Und plötzlich war ich „Rechts“

Kurz nach dem "Prager Frühling" kam Peter Kelemen mit seiner Mutter und seinen Brüdern nach Westdeutschland. Da sie aus der damaligen ČSSR illegal verschwanden, waren sie nun Flüchtlinge. Kelemen erzählt, wie es weiter ging.

Seit einigen Jahren stelle ich immer deutlicher fest, dass in Deutschland dem Grundsatz gefrönt wird „alles, was von Links kommt, ist gut und alles, was von Rechts kommt, ist böse!“ Es ähnelt einem Axiom, da nicht einmal versucht wird, dieses nachzuweisen. Ich möchte das Entstehen und das Fortleben dieser „Wahrheit“ irgendwie verstehen bzw. nachvollziehen. Es mag sein, dass das Fundament des Guten in den 68-ern gelegt wurde. Trotz der RAF-Zeit erlitt die Linke keine bedeutenden Verluste, wurde doch gleichzeitig die Annäherung an den Osten betrieben. Die DDR nistete sich in den westdeutschen Köpfen als vollwertiger Staat immer fester ein. 89 fiel die DDR zusammen, den dortigen Sozialismus – mithilfe des Ochs’ und Esels (?) – hat es dahingerafft. Die linken Ossis wollten zu den verlinkten Wessis, was den Letzteren nicht immer schmeckte. Wenn ich mich richtig erinnere, gab zu keinem Zeitpunkt irgendwelche nennenswerten rechten Bewegungen – außer etwa die Republikaner, NPD, Schill etc. Generell und nicht zu Letzt ist bei unserer eingebläuten historischen Schuld das Linke wohl erträglicher und einfacher zu leben. (Bitte um Nachsicht bei dieser historischen Sicht – meine Stärken liegen woanders.)

Nun, das linke Denken überstand in Deutschland die letzte Jahrhunderthälfte ohne Verluste, ja, es verstärkte sich in den Jahren sogar. Ich möchte nun schildern, warum ich diesem Trend widerstand und zu einem bekennenden Rechten wurde.

Prolog

Kurz nach dem „Prager Frühling“ bin ich mit meiner Mutter und meinen Brüdern nach Westdeutschland gekommen. Da wir aus der damaligen ČSSR illegal verschwanden, waren wir nun Flüchtlinge. Von Flucht in den „Westen“ haben wir Jahre geträumt und uns eigentlich nicht vorstellen können, wie es mal gelingen sollte. Der Flug ab Prag nach Frankfurt dauerte ganze 45 Minuten – mit diesem Wimpernschlag war der jahrelange Traum verwirklicht – unfassbar!

Handlung

Am Ankunftstag haben wir 10% unserer damaligen Barschaft (120 US$) für die Busfahrt vom Flughafen zum Hauptbahnhof ausgegeben. Die begründete Furcht vor zu frühem Ableben durch Hunger, Durst und fehlende Schlafstätte trieb uns, schnell nach einer Einkommensquelle zu suchen. Mit der damaligen Kenntnis der deutschen Sprache – 4 Brüder zusammen etwa 6 Wörter – fanden wir uns als Schwarzarbeiter in einem Hotel wieder. Die Bilderbuchkarriere als Tellerwäscher begann! Aus heutiger Sicht ist mir unbegreiflich, wie wir damals auf Flüchtlingshilfen, fliegende Teddybären, Unterkünfte, RK, Diakonie usw. verzichten konnten. Es ging stetig voran: deutsch lernen, „Ball der einsamen Herzen“ besucht (damaliges analoges Internet für Kontaktsuchende mit Bakelit-Telefonen auf allen Tischen), die erste Freundin dort gefunden (- sehr gut um deutsch zu lernen!), erste Anstellung als Bauingenieur, Kennenlernen meiner heutigen Frau, Umzüge, weitere Arbeitstätten, Selbstständigkeit, viel Ausland, Kinder und nun Rente. (Hach! Ein Leben in wenigen Zeilen!)

Was hat ein solcher Lebenslauf mit mir gemacht?

Jetzt in der Zielgeraden kann und darf ich meine Schlüsse ziehen. Seit der Aufklärung wurden die Menschen immer mehr zu Individualisten. Diese Entwicklung wurde verstärkt durch die Gesellschaftsordnung Demokratie. Die Verantwortung für das eigene Leben wurde stetig auf die jeweils betroffene Person verlagert. Es ist interessant, dass bei entsprechenden Erziehung diese Verlagerung der Verantwortung auf sich selbst einem zunächst unbewusst ist. Erst nach einer gewissen Zeitspanne und durch die Betrachtung anderer Lebensweisen wird Vieles klarer. Die Geschichte hat aber auch den Sozialismus hervorgebracht. Dort ist wiederum die totale Abkehr vom Individualismus festzustellen. Da ich beides durchlebte – den Sozialismus als Kollektivveranstaltung während meiner Jugend und die Demokratie als individuell geführtes Leben bis heute, hat sich bei mir unbemerkt die erste Neigung zu Rechts eingestellt – also die Erkenntnis, lieber selbst zu gestalten, als zu folgen. Damals hatte ich aber noch keine Ahnung, was Rechts ist, und habe einfach „gemacht“.

Ich gebe zu, dass ich ein leichtes Spiel hatte: Ich kam aus einem Deutschland kulturell sehr ähnlichen Land, sah aus wie die meisten Deutschen, sprach bald ausreichend gutes Deutsch, war ausgebildeter Bauingenieur und konnte ohne Unterbrechung für meinen Lebensunterhalt sorgen. Ich habe mich auch nicht auf meine tschechische Identität berufen, wurde Deutscher und habe damit eine neue Identität gewonnen.

Natürlich habe ich angefangen, mich – nach einer gewissen Zeit – mit der deutschen Politik auseinanderzusetzen. Die politische Landschaft war in den 70-ern durch klare Lagerdefinition recht einfach. Als dann die Grünen aufkamen und sich festigten, wurde ich etwas argwöhnisch. Von vernünftigen Vorschlägen zum Umweltschutz abgesehen, ging es bald verstärkt an das Bildungssystem. Die nicht enden wollenden Reformen, oder besser gesagt Verschlimmbesserungen, des Bildungssystems sind für mich der eigentliche Anfang von Deutschlands Ende. Das stete Herabsetzen des Leistungsniveaus ist der Kardinalfehler der Nachkriegsgeschichte Deutschlands. Ich gebe hier allen Beteiligten die Schuld. Die Einen wollten das und die Anderen verhinderten das nicht. (Achtung! Mein Anspruch aufs hohe Leistungsniveau → rechts.)

Grünes Erbe Bildungsmisere

Es ist aber verblüffend, dass Deutschland trotz der Bildungsmisere nach wie vor ein wirtschaftlich ausgesprochen erfolgreiches Land ist. M.E. ist das auf den immer noch verbreiteten Individualismus zurückzuführen:  Die Leute bilden sich selbst weiter, gehen in den Keller und schrauben an Irgendwas. (Achtung! Die von mir hochgeschätzten Eigenschaften Initiative, Tüchtigkeit → rechts.)

Nach Deutschlands Vereinigung ging es in den 90-ern munter weiter, gute Aufbruchstimmung und Wundern über die hohen Wahlergebnisse der Linken im Osten. Auch der Wahnsinn mit der Griechenrettung hat mich nur mäßig aufgeregt. Meine damalige und aus heutiger Sicht beschämender Leichtfertigkeit führe ich zurück auf: zu sehr beschäftigt, es geht uns doch gut, es wird schon – und ähnlicher Schmarren. Und immer noch keine klare Feststellung meiner rechten Gesinnung.

Dann kam der Sommer 2015. Ungezählte (im wahrsten Sinne des Wortes) Migranten, überwiegend aus einem fremden Kulturkreis, in einem bestimmten Alter und überwiegend männlichen Geschlechts kamen binnen weniger Monate nach Deutschland. Ich als Immigrant hatte dafür ein besonderes Gespür. Was wollen sie hier? Schutz, Geld, Frauen, Arbeit? Was können Sie? Wie passen sie zu Deutschland? Ich stellte mir als Gegenbild vor, was wäre denn, wenn damals gemischt 1,5 Mio. Franzosen, Belgier, Engländer, Andorraner usw. und eben auch Tschechen gekommen wären? Ich glaube, dass ich hier diese alternative Immigration nicht vertieft diskutieren muss. Schon bewusst vom rechten Ufer aus nahm ich die Handlungsweisen unserer Offiziellen und von großen Teilen der heimischen Bevölkerung wahr – zunächst verwundert, dann zunehmend verblüfft und schließlich nur noch verärgert und ohnmächtig. Die überwiegend muslimischen Immigranten überraschten mich in ihrem Benehmen dagegen in keiner Weise.

Mein rechtes Dasein wurde sodann endgültig festgeschrieben durch: „Wir müssen sie schnell integrieren“, „Flüchtlinge“, „Schutzsuchende“, „Wir schaffen das“, „Pack“, „Vollpfosten“, „Gegendemo“, „Aktivisten“, „Fachkräfte“, „Es hat nichts mit Islam zu tun“, „Zäune ziehen geht gar nicht!“, „Wir können nicht Deutschlands Grenzen schützen“, „Ungarn soll aus der EU ausgeschlossen werden“, „Dunkles und helles Deutschland (Gauck)“, „die Sachsen!!“, „Deutschland verrecke!“, Blüm in Idomeni, Merkels Gestammel, Antifa, Stegner – ach, alles ein Horror!

Bei Pegida und Antifa umgeschaut

In der nun gefühlt exklusiven rechten Lage versäumte ich es nicht, mich politisch genauer umzusehen. Was passierte 2015? Aktiv: Pegida und Ableger fanden schon seit geraumer Zeit statt, AfD hat sich neu organisiert. Passiv: Alle Parteien und der überwiegende Teil der Deutschen nahmen bestenfalls nur eine abwartende bis wegduckende Position ein. Parteien und fast alle Medien beschäftigten sich nur mit der Beschimpfung anders Denkender. Also nichts wie hin, zu den Aktiven. Einmal das „Pack“ der Bragida (für die Täler der Ahnungslosen: der Braunschweiger Pegida-Ableger) besucht. Ganz wenige Leute, z.T. wie Du und ich. Einige Extremen beschrien sich mit der Antifa hinter der Polizeireihe. Am anderen Montag die „Gegendemo“ („Braunschweig bleibt bunt“ oder so ähnlich) besucht und mit Vielen dort gesprochen. Wohl zum großen Teil Abkommandierte (RK, IG-Metall, Schulen), die auch nicht genau wussten, warum sie dort sind – ich zitiere:  „Wir machen hier was gegen Nazis“ und trillerten weiter. Ich hatte auch versucht, mit den Antifa-Teilnehmern ins Gespräch zu kommen. Sie reden aber nicht! Einer hat doch auf meine unverfängliche Frage „wogegen demonstriert ihr hier?“ geantwortet mit „Halt´s Maul!“ Ich fand es argumentativ schwach und brach das „Gespräch“ ab. (Hier ein Bonmot – nicht von mir – für Geneigte, die ein sinnloses Gespräch schick beenden wollen: „Ich würde mich gerne mit Ihnen geistig duellieren, aber ich sehe, Sie sind unbewaffnet!“ und passen Sie danach auf, ob und wann der Groschen fällt!)

Ich war wohl immer und bin nun ein Rechter, nur wusste ich nicht, dass das so schrecklich ist. Ich stelle fest: es ist nicht schrecklich, ich fühle mich gut und es gibt mir Kraft. Für mein Rechts-sein gibt es noch eine Fülle anderer Indizien, wie gelebter Patriotismus (fällt mir aber zunehmend schwer), Einhaltung der geltenden Gesetze, entschlossenes und unnachgiebiges Auftreten gegenüber Muslimen, Ablehnung des Genderwahnsinns, weitere Verwendung von Tabu-Wörtern (Negerkuss, Volk, …). Im übrigen bin ich kein „Naaatsi“, wie mir auch schon vorgeworfen wurde: Ich lehne Kollektivdenken ab, bin kein Sozialist, zähle mich nicht zu Übermenschen, will keine Minderheiten drangsalieren. Übrigens ein erschütterndes Thema: Aufzeigen von Parallelen zwischen der damaligen Nazi- und der heutigen (öffentlich rechtlichen) Zeit. Viele Bilder sind erschreckend ähnlich. Aber es soll jetzt genug sein!

Epilog

Es gab in der Menschheitsgeschichte öfter kulturelle und geistige Blütezeiten. Soweit ich das beurteilen kann, gingen sie immer mit der Entwicklung des Individuums einher. Alle geistigen und künstlerischen Belege jener Zeiten gehen zurück auf die Ideen und das Genie von Einzelnen und die Arbeit von Fähigen. Da in der Natur nichts von Dauer ist, sind auch diese Epochen verblüht. Und zwar durch eigene Überheblichkeit + Verkommenheit + Verschwendung + Dekadenz und auch durch Einfall von Fremden. Wir sind Mitten drin, Deutschland wird bald nur noch „postfaktisch“ existieren! (Wer denkt sich nur solche Wörter aus??)

Peter Kelemen hat viel Erfahrung mit der muslimischen Welt. Er lebt in Salzgitter, einer bereichsweise muslimischen Stadt. Als Bauingenieur hat er mit ausgebildeten Ingenieuren türkischer Abstammung gearbeitet, mit Unmengen von Bauarbeitern, die Muslime waren – in der Türkei, in Marokko, Saudi Arabien, Irak, Mosambik. Er hatte muslimische Auftraggeber, muslimische Kollegen und muslimische Mitarbeiter.

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