Jobcenter-Mitarbeiter sollen nicht verreisen – Hartz-IV-Empfänger machen Urlaub in Heimatland

Fährt ein Mitarbeiter eines Jobcenters in Urlaub in ein Corona-Gebiet, kommt krank zurück oder muss in Quarantäne, entfällt die Lohnfortzahlung oder er muss Urlaub nehmen. Tut sein Kunde als Hartz-IV Empfänger das Gleiche und kommt krank zurück, wird weiter gezahlt. Er darf nicht daran gehindert werden, zu verreisen.

imago images / epd

Auch in einer mittelgroßen Stadt im Norden Deutschlands in einem Jobcenter macht man sich Gedanken über den Umgang mit Corona. Und die bestehen oft genug darin, die Anweisungen von ganz oben zunächst zu verstehen zu versuchen, um diese dann irgendwie anzuwenden.

Und es betrifft beide Seiten: Einmal die Mitarbeiter, die neue Regeln für den Umgang untereinander lernen müssen. Und es gilt für eine Reihe von neuen Anordnungen im Umgang mit den „Kunden“ genannten Arbeitslosen und Sozialfällen. Wie diese beiden unterschiedlichen Herangehensweisen bisweilen miteinander und mit dem gesunden Menschenverstand kollidieren, soll folgender Einblick hinter die Türen eines norddeutschen Jobcenters belegen.

Vorab zusammengefasst:

Fährt ein Angestellter in Urlaub in ein Corona-Gebiet, kommt krank zurück, entfällt die Lohnfortzahlung. Fährt dagegen ein Hartz-IV-Empfänger in den Urlaub (also Urlaub von der Langeweile oder Arbeitssuche oder gar Heimaturlaub ins Herkunftsland, aus dem er geflohen ist) und wird er dort krank oder kommt krank zurück, passiert nichts.

Die Masse der Kunden, so bestätigt es eine Mitarbeiterin des besagten Jobcenters, kommt genau aus diesen Corona-Krisengebieten und – so drückt sie sich aus – lässt dort auch mal gerne „die Seele baumeln“, wie sie aus langjähriger Erfahrung weiß.

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Kommen wir zuerst zu den Anweisungen für die Mitarbeiter des Jobcenters mit Reisewünschen: Zunächst wird darauf hingewiesen, dass das Robert-Koch-Institut eine Liste von Ländern auf seiner Internetseite veröffentlicht hat, wo nachzulesen ist, wer aus welchem Land kommend eventuell bei Heimkehr in 14-tägige Quarantäne muss. Das gelte beispielsweise auch für Schweden und die Türkei, teilt der Vorgesetzte den Mitarbeitern in einem Schreiben mit, das TE vorliegt. Und er erklärt, was das konkret bedeuten würde für seine Leute. Also so richtig konkret dann doch nicht: Jeder Einzelfall müsse „individuell betrachtet werden“.

Im Folgenden geht es dann hauptsächlich um Lohnfortzahlung bei Quarantäne bzw. Krankenzeit: Wer trotz Reisewarnung reist, der muss die dann möglicherweise angeordnete 14-tägige Quarantäne auf seine eigene Kappe nehmen. So sehe § 56 Abs. 1 auf Seite 3 des Infektionsschutzgesetzes vor, dass eine Entschädigung nicht gezahlt wird, wenn durch Inanspruchnahme einer Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die öffentlich empfohlen wurde, die Aussonderung (Quarantäne) hätte vermieden werden können.

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Den Mitarbeitern wird also mitgeteilt, dass sie im Zweifel ihren Urlaub, Überstunden oder unbezahlten Sonderurlaub nehmen müssen. Für denjenigen, der an COVID-19 erkrankt aus dem Urlaub aus einem Land mit Reisewarnung zurückkommen würde, gäbe es keine Lohnfortzahlung bei Krankheit. Derjenige wäre selbstverschuldet erkrankt. Dasselbe gelte übrigens auch für einen Mitarbeiter, der unverschuldet im Ausland in eine Quarantäne müsse.

Mit anderen Worten: Wer beim Jobcenter arbeitet, der wird es sich dreimal überlegen, überhaupt Urlaub zu machen und schon gar nicht im Ausland. Die Belehrung für Mitarbeiter endet mit einer Art Hilfe zur Selbsthilfe, wenn die Mitarbeiter angehalten werden, ihre persönliche Urlaubslage und ihr Reiserisiko daran entlang bitte selbst einzuschätzen und entsprechend zu handeln.

Kommen wir zur anderen Seite des Schreibtisches beim Jobcenter. Zur Kundenseite. Dort sieht die Welt in Zeiten von Corona noch deutlich entspannter aus:

Hier ist die Ortsabwesenheit in normalen Zeiten durchaus relevant für viele Entscheidungen und Leitungsbewilligungen. Jedenfalls theoretisch. Wer sich als Kunde in Quarantäne befindet, kann nicht persönlich erscheinen, soweit das während der Corona-Maßnahmen überhaupt schon wieder verlangt wird.

Welche Auswirkungen aber hat diese Abwesenheit eines Sozialhilfeempfängers für dessen Leistungsanspruch?

Die Mitarbeiter des Jobcentes bekommen dazu folgende Anweisungen:

Auf die Gefahr einer Quarantäne im Zusammenhang mit einem Urlaub im Heimatland darf der Mitarbeiter im Vorfeld der Reise gerne hinweisen. Eine Reise vor diesem Hintergrund abzulehnen ist den Mitarbeitern nicht gestattet.

Hartz-4-Empfänger, die im Anschluss an ihre Reise in Quarantäne müssen, haben aber keinen Leistungsausschluss zu befürchten. Nicht einmal, wenn sie damit eine eigentlich beschlossene Maßnahmenteilnahme vereiteln.

Für den Jobcenter-Mitarbeiter besteht nicht einmal die behördliche Verpflichtung, Ross und Reiter zu benennen, also die Ordnungsbehörden über die Einreise seiner Klienten aus so einem Risikogebiet zu informieren.

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Wo also einerseits mit einer Corona-App hantiert und diese der Bevölkerung dringend empfohlen wird zu nutzen, wird auf der anderen Seite nicht darüber nachgedacht, welchem regen Reiseverkehr in Corona-Risikogebiete Sozialhilfeempfänger nachgehen. Diese haben nichts zu befürchten, während den Mitarbeitern des Jobcenters im Vorfeld schon einmal die Streichung von Lohnzahlungen angedroht wird.

Es wird also wohl kaum dazu kommen, dass sich Mitarbeiter von Jobcentern und Sozialhilfeempfänger gemütlich im Urlaubsflieger in die Türkei oder nach Schweden begegnen. Nein, die Kunden des Jobcenters reisen alleine, der Jobcentermitarbeiter macht sicherheitshalber Sardinendosenurlaub an der dann vollkommen überfüllten Ost- bzw. Nordseeküste. Inwieweit anschließend allerdings bei Kundenverkehr seine Amtsstube Corona-Risikogebiet wird, steht auf einem ganz anderen Blatt Papier, dass TE aktuell noch nicht vorliegt.

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Kommentare ( 53 )

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Chris_Muc
3 Jahre her

Jetzt muss Herr Wallasch nur noch erklären wie sich ein Hartz4-Empfänger von 430 € Monatssatz (ist doch richtig, oder? Bin da nicht auf dem aktuellen Stand) eine Urlaubsreise mit dem Flugzeug leisten kann…

Alexis de Tocqueville
3 Jahre her
Antworten an  Chris_Muc

Ryanair

country boy
3 Jahre her

Deswegen trichtern uns unsere Eliten und die Migrationsindustrie ja auch beständig ein, was für üble Rassisten wir sind. Damit ja keiner auf die Idee kommt zu hinterfragen, wie sich die Mär vom armen, benachteiligten, unterdrückten Migranten mit Flugreisen auf Hartz4 vereinbaren lässt.

Politikmausi
3 Jahre her

Eigentlich der ultimative Beweis dafür, dass man als Leistungsempfänger, der auf Kosten der Allgemeinheit lebt, längst weit mehr Rechte hat als jemand, der selbst arbeitet. Da sind die Mitarbeiter von Jobcentern keine Ausnahme.

Markus Gerle
3 Jahre her

Was ist denn, wenn ein MA vom Arbeitsamt aus sagen wir mal Hannover (Niedersachsen!) jetzt Freunde z. B. im Corona-freien, aber leider zum Landkreis WAF gehörenden Telgte besucht und sich danach auf einer Party in Berlin oder gar bei einem Party-Event in Stuttgart infiziert? Hat der dann Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder nicht? Aktuell erlebe ich täglich Realsatire. Eben rief mich ein Kumpel aus dem besagten Telgte an. Der hatte für sich und seine Familie den Urlaub in FR wegen Corona abgesagt und stattdessen eine Ferienwohnung im Schwarzwald angemietet und auch schon bezahlt. Tja, dumm gelaufen. Nach FR hätte… Mehr

christin
3 Jahre her

Die heimreisende Sozialhilfeempfänger nehmen nur das in Anspruch was die deutsche Regierung ihnen großzügig bewilligt. Es sind nicht die Migranten, oder die angeblich Geflüchteten die das System ausnützen, es ist unsere politische Führung die diesen Menschen das Steuergeld großzügig zur Verfügung stellt. Die Steuerzahler haben es in der Hand das System zu ändern.

Nairolf S.
3 Jahre her

Das es exakt solch eine Anweisung gibt kann ich gerne bestätigen. Meine Frau kam mit ebendieser Information im Mai von der Arbeit nach Hause. Ergänzen möchte ich noch, dass der Stil der Dame (eigentlich das falsche Wort für diese Person) die dieses Jobcenter leitet autokratische Züge zeigt. Allerdings alles natürlich absolut regierungstreu. Randnotiz: Sämtliche Anweisungen und werden hier bereits komplett durchgegendert.

Matthias Thiermann
3 Jahre her

Vielleicht überlegen sich die mehrheitlich grün-roten Agenturler beim nächsten Gang zur Urne, was sie dort einwerfen. Aber wahrscheinlich bekommen sie ohnehin keine mehr zu Gesicht.

Nairolf S.
3 Jahre her
Antworten an  Matthias Thiermann

Die große Mehrzahl der Mitarbeiter liegt hier voll auf Regierungslinie, wenn ich das von meiner Frau höre die im Jobcenter arbeitet. Nur wenige haben hier überhaupt verstanden das mit unseren Geldern um sich geworfen wird. Wer es wagt öffentlich Probleme zu benennen der hat dort selbst sehr schnell ein großes persönliches Problem (Ermahnung, Abmahnung, Mobbing, Zwangsverrentung, etc.).

Und wenn jetzt die Frage kommt warum meine Frau noch dort ist lautet die Antwort, dass Sie denjenigen die Hilfe brauchen und möchten auch wirklich gut helfen kann.

GP
3 Jahre her

Der „Kunde“ ist König! Ich verstehe nicht wo Sie da ein Problem sehen. Wir schaffen das.

Kassandra
3 Jahre her

Langsam ermüden die uns immer wieder vorgesetzten Themen – sie kochen kurz hoch und versanden dann wieder im Orbit. Da politisch nichts geändert wird, sprechen wir im nächsten Jahr um die gleiche Zeit wieder ergebnislos darüber. Die Misere uns zu Lasten ist hier seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten bekannt wie die Misere der „Fremdarbeiter“ aus Südosteuropa. Neu wäre, die beiden Themen „Asylsuchende auf Hartz IV“ und fehlende Arbeitskräfte in prekären Bereichen zusammen zu bringen und sich zu fragen, weshalb es unter den fremden Sozialhilfekassierern so wenig Obst- und Gemüseernter gibt – die stattdessen in der Saison auch noch Urlaub… Mehr

Kassandra
3 Jahre her

Wer kann mir erklären, wie man von den doch eher niedrigen HartzIV-Sätzen eine Reise zahlen kann? Und wer kann mir zudem erklären, wie man in ein Land reist, von dem man doch behauptet, dass man von dort, aus welchen Gründen auch immer, flüchten musste? Von all den im Artikel beschriebenen Ungereimtheiten, die nichts von der „Gleichheit vor dem Gesetz“ beinhalten, einmal ganz abgesehen. Wiewohl – so viel ich weiß, werden momentan laufende Anträge 6 oder sogar 12 Monate weiter bewilligt, ohne dass ein persönliches Vorsprechen auf dem Amt notwendig ist. Und wer kann schon wissen, wo ein smartphone klingelt, wenn… Mehr

luther
3 Jahre her
Antworten an  Kassandra

„Und wer kann mir zudem erklären, wie man in ein Land reist, von dem man doch behauptet, dass man von dort, aus welchen Gründen auch immer, flüchten musste?“
die wollen doch nur prüfen ob sie noch verfolgt werden und ob der weggeworfene Paß noch gilt

Ralf Poehling
3 Jahre her
Antworten an  Kassandra

Zur ersten Frage: Das geht nur, wenn man Nebeneinkünfte verschweigt, oder für Familinmitglieder, die man gar nicht hat, Geld kassiert. Auf deutsch: das geht nur, wenn man das Amt besch***t.
Zur zweiten Frage: Offene Grenzen + Sozialstaat laden die ganze Welt ein, sich bei uns als verfolgte Asylanten zu tarnen und unseren Sozialstaat widerrechtlich zu plündern.
Stichwort: Asyltourismus.

Es ist überaus erstaunlich, dass gerade linke Politiker das alles forcieren. Die legen unseren Sozialstaat trocken, werden ihn so letztlich zerstören und damit ihre eigene Existenzberechtigung verlieren. Denn wo kein Sozialstaat mehr, da kann auch nichts mehr verteilt werden.

Markus Gerle
3 Jahre her
Antworten an  Ralf Poehling

Das stimmt nicht ganz. Ich hatte mal mit Hartz IV Leistungsempfängern vom Balkan zu tun. O. k., die hatten Vermögen in Form eines Hauses in der Heimat, von dem das Amt nichts wusste. Aber für Urlaubsreisen bekamen die vom Amt einen Zuschuss.

Ralf Poehling
3 Jahre her
Antworten an  Markus Gerle

Was für einen Zuschuss? Normalerweise gibt es so etwas nur, wenn in der Heimat irgendetwas zwingend zu erledigen ist, wie z.B. Papiere besorgen. Geld für die Urlaubsreise gibt es üblicherweise nicht.