Das Tückische am kirchlichen Basisdogma „Bewahrung der Schöpfung“

„Bewahrung der Schöpfung“ scheint ein bewährter und christlicher Slogan zu sein. Beim genaueren Hinsehen stellt sich jedoch heraus, dass mit diesem Slogan Weichen gestellt werden, die der Kirche nicht guttun. Nachfolgend werden die vier Tücken kritisch reflektiert.

„Umweltschutz“ gehört zweifelsohne zu den wichtigsten Aufgaben der Menschheit. Der internationale Ökumenische Rat der Kirchen hat darum auf seiner Vollversammlung in Kanada 1983 das Motto „Bewahrung der Schöpfung“ auf den Weg gebracht. Diese einprägsame Kurzformel ist mittlerweile in der Evangelischen Kirche zu einer Art Basisdogma geworden. Doch bei aller Begeisterung über diesen griffigen Slogan kommt mir eine kritische Reflektion der vier Tücken zu kurz, die in dieser sakralen Formel stecken.

Erstens: Abstrakte ethische Werte sind extrem ideologieanfällig

„Bewahrung der Schöpfung“ sind erst einmal große leere Container-Worte, die man höchst unterschiedlich füllen kann. Bei anderen Container-Wörtern war es genauso: So konnte der NSDAP-Reichsparteitag 1935 tatsächlich unter dem Motto „Freiheit“ abgehalten werden. Abstrakte ethische Werte sind höchst vielfältig interpretierbar und genauso gut auch mit dem Gegenteil.

Die Container-Worte „Bewahrung der Schöpfung“ könnte man mit guten Argumenten folgendermaßen füllen:

  • mehr klimaneutrale Atomkraftwerke bauen;
  • eigenes deutsches Gas durch Fracking fördern, weil wir dann nicht mehr das Fracking-Gas aus den USA umweltschädlich zu uns transportieren müssten;
  • freitags tüchtig zur Schule gehen und Mathe, Chemie und Physik büffeln, um in Zukunft innovative Umwelttechnik erfinden zu können.

Doch natürlich versteht man unter „Bewahrung der Schöpfung“ in der Kirche etwas anderes: nämlich die übliche Programmatik der Grünen-Partei. Die meisten Pfarrer gehören selber zum gutsituierten grün-woken Mittelschichts-Milieu, in dem wirtschaftliche und technische Effizienz nicht an oberster Stelle stehen.

Passend dazu bekamen auf der letzten EKD-Synode Vertreter der „Letzten Generation“ lauten Beifall. Diese Klima-Apokalyptiker werden von führenden Teilen der Kirche als besonders „konsequente Aktivisten“ der Grünen-Partei und ihrer grünen Kirche gefeiert und klerikal sakralisiert. Damit stehen Kirche und „Bewahrung der Schöpfung“ für Folgendes:

  • Tomatensuppe in Museen auf alte Kunstwerke schütten;
  • Tempolimit;
  • allein für Deutschland 100.000 Windkraftanlagen bauen, in der Hoffnung, dass die Massen dieser Windbremser nicht klimaschädliche Nebenwirkungen haben;
  • riesige Felder als Geldanlage der Reicheren mit Photovoltaik-Industriegebieten versiegeln, die ärmere Menschen über ihre Strompreise subventionieren müssen.

Die leere Hülle „Bewahrung der Schöpfung“ ist also mittlerweile prall und fest mit einer ganz bestimmten Weltsicht gefüllt: mit der Umwelt-Ideologie, die im augenblicklichen Deutschland die meisten Anhänger hat und die bis weit in die CDU hineinreicht. Für die Kirche ist die enge Bindung an diese stärkste Zeitgeistideologie der vermeintliche Königsweg, ihr Ansehen und ihre Attraktivität bei der Bevölkerungsmehrheit zu steigern.

Zweitens: Statt ethische Diskussionen fördert „Bewahrung der Schöpfung“ antidemokratisch-theokratische Denkstrukturen

Durch diese ideologische Fixierung braucht der kirchliche Auftrag „Bewahrung der Schöpfung“ nicht mehr grundlegend diskutiert zu werden. Die Eckpunkte in Energiepolitik, Verkehrspolitik, Heizpolitik, Duschpolitik und Industriepolitik sind politisch gesetzt und stehen fest. Jetzt muss das alles nur noch konsequent in Alltag und Politik umgesetzt werden. Demokratische Diskussionen sind nicht mehr nötig. Ja, demokratische Diskussionen sind schädlich, denn es ist 5 vor 12 und keine Zeit mehr für aufwendige demokratische Kommunikationsprozesse. Gottes Willen liegt klar auf der Hand. Wer da noch diskutieren will, der ist antichristlich, ewig-gestrig, unwissenschaftlich, böse. Die Kirche ist mit diesem Ansatz eine westliche Vertreterin einer „Theokratie“, einer autoritären grünen Gottesherrschaft geworden.

Auf diesem Hintergrund war es fast zwingend notwendig, dass die evangelische Kirchengemeinde Berlin-Kreuzberg der „Letzten Generation“ ihre Thomas-Kirche für eine Pressekonferenz zur Verfügung gestellt hat (18.4.2023). TE berichtete. Auf dieser Pressekonferenz wurden Straftaten angekündigt, mit denen Berlin lahmgelegt werden soll und mit denen die „Letzte Generation“ die demokratisch legitimierte Regierung unter Druck setzen will. Die „Letzte Generation“ fühlt sich dermaßen im Recht, dass sie meint, sich das Recht herausnehmen zu dürfen, Demokratie und Rechtsstaat mit Füßen treten zu können, weil einzig und alleine ihre Weltsicht richtig ist.

Warum stellt Kirche für so etwas ihre sakralen Räume zur Verfügung? Die Antwort gibt der Superintendent von Berlin-Mitte: „Ganz einfach. Weil wir die Ziele der Letzten Generation eins zu eins teilen.“ Eine Kirche mit autoritär-theokratischen Denkansätzen verschmelzt sich mit einer radikal-autoritären Polit-Sekte. Für mich drängt sich dadurch die Frage auf, ob es noch weiterhin rechtens sein kann, so einer rechtsstaats-verachtenden Kirchengemeinde den Rechtsstatus einer Körperschaft des öffentlichen Rechts gewähren zu können.

Drittens: Das kirchliche Basisdogma „Bewahrung der Schöpfung“ setzt den Schwerpunkt auf die Politisierung der Kirche

Je stärker die Kirche ihr Dogma „Bewahrung der Schöpfung“ betont, desto mehr verliert sich Kirche in der politischen Ethik und in der Diesseitigkeit. Natürlich steckt irgendwie auch „der Schöpfer“ in dem Wort „Schöpfung“ drin; doch der Slogan setzt den Schwerpunkt nicht auf die spirituelle und gemeinsam gefeierte Stärkung der Gottesbeziehung. Auch Jesus Christus als das Alleinstellungsmerkmal des christlichen Glaubens spielt dem Wortlaut nach bei der „Bewahrung der Schöpfung“ keine Rolle.

Das Kirchenmotto „Bewahrung der Schöpfung“ trägt die innere Tendenz in sich, dass die Gottesbeziehung hinter den Diskussionen um Wärmepumpen, Regenwald und Klimaerhitzung verdunstet. Die Selbstsäkularisierung der Kirche: Statt um das Brot des Lebens kreist die Bündnis-Grüne-Kirche um die dünne Suppe politisch einseitiger Weltrettungsethik, mit der die Menschen sowieso auf allen Kanälen überschüttet werden.

Viertens: Das Motto „Bewahrung der Schöpfung“ ist unbiblisch

Der vermeintlich biblische Beleg für die „Bewahrung der Schöpfung“ ist Genesis 2,15: „Und Gott der Herr nahm den Menschen und setzt ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte.“

Das ist biblische Seelsorge: Der Mensch bekommt ein von Gott begrenztes überschaubares Gebiet, das er bebauen und bewahren darf, den Garten Eden. Der Mensch mit seinen begrenzten Kräften und Möglichkeiten bekommt eine Aufgabe, die ihn fordert, aber nicht überfordert. Das ist „Umweltschutz“ im echten Wortsinn.

Leider fordert die Kirche anders als Gott Unmögliches und damit Unmenschliches, indem sie dem Menschen die ganze Schöpfung mit ihrer Ausdehnung von über 13 Milliarden (!) Lichtjahren (!) aufbürdet. Was kann der Mensch in diesem riesigen Universum, das sich stets in einem gewaltigen dynamisch-evolutionären Wandel befindet, „bewahren“?

Fazit:

„Bewahrung der Schöpfung“ scheint ein bewährter und christlicher Slogan zu sein. Beim genaueren Hinsehen stellt sich jedoch heraus, dass mit diesem Slogan Weichen gestellt werden, die der Kirche nicht guttun. Hat die Kirche die Ehrlichkeit und den Mut, ihr Basisdogma noch einmal neu und kritisch unter die Lupe zu nehmen?

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Kommentare ( 32 )

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32 Comments
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Radler
1 Jahr her

Genesis 2,15: „Und Gott der Herr nahm den Menschen und setzt ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte.“ Also – wenn schon Bibelverse als Begründung für den Schutz der Schöpfung herangezogen werden, dann sollte die Kirche die auch korrekt und vollständig umsetzen. Und das ist mit diesem Vers schlicht nicht möglich. Diese Aufgabenbeschreibung bekam der Mensch im Paradies, also vor dem Sündenfall. Nach dem Sündenfall ist diese Aufforderung eine Überforderung und ein von Gott getrennter Mensch kann nur daran scheitern und neue Umweltzerstörung hervorbringen, auch wenn es noch so gut gemeint ist. Und das weiß Gott… Mehr

Hannibal ante portas
1 Jahr her

Nach meiner Kenntnis findet Umweltschutz oder gar Klimawandel in der Bibel überhaupt nicht statt. Mir fällt zu diesem Themenkomplex auf Anhieb nur „Mehret Euch!“ und „Macht Euch die Erde untertan ein!“ Nach meiner Interpretation ist dies genau das Gegenteil dessen, was man heutzutage unter der „Bewahrung der Schöpfung“ versteht. Auch wenn die Kirchen den Anspruch haben die Wahrheit bis ans Ende aller Tage zu verkünden, sind ihre Vertreter auch Kinder unserer Zeit. Wenn man wohlwollend wäre, könnte man einfach sagen, dass die Kirchen in den letzten drei Jahren versagt haben. Beim Slogan „Impfen ist Liebe“ und wer diese „Liebe“ nicht… Mehr

spindoctor
1 Jahr her

Kirchen sind und waren nie etwas anderes als NGOs – Near Government Organizations.
Hier ist das „Near“ immer noch eine deutliche Untertreibung für die Zugehörigkeit zur Nomenklatura – welcher Art auch immer.

Rene Meyer
1 Jahr her

Die Deutsche Evangelische Kirche, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts von 1933 bis 1945, hat Hitler zu dessen fünfzigstem Geburtstag als von Gott gesandten „Wundermann“ bezeichnet. Heute schütteln wir den Kopf darüber. Morgen werden wir wieder den Kopf schütteln über alles das, was heute verbrochen wird, über alle die Verwerfungen, die geschehen sind und die noch kommen werden. Doch gerade auch die Kirchen in Deutschland wollen von alledem nichts wissen; wieder machen sie beim Bösen mit. An jedem einzelnen liegt es sicherzustellen, dass er auf der richtigen Seite steht: bei Gott.

Axel Fachtan
1 Jahr her

Wenn die Amtskirchen es nicht mehr bringen, was dann ? Wie üben getaufte Christen denn außerhalb der Amtskirchen ihr Christentum aus und wie überzeugen sie andere Menschen davon, christlich zu leben ? Die EKD ist vieler Orts nur noch Orstverein der SPD oder der Grünen. Die halten es mit Habeck und Scholz. Mit Gott und mit Habeck haben die es nicht mehr so. Denen geht es um den politischen, organisatorischen und finanziellen Zugriff auf eine reiche und tief in der Gesellschaft verwurzelte Großorganisation. In Berlin dann eben: alte und kranke Protestanten und Kirchensteuerzahler raus, dafür muslimische Flüchtlinge rein, die niemals… Mehr

Deutscher
1 Jahr her

„Beim genaueren Hinsehen stellt sich jedoch heraus, dass mit diesem Slogan Weichen gestellt werden, die der Kirche nicht guttun.“

Ja, und? Seit Jahren beklagen Sie, dass die Kirche nicht ist, was Sie sich wünschen, Herr Zorn. Sie werden es aber nicht erleben, dass die Kirche sich Ihnen anpasst.

Spirituelle Abhängigkeit (aka „Konfession“) ist furchtbar! Ihr Glaube liegt in den Fesseln akademischer Kleingeistigkeit, theologischer Dogmen und weltlicher Kontrolle.

Wohl denen, die den Schritt in die Freiheit wagten!

Last edited 1 Jahr her by Deutscher
pcn
1 Jahr her

Die Kirchen beider Konfessionen säkularisieren sich. Eine Entwicklung, die sich in der „Klimarettung“ zeigt. Und die wiederum ist das Phantasma, was die Wissenschaft nicht mehr diskursfähig macht. Konsenszwang in der Wissenschaft ist gleich Ideologie, die den Diskurs von vornherein ausgrenzt. Das macht die Grünen zu einer ideologiegetriebenen Sekte. Weil die Kirchen diese gefährliche Entwicklung nicht erkennen, bewegen sie sich systematisch zu Erfüllungsgehilfen einer sektiererischen Bewegung wie der „Letzten Generation“. Aus wissenschaftlicher Sicht ist das Klima anthropogen nicht beeinflussbar. Das ist eine unfassbare Anmaßung. Und insofern ein Anzeichen von Gottesferne.

mr.kruck
1 Jahr her

Kirchen waren schon immer die größten Heuchler und Opportunisten, weil sie letztlich nur ihrer eigenen Existenz, und damit dem Selbstzweck verpflichtet sind. Momentan sind halt „Flüchtlingsrettung“ und „Klimarettung“ die Narrative, denen man sich im Mainstream hingibt. Wie wäre es gegen intensive Landwirtschaft, die die lokale Artenvielfalt vernichtet, oder gegen Plastikmüll, der schon jetzt eine Geißel der „Zivilisation“ ist, und die Weltmeere zerstört. Das wäre proaktiv „Wahrung der Schöpfung“, aber für solche Realitäten sind sich diese Herrschaften zu schade.

Melly
1 Jahr her
Antworten an  mr.kruck

So ist es ! sobald es Konkret wird, kommt bla,bla,bla, unser Kirchenblatt ist voll von dem Woken gefasel. Hauptsache Vegan, dann retten wir die Schöpfung !

Melly
1 Jahr her

Am Ende ist die Kirche eine vollkommen weich gekaufte Vereinigung von Spinnern, die der festen Überzeugung sind “ Wir sind Intellektuelle und Allwissend“ Leider sind sie aber nur Pharisäer und falsch Zeugnis- Redner. Immer nach belieben, Hauptsache Wichtig ! Für Jesus waren diese Leute der Abschaum, die er aus dem Tempel gejagt hat ! Nehmen wir den Spruch aus den 80 ziger Jahren, der DDR -Kirche. Großes Tam-Tam: „Schwerter zu Pflugscharen“ life aus der Schmiede. Ich habe mich für dieses Symbol auf dem Leipziger Hbf von der Transportpolizei verprügeln lassen ! Heute wirft mir die eigene Kirchgemeinde vor, ich wäre… Mehr

Ede Kowalski
1 Jahr her

„Ganz einfach. Weil wir die Ziele der Letzten Generation eins zu eins teilen.“
….und mit dieser klaren und unmissverständlichen Aussage ist die Mitgliedschaft in der EKD zur Charakterfrage geworden.