Namen sind mehr als Schall und Rauch

Unsere Autorin hat sich offiziell zur Frau erklärt. Das Behörden-Prozedere klappt dabei nur so mittelgut. Lesen Sie heute, dass Namen Schall und Rauch sind. Außer, wenn sie in einer Behörde falsch geschrieben werden. Von Brunhilde Plog

IMAGO

Es ist vollbracht: Zweiter Termin beim Standesamt. Jetzt bin ich endlich offiziell eine Frau. Da stehe ich nun, behördlich fix und fertig umoperiert, und möchte am liebsten die ganze Welt umarmen. Beziehungsweise verklagen. Oder doch lieber erst bunte Fingernägel?

Wer mich ab jetzt falsch gendert oder aus Versehen ein männliches Personalpronomen verwendet, bekommt Post vom Anwalt, zack! Bis zu 10.000 Euro Strafe sieht das Gesetz für ein solches Verbrechen vor. Das werde ich ausnutzen. Und damit kenne ich mich aus. Ich werde ja selbst dauernd ausgenutzt.

Halt, falsch, Kommando zurück, das ist nur ein Spaß! Das wird selbstverständlich auf keinen Fall passieren. Auch wenn es bestimmt Menschen geben wird, die aus der Änderung ihres Geschlechtseintrags auf dem Klageweg Kapital schlagen, möchte ich hier eines klarstellen: Weder will ich mich als Mann mit Pimmel und Bart in irgendeine Frauenumkleidekabine drängen, noch auf Frauenparkplätzen Rabatz machen. Ich will keine langen Zöpfe, keine Glitzernägel, keine Lockenwickler und auch nicht beim Frauen-Boxen gewinnen. Ich will überhaupt keinen Stress mit der holden Weiblichkeit. Das ist die beste Strategie, wie ich aus leidvoller Erfahrung weiß. Dafür lege ich die Hand meiner geschiedenen Frau ins Feuer.

Im übertragenen Sinne! Nur ein Spahaß! Hand ins Feuer, Redewendung! Regt Euch ab, Mädels. Wir Hühner machen nunmal schlechte Witze. Wisst Ihr doch…

Ganz im Ernst: Ich will einfach nur ein Gesetz ausprobieren, das so abstrus und unausgegoren wirkt wie kaum ein anderes je zuvor. Motto: Einfach mal die Biologie abschaffen. Sich per simpler Selbsterklärung vom Mann zur Frau machen. Oder von der Frau zum Mann. Ganz wie es beliebt. Klingt absurd? Ist es auch. Vor allem in der Praxis.

Ende 2024 bin ich in das Standesamt meiner Gemeinde marschiert und habe den entsprechenden Antrag gestellt. Wie alles begann, steht in Folge 1 dieser kleinen Serie.

Drei Monate „Bedenkzeit“ schreibt das Gesetz anschließend vor, so dass ich im Februar diesen Jahres endlich zum Vollzug schreiten durfte. Zweiter Besuch im Amt, 30 Euro bezahlt, neue Vornamen genannt, alles notiert, eingetragen, gestempelt und offiziell abgenickt. Für den ganzen Behördenprozess hatte ich zuvor einen „beglaubigten Registerausdruck“ meiner Geburtsurkunde anfordern müssen. 700 Kilometer entfernt im Standesamt der Stadt, wo ich vor fast 60 Jahren per Kaiserschnitt in die Welt gehoben worden bin. Der Ausdruck kam pünktlich. 24 Euro Gebühr, bitteschön.

Jetzt sitze ich wieder vor Frau Seifert. Die Standesbeamtin druckt alles dreimal aus, schließlich sind wir hier eine Behörde. Ein Ausdruck wird irgendwo in diesem Raum in irgendeinem Ordner vergammeln, einer ist für mich und einer geht an meinen Geburtsort. Per Post! Schließlich sind wir hier eine deutsche! Behörde…

Die ersten Probleme tauchen wenige Tage später bei der Bundestagswahl auf. Ich habe gerade meinen Wahlschein ausgefüllt, komme aus der Kabine und trete zum Abgleich meiner persönlichen Daten an. Mein Ausweis lautet auf Michael, aber im Wählerverzeichnis steht bereits Brunhilde. Halb so wild, denke ich, damit habe ich gerechnet. Ich biete an, dass ich aus dem Auto die Bestätigung vom Amt hole. Die Wahlmannschaft ist einverstanden. Dass vor Ihnen eine Frau mit Vollbart steht, die sie bisher immer nur als Mann kannten, interessiert sie gar nicht. Ländliche Gelassenheit. „Und wohin so lange mit dem ausgefüllten Wahlzettel?“, frage ich. „Soll ich schonmal einwerfen?“

„Auf keinen Fall!“ – jetzt ist die Wahlmannschaft doch in heller Aufregung. Am besten vernichtest Du ihn (Man duzt sich hier…) Gut, dann schmeiße ich ihn da in den Papierkorb. „Nein!“ ruft jemand aus der Ecke. „Zerreißen!“ Ich zerreiße. „Nochmal!“ Ich zerreiße nochmal. „Nochmal!“ Das ganze geht ein paar Runden. Irgendwann frage ich: „Ist er jetzt endlich klein genug? Bald ist er so dick wie ein Telefonbuch, dann komme ich nicht mehr durch mit Reißen.“ Der Mann in der Ecke ist endlich zufrieden.

Also raus zum Auto und das amtliche Geschlechtsumwandlungsbestätigungszertifikat geholt. Das ganze Procedere wiederholt sich. Nochmal Wahlzettel greifen, nochmal Wahlkabine, nochmal ankreuzen, neuer Abgleich mit dem Wählerverzeichnis – neuer Schock! Schon wieder ein Fehler. Der zweite Vorname ist falsch. Ich hatte Bente gewählt, das ist im Norwegischen ein Männer- und im Friesischen ein Frauenname oder andersrum. Bente wurde amtlich erfasst und steht auch auf meinem Bestätigungsschreiben. Doch im Wählerverzeichnis steht Brunhilde Berte! Das muss jemand falsch übernommen haben, der wohl nicht wusste, dass es im Norwegischen ein Frauen- und im Friesischen ein Männername ist oder andersrum.

Und was jetzt? Wieder alles zerreißen? Bitte nicht! Mit dem mir bestmöglichen glockenhellen Stimmchen flöte ich auf das versammelte Wahlteam ein. Schließlich einigen wir uns darauf, dass Berte und Bente ja eigentlich ziemlich ähnlich klingen und das kleine „r“ auch ganz schön unsauber gedruckt wurde. Ich darf meinen Stimmzettel also einwerfen. Uff.

Am nächsten Tag rufe ich gleich Frau Seifert an. Verzwickte Situation, sagt die Standesbeamtin. „Wenn das einmal falsch eingegeben wurde, dann hängt da ein ganzer Rattenschwanz dran.“

Den bekomme ich schnell zu spüren. Innerhalb weniger Tage flattern diverse Behördenschreiben ins Haus, alle ausgestellt auf den falschen Namen. Erstaunlich, wie schnell das alles geht und die Geschlechtsumwandlung in Behördendeutschland ihre Kreise zieht. Ein Finanzamt in der fernen Oberlausitz, wo ich einen kleinen, feuchten Acker besitze, will Grundsteuer von Brunhilde Berte, ebenso ein Finanzamt im Erzgebirge, wo ich einen mittelgroßen feuchten Acker habe. Die Rentenkasse freut sich, für Brunhilde Berte eine neue Sozialversicherungsnummer mitteilen zu können und sogar meine Heimatgemeinde, die den Fehler ja selbst in die Welt gesetzt und angeblich sofort korrigiert hat, bleibt hartnäckig auf der falschen Spur. Man fordert mich auf, innerhalb von zwei Wochen einen neuen Personalausweis zu beantragen. Ich verweise auf den falschen Namen. Ratlosigkeit am anderen Ende der Telefonleitung: „Ok, der Termin hat sich dann erstmal erledigt.“

Dennoch flattert kurze Zeit später eine Mahnung der Gemeinde ins Haus. Wenn ich jetzt nicht bald käme, sei es ein Verstoß gegen das Passgesetz, schreibt mir der Mann. Zunächst als er selbst, bei der zweiten Mahnung dann zusätzlich noch im Namen und im Auftrag unseres Bürgermeisters. Der Arme… Ich antworte fristgerecht an einem Freitag, allerdings erst um 15.30 Uhr per Mail. Da wäscht er sicher schon daheim das Auto. Bissel Zeit gewinnen…

Ich erkläre, dass ich zumindest noch so lange warten möchte, biss die Rentenkasse den Namen korrigiert hat. Schließlich muss ich sicherstellen, dass mein Rentenanspruch, wenn er wegen leerer Kassen schon nicht mehr erfüllt werden dürfte, wenigstens der korrekten Gläubigerin zugeordnet wird. Und nicht irgendeiner Berte, die in Norwegen keiner kennt und in Friesland auch keiner.

Doch der Beauftragte des Bürgermeisters ist unerbittlich. Nichts da, schreibt er am Montag hastig vor dem ersten Kaffee, diesmal per Mail und wieder als er selbst. Der Fehler sei doch längst korrigiert. Könne ich mich drauf verlassen, müsse ich auch gefälligst. Ich lenke also ein, antworte ihm wieder fristgerecht – diesmal am Mittwoch schon um 15.29 Uhr, wir wollen mal nicht so sein. Ich verspreche ihm, umgehend einen Termin im Amt zu buchen und auch brav neue Passbilder zu machen.

Vorher will ich aber noch den Bart etwas wachsen lassen. Als Frau legt man schließlich Wert auf sein Äußeres.

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Kommentare ( 2 )

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teanopos
1 Monat her

Großartig 🤣, ob das Ende der DDR auch so begann? Man muss sich über der normalen Bürger übergriffigen Gängler und Peiniger in staatlicher Anstellung und Versorgung lustig und verächtlich machen, das trifft sie am meisten. Nur wenn ein normaler Bürger etwas normales von Staat einfordert, dann haben sie plötzlich keine Zeit oder es gibt eine neue Gebühren- Steuererhöhungen – wegen „Überlastung“, Unterfinazierung, etc. Oder z.B. kulturelle Veranstaltungen werden wegen horender Sicherheitsauflagen verunmöglicht. Sicherheitsauflagen die erst durch das Versagen des Staates auf allen Ebenen in die Höhe geschossen sind. Aber als Ministerin des Äußersten in Pömps am Karibikstrand auf Staatskosten ganz… Mehr

Last edited 1 Monat her by teanopos
Andreas1-7
1 Monat her

Köstlich, die Wiederauferstehung von Till Eulenspiegel.
der Beitrag wird hoffentlich noch etwas weiter nach oben ins Blickfeld rücken.
Wenn das mal verfilmt wird, was weiss ich.. „Tanz der Genderteufel“ oder „Der AGG-Exorzist“…Das wird dann aber sowas von gewiss auf den Index der jugendgefährdenden Medien gesetzt.
Ein satirisches Ironiekettensägenmassaker an diesem komplettem Unfug und es macht Freude auf weitere Fortsetzungen