Annalena Baerbock erhebt Anspruch auf die Kanzlerkandidatur der Grünen

Das Interview, das Annalena Baerbock dem Handelsblatt gegeben hat, ist als Angriff auf Robert Habeck zu werten.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Ebrahim Noroozi

Wie volkswirtschaftlich desaströs Baerbocks Vorstellungen für Deutschland sind, hat sie im Interview mit dem Handelsblatt, in dem es vor allem um Außenhandelspolitik bzw. Außenwirtschaftspolitik geht, zu Protokoll gegeben. Dass Annalena Baerbock in Habecks Bereich wildert und Wirtschaftskompetenz beweisen will, die sie genauso wenig wie ihr Konkurrent um die Kanzlerkandidatur bei den Grünen besitzt, verdeutlicht sie im Interview, an dem Heerscharen von Kommunikationsexperten mitgearbeitet haben dürften.

Das Interview kann man mit gutem Grund als Angriff auf Robert Habeck werten. Am Ende des Gesprächs lässt sie die Frage zu: „Es wirkt derzeit ein bisschen so, als bringe sich Ihr Parteikollege Robert Habeck in Stellung, Kanzlerkandidat der Grünen zu werden. Von Ihnen vernimmt man dagegen wenig Bestrebungen in diese Richtung. Haben Sie das Ziel aufgegeben?“ Im Vergleich dazu reduziert sich selbst ein Zaunpfahl zum Zahnstocher. Und damit es auch der Begriffsstutzigste erfasst, antwortet Baerbock darauf mit Unschuldsmine und Augenaufschlag brav und nur allzu selbstlos: „Sowohl für Robert Habeck als auch für mich gilt: Diese Zeiten sind zu turbulent, als dass wir uns anderthalb Jahre vor der Bundestagswahl über Personalfragen den Kopf zerbrechen, zumal kurz vor der so wichtigen Europawahl. Und bekanntermaßen ist die Welt mit dem furchtbaren Konflikt in Nahost nicht friedlicher geworden. Daher bin ich als Außenministerin noch mehr in der Welt unterwegs, gebe also auch seltener Interviews als meine Kabinettskollegen.“ Da fällt allen ein Stein vom Herzen, dass Baerbock ihre ganze Pattensensche Courage zusammengenommen hat und auf Fidschi die deutsche Demokratie verteidigt und auf Palau mit Einheimischen kocht.

Sie setzt auf ihre „Realitätserfahrung“
Nicht Mutti, sondern Mom - Annalena Baerbocks erster großer TV-Auftritt als Kanzlerkandidatin
Wie ihr Rivale um die Kanzlerkandidatur schwelgt auch sie in der Welt des Staatsinterventionismus, der Subventionen, der Eingriffe in den Markt und des Verhängens von Strafzöllen. Würde man die Geschichte des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW), die Geschichte des Binnenmarktes der sozialistischen Staaten, nebst ökonomischem Fiasko, nicht kennen, würde man vielleicht so polierten Sätzen wie „Je stärker der europäische Binnenmarkt, desto stärker auch die europäische Strahlkraft“ auf den Leim gehen. Doch in Wahrheit steigt erstens die europäische Strahlkraft, aber eigentlich nur die deutsche mit Blick auf die Massenmigration in die deutschen Sozialsysteme ins Unermessliche und ins Unbezahlbare. Zweitens geht es dem europäischen Binnenmarkt umso besser, je weniger Politiker daran herumdoktern, und drittens stellt sich überhaupt die Frage, was Baerbock unter Stärke mit Blick auf den Markt versteht.

Das findet man allerdings nur zwischen den Phrasen. Baerbock posaunt im Steinmeier-Stil: „Die EU ist unsere Lebensversicherung für Frieden und Freiheit. Ihr Fundament sind unsere rechtsstaatlichen Prinzipien – Werte und Regeln.“ Zum einen wirft Baerbock Äpfel und Birnen durcheinander, denn Prinzipien sind keine Werte und Regeln, sie können im weitesten Sinne auf der Grundlage von Werten geschaffen werden und zur Grundlage von Regeln im Sinne von Gesetzen werden. Wichtiger aber ist, dass der Satz frei übersetzt heißt, dass Baerbock als Fundament der EU Werte und Regeln, also Ideologie und Bürokratie sieht.

Was ist eigentlich mit Interessen? Und vor allem, in welchem Interesse macht Baerbock Politik? Die Frau aus dem Völkerrecht dreht dem Wirtschaftsminister, der von Hühnern und Schweinen kommt, eine lange Nase im Interview, wenn sie feststellt, dass zur „Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit“ noch Hausaufgaben zu erledigen seien – die Schulbub Habeck wohl verschludert hat. Zum Beispiel, den Binnenmarkt voll auszuschöpfen. Eine hübsche Metapher in Zeiten von Hochwasser und dem Ansteigen der Inflation, der Verteuerung der Produktion vor allem in Deutschland, doch was heißt voll ausschöpfen ökonomisch? Rauszuholen, was noch rauszuholen geht, bevor die Lichter ausgehen?

Schach der Königin
Bettina Gaus beim Königsschach zwischen Baerbock und Habeck
Und genau in diese Richtung geht es, denn als erstes Mittel nennt Baerbock die Kapitalmarktunion, die allerdings dazu führen wird, dass die Einlagesicherungsfonds der Sparkassen und Volksbanken dem europäischen, vor allem dem Monopoly des Club Med geopfert werden und die Schuldenbremse des Grundgesetzes zu einem Potjomkinschen Dorf werden würde, was sie teils ja jetzt schon ist, indem parallel Europa ganz und völlig zur Schulden- und Transferunion „europäischer Eliten“ wird. Lange Zeit verstanden Franzosen und Deutsche etwas Gegensätzliches unter Kapitalmarktunion. Jetzt schwenkt Baerbock zum erheblichen Nachteil Deutschlands auf Macrons Linie um. Okay, deutsche Interessen spielen für sie ohnehin keine Rolle. Schließlich möchten diese Eliten, zu denen sich Baerbock zählt, „unseren Binnenmarkt voll ausschöpfen“.

Baerbock spricht über fehlendes Risikokapital „in der Umwelt- und Biotechnologie, aber auch bei Halbleitern und Künstlicher Intelligenz“. Doch Kapital riskiert nur dort, wo das Risiko beherrschbar ist, auch wenn der Staat als erster und zuweilen als einziger Investor auftritt. Selbst wenn Baerbock darauf verweist, dass im selben Zeitraum die USA 30 Milliarden in KI investieren, die EU nur 4 Milliarden Euro einsetzt, verschweigt Annalena Baerbock uns mittelmäßigen Töchtern und Söhnen dieser Erde, erstens von welchem Zeitraum sie spricht, und zweitens erwähnt sie nicht, dass es sich in den USA vor allem um privates Kapital handelt, in Deutschland und in der EU es um Subventionen und Förderungen geht.

Auch wenn Annalena Baerbock den Namen Robert Habeck in der Analyse ihres Interviews nicht gern liest, so muss doch erwähnt werden, dass der Bund bis zum Jahr 2025 Künstliche Intelligenz mit insgesamt 5 Milliarden Euro fördern wird. Beschlossen wurde das Programm schon 2019.

Dass Annalena Baerbock wie Robert Habeck sich Wirtschaft nur dirigistisch, letztlich planwirtschaftlich vorstellen kann, bestätigt sie, wenn sie „an einer europäischen Industriestrategie, innerhalb derer die Player in der EU nicht gegeneinander, sondern miteinander agieren“ arbeiten möchte. Hat schon einmal prima im RGW funktioniert. Möglicherweise würde Habeck soweit gar nicht gehen wollen, denn die europäische Industriepolitik würde dann rein mediterran werden und das Ende des deutschen Wirtschaftsstandortes bedeuten. Wenn Baerbock den Wettbewerb aushebeln will, engagiert sie sich für ein Europa der Zombiefirmen. Damit stärkt sie nicht den Binnenmarkt, sondern sie schöpft ihn aus.

Wettbewerb, also der Motor der Marktwirtschaft, ist für sie etwas rein Negatives: „Industriepolitisch darf Europa nicht im internen Wettbewerb straucheln, sondern muss global gegen die großen Player bestehen können.“ Die Wirtschaftsgeschichte lehrt doch eindeutig, dass Unternehmen, die sich lokal durchsetzen, an Resilienz und vor allem Know-how gewinnen, sich auch international durchsetzen.

Baerbock will Strafzölle gegen die Einfuhr billiger chinesischer E-Autos in die EU erheben. Weiß sie denn nicht, dass am 26. Oktober 2023 der Konzern Stellantis Aktien des chinesischen Elektrofahrzeugherstellers Leapmotor kaufte und im Rahmen des Joint Ventures Stellantis das exklusive Recht zum Verkauf, Export und zur Herstellung von Leapmotor-Produkten außerhalb Chinas eingeräumt wurde? Die Pointe des Abkommens besteht darin, dass das Joint Venture in den Niederlanden registriert ist und Stellantis deshalb die Leapmotor-Produkte auch in Europa bauen kann, wenn die EU die Einfuhrzölle auf chinesische E-Fahrzeuge erhöht, und man dadurch die Zölle zu unterlaufen vermag. So gesehen könnte Stellantis auch als Trojanisches Pferd den Chinesen dienen. Weiß Baerbock nicht, dass der Hauptstoß, den Stellantis führt, die deutsche Automobilindustrie vor allem treffen soll und wohl auch treffen wird? Was benötigt Stellantis für seinen Siegeszug? Kurz gesagt: den Sieg der E-Mobilität, auf die Stellantis setzt, weil sie politisch gewollt ist. Soll so „unsere gemeinsame Schlagkraft als Europäer“ genutzt werden, von der Baerbock träumt.

Wunsch für Wirklichkeit
Baerbock ist die grüne Kanzlerkandidatin – und sonst keine Überraschungen
Sollte irgendein Abteilungsleiter dritter Ordnung im chinesischen Außenministerium Baerbocks Interview lesen, wird er so laut lachen, dass es im ganzen Sonnensystem widerhallt. Denn niemand würde China einen größeren Dienst erweisen als Annalena Baerbock. Würde die EU Strafzölle erheben, dann würden die Chinesen im Gegenzug Strafzölle auf europäische Fahrzeuge legen, was vor allem der deutschen Autoindustrie und Deutschland schadet, via Stellantis, dem Konzern, an dem auch der französische Staat beteiligt ist, würden dennoch chinesische Fahrzeuge als Produkte des in den Niederlanden registrierten Joint Ventures von Stellantis und Leapmotors verkauft werden, ohne dass die Strafzölle greifen. Elegant französisch würde das die deutsche Industrie unter maßgeblicher Hilfe der deutschen Regierung schwer treffen.

Dabei ist der Weg sehr einfach, man muss nur das Verbrenner-Aus kippen, die Bedrohung durch die chinesischen Billigmodelle im E-Fahrzeugbereich erledigt sich dann von selbst, Stellantis hätte sich extrem verkalkuliert und die deutsche Autoindustrie müsste nicht ihr Heil im Ausland suchen. Das wäre allerdings Politik nicht gegen, sondern für Deutschland. Doch Politik in deutschem Interesse ist, von dieser Regierung nicht zu erwarten.

Annalena Baerbock zitiert im Interview die deutsche Weisheit, dass Vorsicht die Mutter der Porzellankiste sei, doch wenn Baerbock diese Maxime wirklich verstanden hätte, würde sie sich auch nicht wie der Elefant im Porzellanladen bewegen. Und bevor wir einen bösen Brief von Ferda Ataman erhalten, es muss natürlich in diskriminierungsfreiem Deutsch heißen: wie die Elefantin im Porzellanladen.

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Kommentare ( 26 )

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26 Comments
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Sterling Heights
5 Monate her

Vizekanzler*in kann sie auf jeden Fall werden. Und Wuest wird Kanzler. Dieses Land rettet die Demokratie….?

Batschka
6 Monate her

Der Dschungel ist grün; und sei’s drum, nach der Katastrophe sprießt es wieder.

AlexR
6 Monate her

Um Himmels Willen! Was will denn diese Comic-Figur im Kanzleramt? Olaf nach Merkel, eine schon kaum zu fassende Steigerung von Unfähigkeit. Und dann Annalena. Wir sind wirklich am Ende.

WGreuer
6 Monate her

Baerbock – ein Beispiel für das Peter-Prinzip par Excellence. Gott stehe uns bei, falls die wirklich Kanzerette werden sollte.

Suedbuerger
6 Monate her

Wie tönt der durchgrünte Herbert Grönemeyer: „Kinder an die Macht.“

Eberhard
6 Monate her

Ein grüner Kanzler? Schlimmer als jetzt kann es kaum noch kommen. Warum nicht gleich Chefs einer grünen Weltregierung? Dann haben wenigstens alle dieser Welt etwas Freude.

Micha.hoff
6 Monate her

Kleine Korrektur: Lt. Wikipedia heißt das weibliche Tier bei den Elefanten „Kuh“ und nicht „Elefantin“.

Simplex
6 Monate her

Sorry, leider ein Kommentar nach Durchsicht derselben: Wenn Narziss in Menschengestalt schlüpfen würde…ja und wenns so wäre – trotzdem:..Vorsicht, ist angesagt. Eure Majestät von und zu lassen blaue Briefe über eine Großkanzlei – ähnlich wie das Getty-Images macht – verschicken. Also, erst mal über die zivilrechtliche Angreifbarkeit seiner Kommentare nachdenken, bevor man sie postet. Und dann gibts da den § 188 StGB. Also, in der Beschränkung liegt die Kunst….Was ist noch zulässige Schmähkritik, was ist sachliche Kritik? Die „Abwehrkosten“ sind schon hoch, aber wehe, man verliert. Reiner Maier (alias Don Alphonso.) hatte in WON von seinem persönlichen Fall berichtet. Man… Mehr

Ohwehnene
6 Monate her

Man hat den Eindruck, die Grüne meint es ginge um ein Casting für eine Filmrolle, Kanzlerdarsteller. Daß da erhebliche Mängel und Defizite bestehen, Bildung, Durchblick, Lebenserfahrung und wohl auch Intelligenz, kommt nicht mal im Traum vor. Nach dem Motto je unbedarfter, desto selbstbewußter.

joly
6 Monate her

Ja für so eine young leaderin des WEF ist natürlich Kleinkram unwichtig. Dafür hat man dann NGOs, Think-Tanks und so Typen wir Graichen nebst Family und Co. Dann braucht man nur noch die vorbereiteten Ergüsse der Zubereitenden:Innen auswendig lernen und mit Verstolpernden:innen kund tun