf gebracht..“
Das gilt, galt und wird leider bis zum Ende D’s gelten.
Angelicus Merkel, wie ihr Freund Roebi Hafer-bock hat jede Zeile des Werkes von Machiavelli auswendig gelernt, viz. „Il Principe“.
„The general theme of The Prince is of accepting that the aims of princes – such as glory and survival – can justify the use of immoral means to achieve those ends.[1]“ Kurzform, Wiki
“ …..formuliert es die modernen, vom moralischen und religiösen Vorstellungen losgelösten Grundsätze der Staatsraison….“

kopfschuettelnder Buerger
2 Jahre her

AM hat ja wohl bewusst hinter den Kulissen der CDU die Fäden gezogen, damit Laschi Vorsitzender wird. Und nun wird der Kandidat von ihr und Söder bei jeder sich bietenden Gelegenheit beschädigt, so dass die Zustimmung zur CDU in den Keller rauscht. Bei der Bundestagswahl haben wir 3 K-Kandidaten: Laschi (CDU), Scholz (SPD) und Baerbock (Grüne). Wenn nun alle drei Parteien am Wahlabend etwa gleiches Stimmengewicht haben (so um 20%), kann man argumentieren, dass diese drei Parteien eine Koalition bilden, da sie inhaltlich weitgehend das Gleiche wollen. Man muss dann nur noch einen Streit inszenieren, wer bei drei „gleichstarken“ Partnern… Mehr

Giovanni
2 Jahre her

Dass wir uns mal nicht bezüglich der schwarzen bzw grünen Zukunft für Laschet täuschen. Die Deutschen mit ihrer Schrebergarten-und Gartenzwergmentalität wollen keine großen Reformen oder Veränderungen. „Sie leben im besten Deutschland, daß es je gab“. 2013 wollte der Kanzlerkandidat der SPD Steinbrück die Deutschen mit Reformen zu ihrem Besten überzeugen. Er ist damals gescheitert. Laschet weiß um das deutsche Wesen. Nachdem die grünen Mainstream-Medien den falschen weiblichen Messias Baerbock bejubelt haben, sind sie nun frustriert. Sie versuchen den Schaden gering zu halten. Sie stigmatisieren Baerbocks Konkurrenten Laschet. Sie spielen nahezu verrückt, weil sich dieser nicht zu einer Äußerung hinreißen läßt,… Mehr

Kalmus
2 Jahre her
Antworten an  Giovanni

„…großes Geschick…“, wenn ich mit meinen NRW- Bekannten, vom Bergischen Land bis kurz vor Holland, spreche, kennen die nur einen Kanzlerkandidaten: Söder.

ludwig67
2 Jahre her

Wenn ich in den weiteren Bekanntenkreis blicke, sehe ich viele ehemalige treue CDU/FDP Wähler, die nun dank Dr. M. politisch heimatlos sind. Für die gibt es nun 3 Alternativen: Mit Höcke Bauchweh AfD als Proteststimme Die FDP als Politplacebo Wahlverweigerung Ich stelle weiterhin fest, dass die Angst vor RRG deutlich abgenommen hat. Es überwiegt: Vielleicht muss das mal passieren, damit Deutschland endlich aufwacht. Die Regierung wird als Ansammlung von lächerlichen Versagern wahrgenommen. Man schwankt zwischen Witze machen und Verzweiflung. Es wird auch nichts mehr erwartet. Das Regierungsversagen beim Hochwasser wurde nur noch mit: War ja nicht anders zu erwarten, kommentiert.… Mehr

kiki667
2 Jahre her

Laschet hatte zweimal die Chance, Rückgrat und Kanzlerfähigkeit zu beweisen und sich von Merkel abzunabeln, zuletzt bei der letzten „Ministerpräsidentenkonferenz“. Er hat sie nicht genutzt. Im Gegenteil, er hat erneut den Kniefall vor Merkel gemacht. Und nun will sie mit ihm in den Wahlkampf ziehen und er lässt sich brav und glücklich von ihr am Patschihändchen nehmen. Wenn ich die beiden so anschaue, dann muss ich unweigerlich daran denken, was ich mir bei meiner Berufstätigkeit nach einschlägigen Erfahrungen für die Jobsuche zum Prinzip gemacht habe: Finger weg von zu klein geratenen Chefs, insbesondere von Frauen. Selbst wenn der Job noch… Mehr

fory63
2 Jahre her

Die CDU ist in einem internen Machtkampf gefangen. Noch hat das Entlohnungsprinzip nach Treue zur Parteiführung die Oberhand. Dieses hat ja de facto allen, die den Mund gehalten haben, genützt. Bei dieser Selbstbeschäftigung ist nur das Wahlvolk aus dem Blick geraten. Vielen Parteisoldaten wird es nun zum Verhängnis, da sie vor der Abwahl stehen. Wenn man sich die Wahlen zum Parteivorsitz anschaut und die Meinung der Parteibasis und des Wahlvolkes dazu, wird klar, wie gespalten diese Partei ist. Die nicht enden wollende Eigentherapie der CDU hat jedoch dazu geführt, dass die Themen der linken Parteien, ohne den natürlichen Widerstand einer… Mehr

Georg J
2 Jahre her

Laschet muss seine Macht als CDU- Vorsitzender endlich nutzen. Rücksicht auf Merkel muss er nicht nehmen, sie behindert ihn wo sie nur kann. Ohne ein wenig Mut wird das nichts als Kanzler.

horrex
2 Jahre her

Das Bild oben sagt doch mehr als 100 000 Worte! L. geifert um Ihre Gunst und sie winkt mürrisch missbilligend ab. DIESER Kandidat wird nie aus M’s Schatten treten. Er wird von all den im Augenblick noch starken M.-Kräften „verschlissen“ werden die Merkel etabliert hat, die sie an der Macht hielten. – (M)eine These mit der ich hier sicher wenig „Liebe“ finden werde 😉 : Auf dieses „Verschleißen“ spekuliert Söder der ja als Jugendlicher – angeblich zumindest – ein FJS-Bild über dem Bett hängen hatte. Dem ich nicht für fünf Pfennige glaube, dass er plötztlich ergrünt ist. – Das ist… Mehr

busdriver330
2 Jahre her
Antworten an  horrex

Der raffinierte Sarkus Möder, der sich als Grüner tarnt, um dann wieder als echter Konservativer heraus zu kommen. Alles Strategie ? Ich wünschte ja, Sie hätten recht.

santacroce
2 Jahre her

Die CDU und Laschet sind Merkel doch noch immer viel zu wenig grün, seit Beginn ihrer Kanzlerschaft baut sie die Partei von konservativ in irgendwas in rotgrün um.
Aber jetzt hat sie für sich selbst entschieden, die Grünen zu wählen, und so setzt sie alles daran, der CDU auch noch nachhaltig zu schaden.
Eigene Partei, eigener Kandidat, alles pillepalle.
Und die „hier schon länger Lebenden“ waren ihr schon immer total egal…

Biskaborn
2 Jahre her

Der deutsche Bürger spielt bei diesem Trauerspiel, ja bei der beginnenden Beerdigung dieses Landes, eifernd mit oder ist so borniert und bemerkt von alldem nichts. Will wohl davon nichts bemerken, so zumindest mein gefestigter Eindruck!