Demokratie oder Brandmauer steht auf dem Wahlzettel

Bei der Abstimmung im Bundestag über drei Verfassungsrichter steht die Unabhängigkeit des höchsten Gerichts selbst auf dem Spiel. Zwischen Brandmauer, Drohungen von links und den Grünen als Scharnier zwischen Union und Linken zeigt sich: Es geht darum, die linke und extrem-linke Macht zu sichern.

picture alliance / Daniel Kalker | Daniel Kalker

Heute Nachmittag werden drei Richter für das Bundesverfassungsgericht gewählt, zwei Wahlvorschläge der SPD – zwei Juristinnen: die eine auffällig unauffällig, die andere grünextrem mit staatstotalitären Neigungen –, der dritte von der Union, ein solider Jurist. Die beiden SPD-Kandidatinnen werden vom Brandmauerkomplex aus Linke (SED), Grüne, SPD und Union trotz Unvereinbarkeitsbeschluss gewählt werden.

Ihren Kandidaten, Günter Spinner, wird die Union wohl nur durchbekommen, wenn die AfD ihn mitwählt. Denn die Linke hat schon deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie dem CDU-Kandidaten ihre Stimme verweigern wird, wenn nicht Jens Spahn zuvor auf den Knien in ihre Fraktion gerutscht käme. Genussvoll zitierte Schwerdtner dabei Friedrich Merz, der einen Ausdruck prägte, der auch Ulbricht gefallen hätte, nämlich Zufallsmehrheit. „Ich kann immer wieder nur betonen, dass die Verantwortung bei der CDU liegt, dass es nicht zu Zufallsmehrheiten kommt.“

Richterwahl am Donnerstag:
Das Schicksal der Demokratie liegt in den Händen der Union
Und Reichinnek hat für ihre Fraktion bekräftigt: „Wir haben deswegen miteinander vereinbart, dass es sich bei dieser Wahl um eine Gewissensentscheidung handelt und unsere Abgeordneten jeweils für sich entscheiden, wie sie sich bei der Wahl verhalten.“ Machtbewusst lässt Schwerdtner Spahn im selbstgeknüpften Netz zappeln: „Ich halte nicht so viel von Vertreterlösungen, insbesondere wenn es darum geht, einen CDU-Kandidaten zu wählen.“

Die Ansage dürfte unmissverständlich sein. Und: „Also wenn die CDU möchte, dass ihr Kandidat gewählt wird, dann müssen sie sich selbst auch raustrauen. Dieses ganze Um-die-Ecke-Spielen, den Unvereinbarkeitsbeschluss in irgendeiner Weise zu umgehen, halte ich persönlich für wirklich lächerlich.“ Ob Jens Spahn in tiefer Nacht mit angeklebtem Bärtchen in der Fraktion der Linken erschienen ist und brav Pfötchen gegeben hat, weiß man nicht.

Verzweifelt haben die Grünen deshalb die Linksfraktion dazu aufgerufen, den Unions-Kandidaten Spinner mitzuwählen. Offensichtlich sind die Grünen das Scharnier zwischen Linken und Union, denn so Banaszak: „Jens Spahn und Matthias Miersch hätten das gerade fast schon wieder verbockt“, wenn, möchte man fortsetzen, die Grünen nicht für Ordnung hinter der Brandmauer gesorgt hätten. Einen kleinen Trumpf hatte sich die Union noch gelassen, dass nämlich laut Tagesordnung zuerst Spinner, dann Kaufhold, dann Emmenegger zur Wahl stehen. Sollte nämlich die Wahl von Spinner platzen, weil Linke und AfD ihn nicht wählen, dann würde die Wahl zumindest von Kaufhold auch platzen.

Wie erfolgreich die Grünen waren, wird man sehen, denn Reichinnek sagte den „ARD-Tagesthemen“, dass sie sich Gespräche mit der Union gewünscht hätte. „Dem hat sich die Union verweigert und riskiert damit zum zweiten Mal, dass diese Wahl in den Sand gesetzt wird.“

Nach jetzigem Stand wird Günter Spinner von Grünen, SPD und Union und auch von der AfD gewählt. Die Linke wird machen, was die Linke machen wird, Linkes also. Wahrscheinlich wird es in der Union wohl kaum genügend Abgeordnete geben, denen das Gewissen schlägt und sie deshalb zum Wohle des Landes und der Demokratie eine Wahl von Ann-Katrin Kaufhold zur Verfassungsrichterin, zur Vizepräsidentin des Verfassungsgerichtes und damit in fünf Jahren zur Präsidentin des Verfassungsgerichtes verhindern.

Wir dürfen gespannt sein. Demokratie oder Brandmauer steht auf dem Wahlzettel.


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Kommentare ( 14 )

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Mausi
2 Monate her

Werden die Richter im Paket gewählt oder einzeln? Und wenn im Paket, wieso ist eine Paketwahl zulässig?

Last edited 2 Monate her by Mausi
Nachrufer
2 Monate her
Antworten an  Mausi

Wird im drittletzten größeren Absatz erklärt: „ Einen kleinen Trumpf hatte sich die Union noch gelassen, dass nämlich laut Tagesordnung zuerst Spinner, dann Kaufhold, dann Emmenegger zur Wahl stehen. Sollte nämlich die Wahl von Spinner platzen, weil Linke und AfD ihn nicht wählen, dann würde die Wahl zumindest von Kaufhold auch platzen“.

Nachrufer
2 Monate her
Antworten an  Nachrufer

Wie Herr Mai in seinem neuesten Tichy-Beitrag schreibt (Der Bundestag hat gewählt – die Neutralität des Verfassungsgerichts ist Geschichte), standen doch alle drei auf einer einzigen Wahlkarte. Das Verfahren sei kurzfristig geändert worden. Wer das wohl beantragt haben mag…

Ludwig von Gerlach
2 Monate her

Wieso ist RinBVerwG Dr. Emmenegger“auffällig unauffällig“ und nur VRBAG Dr. Spinner ein „solider Jurist“? Offenbar haben auch die alternativen Medien hin und wieder ein Framingproblem.

Klaus Uhltzscht
2 Monate her

Ich kenne jetzt nicht genau die Grenzen des Sagbaren, aber in der anderen DDR hieß diese Herrschaftsform sozialistische Diktatur.

Klaus Uhltzscht
2 Monate her

Eine Frage:
Hat sich eigentlich auch mal das Verfassungsgericht während dieser ganzen Schmierenkomödie zu Wort gemeldet? Die müssen dort doch auch ein Interesse haben, welche U-Boote dort eingeschleust werden, und wie es um den eigenen Ruf steht. Von Neutralität rede ich schon gar nicht mehr.
Aber wahrscheinlich schmeißt Frau Merkel jeden aus dem Verfassungsgericht, der den Mund aufmacht.

Mausi
2 Monate her
Antworten an  Klaus Uhltzscht

Na ja, das Gericht als solches mit einer einheitlichen Meinung gibt es ja nicht. Und dass sich das Gericht äußert, würde ich auch für unangemessen halten. Das Vorschlagsrecht und die Wahl liegt bei anderen. Und aufgrund der Gewaltenteilung kann das Gericht nichts sagen. Oder soll es sich gebärden wie der Verfassungsschutz?

Sohn
2 Monate her

Der Gewinner steht schon jetzt so gut wie fest. Die Demokratie wird es wohl nicht sein.
Sicher wird es so einige Bürger geben, die den anstehenden linken Staats-, Überwachungs- und Enteignungsphantasien zu entkommen trachten. Machen wir uns daher auf eine Wiederkehr der Ausreisegenehmigungen gefaßt. Und andere nette SED-Spielchen.

Ecke
2 Monate her

Es wird bedauerlicherweise alles seinen sozialistischen Gang nehmen, wie die 15.000 Jobs, die bei Bosch in Deutschland wegfallen sollen. Danke CDU und ihren Zampano Friedrich.

Greif
2 Monate her
Antworten an  Ecke

Ganz aktuell aus den SWR 1 BW Nachrichten – nicht 15.000 – sondern 22.000!

Kassandra
2 Monate her
Antworten an  Greif

Na – immerhin wird uns die Bosch-Stiftung erhalten bleiben.
https://www.bosch-stiftung.de/de

Klaus D
2 Monate her

linke und extrem-linke Macht….für mich hat das nichts mit politisch links zu tun…aber ok mal ausgehend davon das es das wäre – wie konnte es dazu kommen? Hat die politisch rechte (CDU CSU FDP) total versagt oder hat man es sich nicht mit der SPD und den Grünen in der MITTE gemütlich gemacht. Und wenn wir jetzt nach rechts rutschen würden (rechte und extrem-rechte Macht) wäre das dann besser? Ich meine egal was da kommen wird es wird extrem werden.

Rasio Brelugi
2 Monate her

Bei diesem Geschacher muss man größte Sorge haben, dass als nächste demokratische Bastion das Bundesverfassungsgericht endgültig fällt.
Nach gut 100 Jahren muss man zusammenfassen: Die freiheitlich-demokratischen Kräfte sind in Deutschland zu schwach, sie sind einfach zu schwach.
Vielleicht muss man mit Blick auf die Situation der AfD noch härter formulieren: Die freiheitlich-demokratischen Kräfte sind in Deutschland nicht nur zu schwach, sondern überdies der Gefahr der Diffamierung und Gewalt ausgesetzt.

Last edited 2 Monate her by Rasio Brelugi
Delegro
2 Monate her

Nicht`s ist spannend. Was soll die AfD machen? Spinner nicht wählen und darauf hoffen, dass die CDU dann Kaufhold auch nicht wählt. Viel zu vage. Gerade bei der CDU, der man keinen Zentimeter mehr über den Weg trauen kann. Also wird die AfD wohl Spinner wählen. Das Altparteienkartell links (incl. CDU) wird dann Kaufhold durchwinken. Emmeneger wird wohl grds. gewählt werden. Was für ein undemokratisches Schauspiel. Mit Kaufhold im Amt wird das Bundesverfassungsgericht einen ganz strammen Linksdrall bekommen. Auf in den Sozialismus. Vorwärts immer, rückwärts nimmer!