Exercitium: Wenn die Obrigkeit Satire bestellt

Das "Umweltsau"-Lied soll Satire gewesen sein, behauptet der WDR. Satire, bei der wir wirklich lachen, ist aber nur gegen die Mächtigen, gegen „die da oben“. Wer die sowieso schon Ohnmächtigen verspottet, die Alten zum Beispiel, hat keinen Preis für Zivilcourage verdient.

Getty Images
Symbolbild

„Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit du lange lebst in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir geben will.“ So lautet das vierte Gebot aus der Liste der zehn, die in den Tafeln eingegraben sind. Das erste Mal ergeht es in der Wüste, auf dem Marsch, in der Zeit der Zelte, das zweite Mal unmittelbar vor dem Einzug ins Heilige Land. An zwei herausgehobenen Stellen also wird dieses Gebot formuliert und sinnreich mit dem Land in Verbindung gebracht. Eine Art von Vertragsverhältnis also. Das darf uns nicht überraschen. Je älter ein kulturelles Dokument ist, umso weniger sentimental ist es, umso realistischer, trockener, härter, praktischer, lebensnäher argumentiert es, und aus unserer späten Perspektive entsteht dann der Schein, es sei umso weniger „spirituell“. Wie die Engel, je früher ihrer gedacht wird, einfach als „Männer“ erscheinen und nicht kindlich-süß wie in späteren Zeiten.

Die Entschuldigung ist die nächste Unverschämtheit

Man könnte hinzufügen, von heute aus gesehen: Ehre deinen Vater und deine Mutter, denn du tust dir damit selbst etwas Gutes. Du wirst zu einem, der weiß, wo er herkommt. Adel und Würde, so jedenfalls lautet die alte Auffassung, hat ein Mensch durch seine Herkunft, durch den Zusammenhang der Familie. Einen und eine, die wissen, wo sie herkommen, bläst man nicht so schnell um. Sie haben Wurzeln, man vertreibt sie nicht so leicht. Sie stehen. Und hinter ihnen stehen die Väter und Mütter des Vaters und der Mutter, und wiederum deren Eltern. Noch einmal gefragt: Warum ehren? Weil dieser Akt noch eine andere Stärke gibt: Man war einmal jedenfalls die Hoffnung anderer Menschen. Das trägt, es bildet (zugegeben: im Idealfall) ein festes Gewebe. Es gibt Widerstandskraft. Wer diese Kraft brechen will, muss also das Gewebe auftrennen.

WDR und Chorleiter verantwortlich
Chorakademie distanziert sich von "Umweltsau"-Video des WDR
Weil wir nun den Sinn des vierten Gebots etwas besser verstehen, können wir auch verstehen, welcher Sinn im Aufruf zu seiner Verletzung liegt. Einen Mädchenchor ließ der WDR das Lied „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“ singen, mit dem neuen Refrain: „Meine Oma ist ’ne alte Umweltsau“. Das gefiel nicht allen und der Sender hat sich inzwischen entschuldigt, er verbreitet das Video nicht mehr. Die Entschuldigung allerdings ist schon wieder die nächste Unverschämtheit: „Betroffen macht uns (…) der Vorwurf, die beteiligten Kinder seien möglicherweise ,instrumentalisiert‘ worden. Dies ist absolut nicht der Fall, trotzdem haben wir uns entschlossen, das Video zu löschen, da schon die Mutmaßung, WDR 2 hätte die Kinder des Chores instrumentalisiert, für die Redaktion unerträglich ist.“ Und dann: Es habe sich um Satire gehandelt, die leider nicht als solche verstanden worden sei. Also hat man in Wahrheit gar nichts getan, wofür man um Entschuldigung bitten müsste, und man entschuldigt sich gerade nicht, sondern lädt die Schuld gleich ein zweites Mal bei denen ab, die man beleidigt hat: Sie sind zu doof, um eine feine Satire zu verstehen.

Satire ist nur gut, wenn sie gegen die Mächtigen geht

Bei dem Stichwort Satire sind drei Fragezeichen fällig. Die Satire verspottet, zieht jemanden vom Sockel. Und deshalb gibt es, wenn man es recht bedenkt, gute Satire, bei der wir wirklich lachen, nur gegen die Mächtigen, gegen „die da oben“. Wer die sowieso schon Ohnmächtigen verspottet (die Alten zum Beispiel, aber man kann nach dem Muster „Umweltsau“ noch andere Gruppen angreifen), hat keinen Preis für Zivilcourage verdient.

Die Satire im öffentlich-rechtlichen Fernsehen der Bundesrepublik ist aber sehr oft eine, die nicht „die da oben“ verspottet, sondern von denen da oben eigens bestellt wurde.


Dieser Beitrag von Lorenz Jäger erschien zuerst in Die Tagespost. Katholische Wochenzeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur.

Unterstützung
oder

Kommentare ( 61 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

61 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Vintersoul
4 Jahre her

Was mich am meisten an der Sache stört ist, dass man in keinem der MSM Blätter die Sachlage richtig darstellen kann. Wenn man sich berechtigterweise darüber empört, dass es eben nichts mit Satire zu tun hat, wenn man Kinder instrumentalisiert und die Menschen die einem den Lohn bezahlen mit talentfreien Beiträgen beleidigt, wird einem die Stimme verwehrt in dem der Kommentar nicht durchkommt. Diese Art von Zensur ist es auch, die dem durchschnittlichen Internetlemming den Eindruck vermittelt, dass in dem Land Linksgrün auf dem Vormarsch ist, weil nur das zu lesen ist was den Autoren passt. Man unterdrückt einfach ungebetene… Mehr

Dr. Mephisto von Rehmstack
4 Jahre her

Das Verhalten der WDR Mitarbeiter, die jetzt ganz offen ihren Intendanten bloßstellen und darauf beharren, daß die Kritik an diesem beleidigenden Schmähsong unberechtigt ist und von rechten Kräften instrumentalisiert wird, erinnert mich an die Londoner Bänker, die aus den Fenstern den Demonstranten mit großen Geldscheinen hämisch zuwinkten, sie glauben wirklich, sie seien die Besseren und unangreifbar. Wenn Tom Buhrow Eier hätte, würde er diese Meuterei mit Abmahnungen beantworten, da er aber um die Stimmung in seinem Laden wissen wird, unterschreibt er nicht seine eigene Demission, naja bei 400 000 und Dienstwagen mit Chauffeur und die Arbeit ist ja eigentlich auch… Mehr

Ananda
4 Jahre her

Was mich am meisten schockiert sind die „Gegendemonstranten“, die tatsächlich den Slogan gebrauchen „wir knicken vor Hass und Hetze nicht ein“. Achtung, das bezieht sich nicht auf das super abwertende Umweltsau Video, sondern auf die Proteste der als Assies vorgeführten älteren Generation.
Die Leute leben doch in einer hermetisch abgeschirmten Dauerschleife.

Kassandra
4 Jahre her
Antworten an  Ananda

Wer kann schon wissen, wie viele Angehörige, Freunde und Bekannte von Angestellten der Anstalt da unterwegs waren, um ihre Pfründe zu verteidigen?
Ganz abgesehen von der deutlich gewaltbereiten Antifa – die sich aufstellt, um staatlich installierte Strukturen zu verteidigen?
Und wer kann schon sagen, wie viele auch diesmal wieder nicht bis zur Demo gegen die Zwangsabgabe vordringen konnten, weil sie von ebensolchen gehindert wurden?

Wenn das alles tatsächlich die sind, die in Deutschland jetzt auf gewalttätige Art und Weise das Sagen haben, kann man zivilisatorische Auseinandersetzungen, wie sie bisher möglich waren, vergessen.

R.J.
4 Jahre her

Danke für die Klärungen. Man sollte formal Folgendes bedenken. (1) Satire ist keine Beschimpfung. Sie ist intelligente Zuspitzung, Übertreibung. Siehe als Beispiel Voltaires „Candide“ gegen Leibniz. Das Lied enthielt nur Primitivität auf sowohl inhaltlicher als auch sprachlicher Ebene. Wenn das Witz sein soll, hatte den auch Väterchen Stalin oder Mütterchen Mao. (2) Satire ist konkret. Es gibt keine Satire an sich. Inhaltsfreier Sprachklamauk z.B. ist keine Satire, es sei denn, wenn er sich dann doch auf Konkretes bezieht, z.B. ein SPD-Parteiprogramm. (3a) Es handelte sich nicht um eine Satire auf die Omas. Wen unter den Adressaten sollten diese Extreme treffen?… Mehr

Michael41
4 Jahre her

Dieser Zynismus des WDR drückt das Linke Gedankengut des Senders aus es gibt dort inzwischen potentielle Kommunisten, das mit der Umweltsau ist reiner Linker Klassenhass genauso denkt unser Bundespräsident Spaltmeier, alles Linke für die die Familie zersetzt werden muß denn die Familie ist die Basis für rechtes nationales Gedankengut, das muß an der Wurzel ausgerottet werden, diese Leute können einen abgrundtiefen Hass entwickeln da werden noch viele dieser armen Polizisten draufgehen denn die dürfen sich in Berlin gegen Linke Schläger nicht wehren, ein Polizist ist für viele Linke ein Drecksbulle, teilweise haben sie in bestimmten Straßen Schilder vor der Tür… Mehr

kawilger
4 Jahre her

Es gibt wissenschaftliche Untersuchungen, die ich jetzt nicht benennen kann, da ich sie mir nicht notiert habe, die besagen, dass ein wesentlicher Anteil der Meinungsbildung und damit der Wahlkreuze, aufgrund von Satiresendungen zustande kommen. Einige behaupten sogar, dass Satiriker die neuen „Aufklärer“ unseres Jahrhunderts seien.

Ben Goldstein
4 Jahre her

Ich hatte schon einmal bei einem Beitrag zum Hühnerstall kommentiert und dafür mindestens 20 Minusse kassiert. Das ist mir natürlich nicht genug. Mehr Selbstreflexion zeigen als in der ironischen Übertreibung ist in den Gebäuden der ARD nicht drin. Von daher war das, „Du wirst nicht entkommen“-Video für mich als Satire sehr wohl von Anfang an erkennbar.

R.J.
4 Jahre her
Antworten an  Ben Goldstein

Spezifizieren Sie bitte, worauf das Satire sein soll und woran man das erkennen kann. Erläutern sie bitte auch, inwieweit das sprachliche und inhaltliche Niveau mit dem einer klassischen Satire vereinbar ist. Nennen Sie Vergleichsobjekte. Ist Herr Böhmermann der Maßstab? Eine Kloakenentleerung ist keine Satire. Und in welchem Kontext kann die maligne finale Sentenz von Fräulein Thunberg als Satire erscheinen?

Ben Goldstein
4 Jahre her
Antworten an  R.J.

Man erkennt die Satire hier sehr leicht an der Übertreibung. Es ist natürlich eine Satire auf FFF. Echte Kinder bedrohen natürlich nicht unangestiftet Omas. Greta Thunberg ist kein echtes Kind. Man kann es daran merken, dass die „gute“ Oma im Lied statt zu fliegen, 40 mal im Jahr auf ein Kreuzfahrtschiff geht. Da sollte man selbst als Deutscher merken, dass es nicht ganz ernst gemeint ist.

R.J.
4 Jahre her
Antworten an  Ben Goldstein

Wunderbar. Dann hätte aber die Reaktion des WDR, da in demselben die FFF-Fraktion total das Sagen hat, diejenige sein müssen, klar und deutlich darauf hinzuweisen, dass man sich selbst parodiert. Das geschah nie, und der anschließende „Kampf gegen Rechts“ und für die künstlerische Validität der „Satire“ entzieht dieser Interpretation jede Grundlage. Man könnte einfach sagen: sehen Sie doch, wir kritisieren uns selbst, was haben Sie nur? Übrigens haben Sie sich zu meiner Frage zum kloakesken Niveau und der – im gegebenen politischen Kontext – klar malignen Schluss-Sentenz von Fräulein Thunberg nicht geäußert. Sollten Sie jemals wirkliche Satiren und Parodien gelesen… Mehr

Ben Goldstein
4 Jahre her
Antworten an  R.J.

Die wenigsten Menschen mögen Witze mit Ankündigung. Der ÖR muss auch immer etwas Selbstkritik vorgaukeln. Sie finden ab und an sogar die Grünen verstörende Warnung vor Esoterik oder Kritik am Bürokratiewahn. Alles homöopathisch, aber es ist nun mal so. Es tut mir leid, wenn sie meine Erklärungen irgendwie nicht verstehen, aber wenn die geläuterte Oma Kreuzfahrten macht, ist das eigentlich selbsterklärend.

R.J.
4 Jahre her
Antworten an  Ben Goldstein

Ich spreche vom bezeichnenden Verhalten nachher, nicht vom Vorher. Es tut mir leid, wenn sie meine Erklärungen nicht nur irgendwie nicht verstehen.

Falk Kuebler
4 Jahre her
Antworten an  Ben Goldstein

Danke, Herr Goldstein, ich bin froh, dass es – in meinen Augen – wenigstens EINEN vernünftigen Kommentator zu diesem Artikel gibt.

Gabriele Kremmel
4 Jahre her

Man kann Satire gut oder schlecht finden, oder sich darüber ärgern. Satire, die nicht als Satire verstanden wird, ist aber eben auch keine. Da kann man auch noch so sehr behaupten, es wäre eine.

**

Frau Holle
4 Jahre her

Interessant ist auch eine Aussage des Chorleiters Davutovic aus dem Jahr 2009:

„Mir persönlich liegt viel daran, diese Offenheit der Kinder zu nutzen. Den Kindern kann man alles präsentieren, wenn sie jung sind, wenn sie im ersten, zweiten, dritten Schuljahr sind. Das nutzen wir positiv.“

Zwar meinte er damit die drei Säulen, mit denen die Kinder konfrontiert werden, nämlich Musiktheater, sakrale Musik und Chorsinfonik. Immer schön abwechselnd, damit es auch nicht langweilig wird. Aber da kann man ja auch zwischendurch ruhig mal eine „Satire“ einschieben. Den Kindern kann man ja alles schmackhaft machen. Wenn das keine Indoktrination ist…

https://www.deutschlandfunkkultur.de/kleine-saenger-mit-grosser-stimme.1153.de.html?dram%3Aarticle_id=181968&fbclid=IwAR3GLOTyS45p_iscQoe95IqxcIV5bbVB7k5mQ_mbwt1o66v4HJVLkEHtKKA

Andreas aus E.
4 Jahre her
Antworten an  Frau Holle

Sehr schöne Ausgrabung!
Die zeigt nochmals den Skandal im Skandal auf: Daß da Kinder instrumentalisiert wurden.

Wobei mir dazu noch anderer Gedanke kam: Vielleicht dämmert es einigen der instrumentalisierten Kinder, wie ihnen da geschah, auch manchen Eltern, und sie schaffen dadurch den Ausstieg aus der linksklimareligiösen WDR-Filterblase.
Dann hätte die Sache wenigsten etwas Gutes.

Albert Schaefer
4 Jahre her

Im Zusammenhang mit der Demo vor dem WDR vor einigen Tagen berichtete die „WELT“, „Rechtsextreme“ hätten demonstriert. Der WELT-Redaktion habe ich per e-Mail folgende Anfrage gesandt, welche sich bislang außer Stande sah zu antworten: Sehr geehrter Damen und Herren, eigentlich wollte ich mich auf Grund der undistanzierten Verbreitung des Aufrufes von Carola Rackete zum Bruch geltender Gesetze komplett von Ihrem Blatt zurückziehen. Nun bin ich allerdings doch bei den Vorfällen mit dem Kinderchor des WDR hängengeblieben. Sie berichteten über eine Demonstration vor dem WDR-Gebäude in Köln mit der Schlagzeile „Oma als „Umweltsau“ – Rechtsextreme demonstrieren in Köln“. Ich habe mir… Mehr

Cerberus
4 Jahre her
Antworten an  Albert Schaefer

„Ich habe mir Videoaufnahmen von der Demonstration angesehen. Zu sehen und mit Interviewbeiträgen und kurzen Vorträgen zu hören sind dort normale Bürger die sachlich und unter Beachtung der geltenden gesetzlichen Regelungen ihren Unmut über das Verhalten des WDR, welches bis hin zur Bezeichnung „Nazisau“ durch einen Mitarbeiter reichte, kundtun.“

Ich habe mir das auch direkt bei Youtube angesehen. Ganz normale Leute und eine handvoll Omas gegen rechts. Was die da wollten, hat sich mir nicht ganz erschlossen.
Perfiderweise war ein Artikel zu dieser Demo unverschämterweise im Titel auch noch mit einem Archivbild eines Neo Nazi Aufmarsches unterlegt.