Der BDI-Chef sieht die „schwerste Wirtschaftskrise seit Gründung der Bundesrepublik“ und liefert ausgerechnet eine intellektuelle Bankrotterklärung dazu: nicht Kurswechsel, nur „Gefühl“, „Symbole“, „Regeln aussetzen“. Über Energiekosten und Verbrenner-Aus wird geschwiegen, lieber wird Unternehmern mit AfD-Säuberung gedroht.
picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow
Hoffnung ist von der Wirtschaft nicht zu erwarten. Wenn das, was der BDI-Chef Peter Leibinger der SZ erzählte, der intellektuelle Standard der deutschen Wirtschaft ist, blitzen Dantes Verse am Eingang des Infernos auf: „Ihr, die ihr hier eintretet, lasst alle Hoffnung fahren“. Soviel Eiertanz, soviel Opportunismus und soviel Schwelgen in kognitiver Dissonanz ist schon erschütternd. Einerseits konstatiert Leibinger wie ein sich kühn dünkender Mitarbeiter der Konrad-Adenauer-CDU-Stiftung, dass die „neue Regierung“ – welch neue Regierung? – „gut gestartet“ sei, dann aber „im Laufe des Sommers etwas den Faden verloren“ habe.
Was bezeichnet Leibinger als guten Start? Den Bruch der Wahlversprechen? Die Mega-Verschuldung? Welchen Faden hat denn die Regierung gesponnen, den sie dann „etwas“ verloren hat? Übrigens kann man nicht „etwas“ den Faden verlieren, sondern man hat ihn verloren oder eben nicht, wie man auch nicht ein bisschen schwanger sein kann. Den Faden des Klassenkampfes gegen die Arbeitgeber hat die Regierung nicht verloren, hat doch Merz ganz im Sinne von Bas auf dem CSU-Parteitag gegen die Unternehmer geholzt. Vor dem Hintergrund bekommt Leibingers Lamento, dass man zuerst wohl die „eher einfachen Dinge angepackt“ habe, einen leicht masochistischen Zug. Nebenbei welche „eher einfachen Dinge“ sollen das sein, die von der Regierung angepackt worden sind? Der Herr wird nicht konkreter.
Zwar kann Leibinger die Realität nicht ganz außer Acht lassen, wenn er einschätzt: „Beim Start der Regierung im Mai war die Lage der Wirtschaft kritisch, die Stimmung aber hoffnungsvoll.“ Klar, man hat eine andere Wirtschaftspolitik als die Habecksche Klimaplanwirtschaft erwartet, doch die Fortsetzung der Habeckschen Klimaplanwirtschaft durch Katherina Reiche bekommen. Das gibt auch Leibinger, weil es nicht zu leugnen ist, zu: „Jetzt sind die Probleme immer noch da, viele in den Unternehmen sind aber so maßlos enttäuscht, wie ich es noch nie erlebt habe. Die Stimmung ist extrem negativ, teils regelrecht aggressiv.“ Doch auf diese klare Beschreibung folgt die tiefe Verbeugung nach dem byzantinische Hofritual von Neu-Versailles in Berlin Mitte, dass das nämlich daran läge, dass „manche Erwartungen“ seitens der Unternehmer „sicher überzogen“ waren. Die Unternehmen sind also selbst schuld, sie hatten halt zu hohe „Erwartungen“.
Darauf folgt Leibingers intellektueller Offenbarungseid: „Die Regierung müsste den Menschen besser das Gefühl vermitteln, dass es in die richtige Richtung geht.“ Leibingers Stein des Weisen: die Regierung muss gar nicht einmal in die „richtige Richtung“ gehen, es reicht schon, wenn die Regierung unseren Menschen das „Gefühl“ gibt, dass es in die richtige Richtung läuft, ganz gleich, in welche Richtung es tatsächlich geht. Wir sollen glauben, auch wenn wir belogen werden. „Was wir bräuchten, wären erkennbare Symbole.“ Also eine Monstranz? Ein neues Transsubstantiationsdogma, dass sich Brot in Leib, also Schulden in Gewinne, und Wein in Blut, also De-Industrialisierung in Wohlstand verwandelt. Leibinger bettelt, dass die Regierung „Vorschriften einfach mal aussetzt“. Doch das Wort Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz kommt ihm nicht über die Lippen. Der Herr ist undankbar, die Regierung versucht doch gerade seine Wünsche zu erfüllen, indem sie eine Fülle von Regeln außer Kraft setzen will, nur dass die alle mit den Bürgerrechten in Zusammenhang stehen, mit den Rechten der Bürger gegen den übergriffigen Energiewendestaat.
Der leisetretende Vertreter der deutschen Wirtschaft empfindet es bereits als „zugespitzten Aussage“, wenn er noch zurückhaltend kühl die Realität beschreibt: „Wir stecken in der schwersten Wirtschaftskrise seit Gründung der Bundesrepublik – längste Rezession, Produktionsschwund seit 2018, geringes Produktivitätswachstum, Letzter im Wachstum unter den großen Volkswirtschaften. Unser Gesellschaftsmodell droht uns zwischen den Fingern zu zerrinnen.“ Leibinger hat recht, die Wirtschaft ist im freien Fall – leider auch intellektuell, wenn man das Interview liest. Der Mann glaubt tatsächlich, er könne chinesische Firmen in Joint Ventures mit europäischen Firmen zwingen.
Leibinger halluziniert über die „Grundstoffindustrien“, über die Autobauer, über die Stahlindustrie, findet alle möglichen zum Teil richtige, zum Teil sekundäre oder tertiäre Begründungen, doch primäre Gründe wie die zu hohen Energiekosten aufgrund der grünkommunistischen Energiewende, die Marktverzerrung durch die CO-2 Bepreisung, der dirigistische Eingriff durch das Verbrenner-Aus kommen ihm nicht über die Lippen. Er schweigt geradezu schreiend laut über die Energiekosten, über die Energiepolitik. Dass gerade das Verbrenner-Aus die beste Unterstützung für die Chinesen darstellt, den deutschen Markt zu erobern, kommt Leibinger nicht in den Sinn, der darüber sinniert, dass der Staat viel Geld ausgeben sollte, um Produktionsstätten zu subventionieren, in denen die Deutschen, vielleicht anstatt Autos zu bauen, Chips und Batterien feilen. „Rein marktgetrieben würde man hierzulande keine Fabrik bauen, die zu hohen Kosten die sogenannte Leading Edge Devices, die kleinste aktuelle Chipgeneration, herstellt – für die es in Deutschland momentan keinen Markt gibt und der Export aufgrund starker Konkurrenz nicht lohnt. Eine Fabrik dort zu bauen, wo alle Bedingungen schlechter sind und der Markt gar nicht da ist – das kann allenfalls aus strategischen, geoökonomischen Überlegungen sinnvoll sein: Wir möchten lernen, wie das geht, weil wir diese Wertschöpfung am Standort haben wollen.“ Das ist ökonomisch zwar vollkommen sinnlos, aber noch einmal 1000 Milliarden Euro würde die Regierung doch sicher aufnehmen können, damit wir alle lernen dürfen. Statt Volkswirtschaft Volksbildung. Statt Marktwirtschaft Planwirtschaft. Statt dem freien Spiel der Kräfte die Vierjahres- oder Fünjahresplan-Wirtschaft.
Doch eigentlich ist das alles unwichtig. Wichtig ist nur Haltung! Leibinger und Co. „sind da völlig eindeutig: Parteien, deren Grundprinzip die Polarisierung der Gesellschaft und das Säen von Hass ist, rütteln nach unserer festen Überzeugung an den Grundfesten unseres Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells.“ Und dann stimmt Leibinger den Antifa-Sound an: „Dabei habe ich das Wirtschaftsprogramm der AfD noch nicht mal erwähnt: Austritt aus der EU, Austritt aus dem Euro, Schluss mit Zuwanderung – das alles wäre eine Katastrophe für unser Land.“ Wenn die Turbomigration in die deutschen Sozialsysteme aufhören würde, wenn Weihnachtsmärkte und Sylvesterkonzerte nicht mehr aus Sicherheitsgründen abgesagt werden müssten, wäre das also „eine Katastrophe für unser Land“? Leibinger ärgert sich, dass unter den Wählern der AfD „Unternehmer“ sind und droht schon mal: „Wir haben in den Gremien aber einen Verhaltenskodex, und wenn jemand dagegen verstößt, werden wir ihn oder sie bitten zu gehen.“ Die kommunistische Linke ist okay, die woken die Wirtschaft zerstörenden Grünen sind okay – die AfD aber nicht? Denn die kommunistische Partei Die Linke, die Grünen, die in den Klassenkampf gegen die Unternehmer stürmende SPD, die links- und grünwillige Union sind die Parteien der Mitte? Der BDI-Chef verirrt sich in eine weitere kognitive Dissonanz: er verlangt von den Parteien die Lösung der Probleme, die die Probleme erst geschaffen haben.
Aber Peter Leibinger kommt aus Schwaben – und das grüne Schwaben geht wirtschaftlich gerade im Galopp den Bach herunter. Freier Fall, nannte das Leibinger. Doch wenn man Leibinger so zuhört, bleibt kein anderes Fazit: selbst gewählt, selbst gewollt. Im Jüdischen Museum hatte Leibinger getönt: „Es wird auch auf uns Unternehmer ankommen, dass wir als Land den richtigen Weg gehen.“ Wenn es auf die Unternehmer ankommt, kann man nach Leibingers Interview nur deprimiert schlussfolgern, wird Deutschland den falschen Weg geht.

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Leibinger ist ein typischer Vetreter einer leistungslos zu Wohlstand gelangten Erbengeneration, die sich nur einmal im Monat aus ihrem Luxusresort aufmacht, um den Betrieb zu besuchen, dort Großmannreden zu schwingen und den Arbeitern das Rauchen zu verbieten.
CEOs anderer Sprech- und Denkart finden öffentlich nicht statt.
Ich kann mich nur wiederholen: Links ist Klassenkampf von Oben. Leibinger, seine Verdienste um das Unternehmen Trumpf ungenommen, ist letztlich Erbe dieses Unternehmens und – nicht nur, aber sicher auch – deshalb hauptberuflich Vorsitzender eines „Vereins“. Erst recht eines Vereines, für welchen Nähe zum politischen System existentiell ist. Zu erwarten, dass einem Leibinger hier hier Provokatives herausrutscht ist realitätsfern, aus mehreren Gründen. 1) Mit wem redet er dort? Übertreibt er es etwas, werden die Beamten-Boomer, welche die SZ abonnieren, das Magazin mit Hassmails überschütten. Dann war dies das letzte Interview. Übertreibt er es mehr, wird das Interview einfach nie gedruckt,… Mehr
„Nicht jene, die streiten sind zu fürchten, sondern jene, die ausweichen.“
Marie von Ebner-Eschenbach
Der Mensch funktioniert nur unter Druck gut.
Ich hoffe Donald wird ein Hundertjähriger.
Seit Jahren schreibe ich, das die Wirtschaft die größten Opportunisten sind und maßgeblich Mitschuld am Niedergang des Landes sind, es ist erfreulich, das die Autoren von TE auch langsam zu dieser Erkenntnis gelangen. Solange solche Verbandsvertreter geduldet und von den Wirtschaftsführern hofiert werden, ist der finale Niedergang nicht mehr aufzuhalten! Politik, Medien, Wirtschaft, Gewerkschaften haben sich eingehakt zu einem zentralen Zweck, uns möge es noch lange gut gehen, das Land, der Wohlstand die Menschen sind uns egal, allenfalls noch geduldete Mittel zum Zweck!
Es ist zwar final sinnlos, aber bei derartigen Einlassungen drängt sich immer wieder die Frage auf, ist es eine schier bodenlose Dummheit, Ideologie oder Boshaftigkeit. Dazu genören explizit die idiotischen Aussagen zur EU und zum Euro. Wobei die Sympathien bestimmter Unternehmer für beide Konstrukte durchaus nachvollziehbar sind. Zunächst. Auf längere Sicht muss den Herrn die Entwicklung persönlich nicht allzusehr beunruhigen, wirtschaftpolitisch und sozial ist sie desaströs. Sie führt geradewegs in den , vielleicht gewollten, Untergang eines früheren Exportweltmeisters. Man kann es immer noch kaum glauben, dass ein Typ wie dieser in einem derart katastrophalen Ausmass unterbelichtet ist . Übrigens komme… Mehr
Pfeiffen, Waschlappen , Mitläufer,Leute ohne Rückgrad, Scheimer und in den Allerwertesten kriecher, Land auf , Land ab und überall. Der BDI war immer vorn mit dabei, wenn es darum ging irgendetwas zu Wänden , bestehende Strukturen zu zerstören, Vernüftiges in die Tonne zu kloppen. Die Aussicht auch damit die große Kohle machen zu können, Subventionen abzugreifen oder auch nur einmal zum Katzentisch des Regiemes geladen zu werden, war einfach zu verlockend und hat viele den Verstand gekostet. Das da einmal das Geld ausgehen könnte und das nicht ewig so weiter gehen kann, lag ausserhalb von dem , was sie sich… Mehr
Der BDI-Chef…hier hat doch die ganze wirtschaft bis auf wenige ausnahmen mitgemacht. Egal auf welche unternehmensseite man geht es wird mit grüner ideologie geworben. Man ist doch auf dieses pferd aufgesprungen weil man damit dem kunden etwas besser/teurer verkaufen kann. Und jetzt jammert man rum will aber den fehler den man selber gemacht hat nicht eingestehen. Auch herr Peter Leibinger profitiert ja scheinbar von dem grünen wahnsinn…. Peter Leibinger ist ein deutscher Maschinenbauingenieur und Manager, bekannt als zukünftiger Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) ab 2025 und als ehemaliger stellvertretender Vorstandsvorsitzender (CTO) der TRUMPF Gruppe, der seit Juli 2023… Mehr
Erst jammert Leibinger rum, dass die Wirtschaft sich im freien Fall befindet und die Stimmung „aggressiv“ ist, um 3 Sätze später über die AfD und deren Schwefelgeruch zu sinnieren.
Auf die Idee, dass die „aggressive“ Stimmung sich
Im Wahlergebnis der AfD widerspiegeln könnte, kommt dieser Freizeitphilosph des BDI natürlich nicht.
Diese ganzen Chef-Clowns aus Verbänden und Vereinigungen sind zwar mehrheitlich geistig insolvent, hören aber nicht auf intellektuellen Schwachsinn zu produzieren.
Er ist ein weichgespülter Schwätzer wie die Vorsitzende der Familienunternehmer, welche die soziale Marktwirtschaft wirtschaftsfeindlich genannt hat.