Douglas Murray: „Ich glaube, die Wahrheit wird sich durchsetzen.“

Im Gespräch mit Nigel Farage erklärt Douglas Murray, warum es wichtig ist, die Dinge beim Namen zu nennen, warum er das Misstrauen der Briten gegenüber Ideen für eine gute Idee hält und warum die Linke den entscheidenden Fragen der Gegenwart ausweicht

Nigel Farage: Heute treffe ich jemanden zum Gespräch, der sich wirklich hervorgetan hat. Und wenn ich mir sein neues Buch “Wahnsinn der Massen” so anschaue, dann frage ich mich, ob er vielleicht ein noch größerer Querkopf ist als ich: Douglas Murray. Douglas, ich habe mir die Kapitelüberschriften in Deinem Buch angeschaut: Kapitel 1: “Schwul”, Kapitel 2: “Frauen”, Kapitel 3: “Rasse”, Kapitel 4: “Trans”. Willst Du die Leute gegen Dich aufbringen?

Douglas Murray (lacht): Nein.
Kürzlich hielt ich einen Vortrag an einer Universität. Als die Kapitelüberschriften vorgelesen wurden, wurde es ganz still. Nachdem der Vortragende fertig war, schaute ich auf und lächelte einfach – und alle brachen in schallendes Gelächter aus. Weil wir mittlerweile alle wissen, welche Themen wir besser nicht ansprechen sollten. Zufälligerweise sind das aber die Dinge, die besonders interessant sind und über die wir, wie ich finde, unbedingt reden sollten. Ich habe die Kapitel schon ganz bewusst so benannt. Denn ich frage mich: Warum sprechen wir nicht darüber? Das Publikum bestätigt nämlich, diese Diskussionen auch führen wollen.

Nigel Farage: Sehr interessant … “Wahnsinn der Massen” – mir gefällt dieser Titel. Wo immer ich in letzter Zeit auch hingehe, werde ich von Leuten gefragt: “Nigel, was geht gerade vor sich?” Es scheint eine große schweigende Mehrheit zu geben, die sich große Sorgen macht, z.B. darüber, was mit der Meinungsfreiheit geschieht.
Ich verstehe die grundsätzliche These Deines Buches, die besagt, dass alle gesellschaftlichen Gruppen, die hier angesprochen werden, ursprünglich einen guten Grund hatten, sich in irgendeiner Form diskriminiert zu fühlen. Sie kämpften für ihre Gleichberechtigung und haben sie auch zum großen Teil verwirklicht. Die Hauptaussage Deines Buches ist aber, dass sie nach den erreichten Siegen nicht aufgehört haben zu kämpfen.

Nigel Farage im Gespräch mit Douglas Murray
Themen, über die wir nicht sprechen sollen, sind besonders interessant
Douglas Murray: Das haben viele Bewegungen gemeinsam. Ein berühmtes Zitat von Eric Hoffer erklärt das zutreffend: „Jede gute Sache beginnt als gute Sache, wird dann zum Geschäft und endet mit einem Riesenbetrug.“ Das passierte in fast allen Fällen, in denen um Gleichstellung gekämpft wurde. Homosexuellenrechte sind seit einigen Jahren fest in der Gesellschaft verankert. Jetzt gibt es aber diese ganzen Organisationen drum herum, wie z.B. „Stonewall“. Was machst du denn, wenn du ein großer Wichtigtuer in solch einer Organisationen bist? Du willst Deine Stellung, deine Pension behalten. Also musst du etwas finden, wofür sich die Organisation als nächstes engagiert. „Stonewall“ entschied sich für die Transgender-Bewegung. Jetzt sorgen sie dafür, dass Kinder in der Schule in Transgender unterrichtet werden. Schon jetzt sind diese Organisationen reicher denn je, mehr Mainstream denn je. Sie erhalten Zuwendungen von großen Unternehmen. Es gibt bereits Unternehmen, die „Stonewall“ darum bitten, ihre Unternehmenspolitik zu bewerten, denn sie wollen bescheinigt bekommen, zu den Guten zu gehören. Das ist lächerlich! Das hat mit dem ursprünglichen Ziel nichts mehr zu tun.

Nigel Farage: J. K. Rowling, die ja nun wirklich keine politische Provokateurin ist, schlug ja unlängst auch viel Hass entgegen, weil sie die Transideologie angezweifelt hat.

Douglas Murray: Das hängt alles miteinander zusammen. Homosexualität ist ein Minderheitenthema, aber das Verhältnis zwischen Mann und Frau betrifft eine Mehrheit. Das Verhältnis zwischen Mann und Frau lässt sich eben nicht so einfach polarisieren. Was ist denn geschehen, nachdem die Feministinnen sich durchgesetzt hatten? Die Feministinnen des 20. Jahrhunderts kämpften dafür, mit Männern gleichberechtigt zu sein. Sie sind inzwischen gleichberechtigt. Doch nun kommt es zu übertriebenen Forderungen, weil es so viele professionelle Feministinnen gibt. Weil es so viele gibt, die sich ständig im Kampfmodus befinden, die in einer Haltung leben, als stünden sie permanent auf den Barrikaden. Weil sie nichts haben, was sie sonst tun könnten.

Nigel Farage: Lass uns über Black Lives Matter reden. Du kennst Amerika ziemlich gut und ich ebenfalls – ich würde meinen, dass man mit Fug und Recht behaupten kann, dass wir in Großbritannien bezüglich Rassismus weitaus fairer waren als es in Teilen der USA der Fall ist. Ich will damit sagen, dass ich es nicht leiden kann, wenn man Statuen herunterreißt oder wenn der Mob regiert. Ich habe unglaubliche Bilder im Fernsehen gesehen: Da versuchte der Mob eine unschuldige Frau in einem Restaurant zu zwingen, die rechte Faust zu heben, also ungefähr so, wie 1933 mit dem Hitlergruß. Unglaublich. Aber offensichtlich gibt es einen Grund dafür, dass die Black Lives Matter Bewegung in Amerika entstanden ist. Welcher ist das?

Identitätslinke Läuterungsagenda
Wie eine Straftat in den USA für die Verbreitung einer Läuterungsagenda in Deutschland instrumentalisiert wird
Douglas Murray: Jeder Kampf um Gleichberechtigung fängt irgendwann mit nachvollziehbaren und gut begründeten Ansprüchen an. Ich bin übrigens ebenfalls der Meinung, dass Amerika und England zwei vollkommen verschiedene Länder sind. Ich lehne auch das Importieren spezifisch amerikanischer Rassenprobleme nach England ab. Ich bin in einem England aufgewachsen, das bereits sehr divers war. Wir haben uns für die Hautfarbe unserer Schulkameraden nicht interessiert, wir haben sie nicht einmal wirklich bemerkt. Sicher, manche Menschen haben Rassismus erfahren. Aber generell haben wir uns in England doch in den letzten Jahrzehnten gar nicht dafür interessiert. 

Nigel Farage: Ich stimme zu. Meine Jahre in Europa haben mir gezeigt, dass wir in England viel toleranter sind als unsere europäischen Nachbarn hinsichtlich Herkunft oder Religion.

Douglas Murray: Es gibt kein anderes Land mit einer solchen Diversität zum Beispiel im Kabinett und es gibt auch gar keine Opposition dagegen.

Nigel Farage: Wie kann es dann sein, dass ein Vorfall in Amerika, der Tod George Floyds, innerhalb einer Nanosekunde sehr gut organisierte – und wie es den Anschein hat, auch finanziell bestens ausgestattete – Proteste in England hervorruft?

Douglas Murray: Es ist dieselbe Geschichte. Nochmal: Es gibt in Amerika eine spezifische Rassenproblematik, mit der sich das Land seit langer Zeit auseinandersetzen muss. Dann wird George Floyd getötet. Ich denke übrigens, wir sollten diese Ereignisse sorgfältig betrachten: es gibt niemanden, der den Polizisten, der George Floyd getötet hat, in Schutz nehmen würde. Niemand verteidigt, was dieser Polizist und seine, übrigens sehr diversen, Kollegen an diesem Tag getan haben.

Nigel Farage: Würdest du ihn in Schutz nehmen?

Douglas Murray: Nein! Der Polizist hat diese Verhaftung offensichtlich auf die schlimmstmögliche Weise ausgeführt. Aber erst die Gerichtsverhandlung wird zeigen, ob seine Tat rassistisch motiviert war. Und wie mein Freund Sam Harris bemerkt hat, gibt es in den USA jedes Jahr zehn Millionen Begegnungen zwischen Polizei und Bevölkerung – der bewaffnetsten Bevölkerung der Welt. Es gibt also Schwierigkeiten in der amerikanischen Polizeiarbeit, die wir nicht unterschätzen dürfen. Aber als Reaktion darauf zu behaupten, alle amerikanischen Polizisten seien Rassisten oder in England sei es noch viel schlimmer und die ganze englische Geschichte sei rassistisch: das ist absurd.

Nigel Farage: Wie konnte das so explodieren?

Gegen den Westen und die Aufklärung
Unsere Taliban
Douglas Murray: Weil sie vorbereitet waren. Und bereit, loszulegen. Dies ist eine Bewegung, die Märtyrer braucht. Sie sucht Märtyrertum und hat uns bereits falsche Märtyrer geliefert. Es gab 2014 das Massaker von Ferguson in Missouri, ein Startpunkt der Black Lives Matter Bewegung. Angeblich hatte dort das Opfer die Hände erhoben und rief: Bitte nicht schießen! Das behaupteten die Black Lives Matter-Aktivisten. Im Prozess stellte sich dann aber heraus – und sogar Black Lives Matter musste es eingestehen – dass der Mann eben nicht die Hände in der Luft hatte, sondern dem Polizisten, der ihn festnehmen wollte, seine Waffe wegzunehmen versuchte.

Der entscheidende Punkt ist, dass wir in England, ebenso wie in Amerika, zugelassen haben, dass eine Bewegung vor sich hingärt, die alle Aspekte unserer Geschichte feindselig betrachtet.


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Kommentare ( 2 )

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LadyGrilka55
4 Jahre her

„… dass wir … zugelassen haben, dass eine Bewegung vor sich hingärt, die alle Aspekte unserer Geschichte feindselig betrachtet.“ Diese Feindseligkeit gibt es hier auch, mit dem Unterschied, dass in Deutschland von unserer 1000-jährigen Geschichte fast nur noch 12 Jahre übrig geblieben sind, über die man hauptsächlich redet. Außerdem wird hier nicht nur dieses Stückchen Geschichte feindselig betrachtet, sondern auch derjenige Teil des Volkes, der nicht bereit ist, grünlinksradikalen Ideen hinterherzuhecheln, sondern diese kritisch sieht. Vielleicht ein Grund, warum überhaupt so viele sich auf die grünlinke Seite geschlagen haben, um nur ja nicht auf der „falschen“, nämlich der konservativen Seite… Mehr

Last edited 4 Jahre her by LadyGrilka55
Veronika Deutsch
4 Jahre her

Das Buch kann ich nur empfehlen und zum verschenken sehtr geeignet.
Bin es durch !
Einenbesinnlichen zweiten Advent wünsche ich allen Lesern und das
ganze Tichy Team.