Berlin: Eine Teilwahl zum Vergessen

In Berlin findet am Sonntag die Teilwiederholung der Bundestagswahl statt. Für viele ruft das Ereignis nur Achselzucken hervor: politisch bewegt sich wenig, die Medien berichten kaum und über allem schwebt der unbefriedigende Spruch des Verfassungsgerichts.

IMAGO / Emmanuele Contini
Wahllokal in Berlin, 26.9.2021
In Berlin wird gewählt – mal wieder. Nach der Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl vor einem Jahr folgt morgen die teilweise Wiederholung der Bundestagswahl. Beide Wahlen hätte es vermutlich unter normalen Umständen nicht gegeben. Denn trotz chaotischer Zustände hatte die Berliner Regierung die Diskussion darüber nach ein paar Monaten für beendet erklärt. Die mit Mühe zusammengeschmiedete Linkskoalition in der Hauptstadt sollte schließlich nicht wieder wanken.

Auf welch tönernen Füßen das Bündnis stand, zeigte sich nur nach dem wiederholten Urnengang. Die SPD zeigte sich trotz Abstrafung und Verlust des Bürgermeisteramtes willig, mit dem Wahlgewinner CDU zu koalieren. Dass sich unter Kai Wegner nicht viel geändert hat, hat sich mittlerweile herumgesprochen. In Berlin freilich kein Grund zur Aufregung: da es sich um Wiederholungswahlen handelte, wird das gesamte Abgeordnetenhaus bereits in zwei Jahren wieder neu gewählt.

Zurück zu den Bundestagswahlen. Für die gilt wie für die Abgeordnetenhauswahlen: ungewollte bürokratische Vorgänge aus der Sicht von Regierung und Verwaltung. Dass das Bundesverfassungsgericht nur eine teilweise Wiederholung für bestimmte Bezirke anordnete, statt eine komplette Wiederholung, während der Verfassungsgerichtshof Berlin letztere wegen derselben Mängel am selben Tag anordnete, ist ein Kapitel für die Geschichtsbücher. Dass bei der Aufklärung nicht die Platzhirsche der Massenmedien oder gar des öffentlich-rechtlichen Rundfunks den Ton angaben, sondern TE, ist mittlerweile bekannt – bei denen, die es wissen wollen.

Auch bei dieser Bundestagswahlen nehmen die öffentlich-rechtlichen Medien eine besondere Stellung ein – indem sie wie bei der Aufklärung keine einnehmen. Anders als sonst spielen die Wahlen in einem Bundesland eine untergeordnete Rolle. Fast hat man den Eindruck, man möchte sie wie die damaligen „Pannen“ ausklammern. Das Vertrauen in die Demokratie ist in diesem Land so wichtig. So denn die richtigen Parteien gewählt werden.

Und so ein bisschen Skepsis könnte man tatsächlich hegen, denn in Berlin passieren nicht nur Pannen, sondern es ist die Pannenhauptstadt – städtisch wie bundespolitisch. Der Verfassungsgerichtshof hat bekanntlich damit argumentiert, die Abgeordnetenhauswahl auch deswegen komplett zu wiederholen, weil sonst das Vertrauen in die Demokratie Schaden nehmen könnte. Sollte also die Abgeordnetenhauswahl dieses Vertrauen wiederhergestellt haben, kann das bei einer teilweisen Wiederholung konsequenterweise auch nur teilweise passieren.

Laut Landeswahlleiter Stephan Bröchler ist Berlin „gut vorbereitet, um die Teilwiederholungswahl zum Deutschen Bundestag zu realisieren“. Bei rund 550.000 Wahlberechtigten dürfte das auch keine Herausforderung sein.

Anders als bei der Abgeordnetenhauswahl geht es für die Bürger – um gefühlt nichts. Bereits die Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl galt als wenig frequentiert, doch ihr haftete die Möglichkeit an, dass es zu einem Regierungswechsel kommen könnte. Die wenigen Bundestagskandidaten, die von einer Wahlwiederholung betroffen sind, werden wohl kaum die Berliner vor den Ofen hervorlocken. Ein Grund, dass die Berlinwahl 2021 aus den Fugen geriet, war nicht zuletzt die Akkumulierung von drei Wahlterminen gepaart mit einem Marathonlauf. Im trüben Februar ist davon nichts zu sehen und auch wenig zu erwarten.

Laut Tagesspiegel laufen in der Berliner U-Bahn sogar Wahlaufrufe. Über der Teilwiederholung hängt also weniger der Schatten der Pannen oder gar ein politischer Wechsel. Vielmehr droht der Wahlgang schlicht in Vergessenheit zu geraten. Bröchler sah sich gezwungen, ein Video zu schalten: „Berlin braucht ihre Stimme“. Während 2021 mit dem Rotstift Stimmen zur Verfügungsmasse wurden, lechzt man heute nach ihnen.

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Kommentare ( 16 )

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Eberhard
2 Monate her

Morgen darf ich noch einmal wählen, obwohl ein Bundestag vor zwei Jahren zustande kam, für den meine Stimme nur einen fraglichen Wert besaß und so dessen Beschlüsse für alle Nochmal-Wähler eigentlich ebenfalls fragwürdig bleiben. Diese nach zwei Jahren vom Bundesverfassungsgericht angesetzte Wiederholung ändert nichts an den beschämenden Vorgängen vor zwei Jahren, noch wird sie das Demokratieverständnis der Versager beeinflussen. Auch wird sie nichts am gegenwärtigen Zustand unseres Landes verändern. Politische Moral ist nicht die Stärke einer Parteiendemokratie. Sonst müsste die Ampel schon längst die Reißleine gezogen haben. Ich werde trotzdem, auch wenn sich dadurch nichts ändert, an dieser fraglichen Nachwahl… Mehr

Hinrich Mock
2 Monate her

Und die Moral von der Geschicht‘: Nur wer sich erwischen läßt, muß -vielleicht- neu wählen, die andern nicht. Wenn die Demokratie keinen Schaden nehmen soll, darf man ihr Hochamt nicht vermasseln. Dazu muß es wasserdicht sein. Davon kann wohl keine Rede sein, ebensowenig vom Willen zur Aufklärung bei den Mandatsträgern, übrigens auch denen der AfD.

Siggi
2 Monate her

Am Ergebnis wird das nichts ändern. Die Kumpanei und Vetternwirtschaft in Berlin waren schon immer die tragenden Säulen. Berlin ist und bleibt links-grün-islamsch; insbesondere die woke links-grüne Justiz. Dort wird sich nichts mehr verbessern, nur noch verschlechtern.

ketzerlehrling
2 Monate her

Wozu das Ganze? Es wird keine anderen Ergebnisse geben, die Altparteien bleiben an der Macht, egal, wie gewählt wird, wobei ich auch den Berlinern nicht zutraue, endlich das Richtige zu tun.

kasimir
2 Monate her

In Berlin gibt es eigentlich nicht so wirklich eine „Faschingstradition“ wie z.B. im Rheinland. Als die Bonner Regierung nach Berlin umzog, hat man immer mal mit organisierten Straßenumzügen probiert, die Leute zu animieren. War eher wenig erfolgreich. Meistens gibt es am Montag einen gefüllten Pfannkuchen und das war’s dann.
Ich (Berlinerin) hatte meine letzte Faschingsparty wahrscheinlich in der 4. Klasse, das war von der Schule organisiert.
So etwas wie Faschingssonntag gibt es in Berlin nicht…

eifelerjong
2 Monate her

Weil diese „Teilwahl“ nichts anderes als eine Karnevalsveranstaltung darstellt.
Mit den rotverkleideten sog. Bundesrichtern als Elferrat.
Nur ihre Narrenkappen sehen anders aus.

eifelerjong
2 Monate her

„Teilwahl zum Vergessen“?
Ganz im Gegenteil, sie sollte eingebrannt in Erinnerung bleiben, als Beispiel, wie hierzulande das höchste Gericht politisch willfährig urteilte.
Ein erbärmliches Beispiel für eine Gesinnungsjustiz!
So delegitimiert man sich nicht nur selbst, sondern auch die Restdemokratie dieses Landes.

Last edited 2 Monate her by eifelerjong
Klaus F
2 Monate her

Wenn jemand den verkommenen und verlogenen Politikern einen Bärendienst erwiesen hat, dann ist es das Bundesverfassungsgericht. Wozu wählen, wenn das Ergebnis bereits feststeht? Jetzt zahlt sich aus, dass Regierungsverantwortliche regelmäßig mit den Damen und Herren des Bundesverfassungsgerichts essen gegangen sind. Das war doch mal eine lohnende Investition in die Machterhaltung. Es ist kein Wunder, dass das Vertrauen in die Rechtsprechung und die Politik längst verloren gegangen ist. Der Bürger wird für dumm verkauft, und niemand merkt es.

Uwe Jacobs
2 Monate her

So etwas wäre vielleicht hier im Rheinland denkbar – ich glaube aber nicht, dass die „Verantwortlichen“ im Bundes-Hauptslum dieses Ereignis auf dem Schirm hatten. Mit Humor und der damit verbundenen Fähigkeit zur Selbstkritik haben diese Leute nach meiner Wahrnehmung so gut wie nichts am Hut.

Alf
2 Monate her

Eine Teilwahl macht keinen Sinn. Auch eine Wiederholung macht keinen Sinn, wenn die Bundestagswahl im Rest der Republik schon gelaufen ist. Die Teilwahl/Wiederholung in Kenntnis der Ergebnisse des Rests ist eine Farce. Mit Demokratie hat das nichts zu tun. Statt die Wahl im ganzen Bund zu wiederholen – dies wäre die einzig sinnvolle Sanktion – tätowieren unsere Politdarsteller und Gerichte Ameisen.Dies zeigt, daß unsere wehrhafte Demokratie zum Spielball der Parteien verkommen ist.