Konfetti-Parade im Deutschen Bundestag

Bundestagspräsident Lammert mahnte die Grünen mit ihrer Konfettieinlage zur Ordnung. Das bringe diejenigen „in Verdacht der Albernheit“, deren Anliegen zugestimmt wurde. Aber da war die Albernheit schon in der Welt. Die Bilder bleiben.

© Tobias Schwarz/AFP/Getty Images
MP´s from the Green party celebrate with confetti following a debate and vote on same-sex marriage in Bundestag

Jede Eheschließung dauert länger, als die auf den letzten Drücker im deutschen Bundestag durchgepeitschte Debatte über die eheliche Gleichstellung plus Adoptionsrecht für Lesben und Schwule. Eine Las Vegas-Hochzeit also. Schnell in der Limo vorfahren, schnell „Ja“ sagen und schnell zurück ins Casino an die Spieltische. Die möglicherweise nun folgenden Verfassungsklagen werden deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen.

Die fraktionslose Erika Steinbach hielt ihre letzte Rede als Bundestagsabgeordnete und erinnerte noch einmal an die Verfassung, an die Kernaufgabe der Familie – sie ging ohne Applaus zurück auf ihren Stuhl, irgendwo ganz hinten unterhalb der Zuschauertribünen, wohin man sie verbannt hatte. Kollegin Gerda Hasselfeldt von der Union sagte im Prinzip nichts anderes, durfte aber den Applaus von weit über 200 Kollegen mitnehmen, die später als Minderheit nebst Kanzlerin gegen den Gesetzesentwurf stimmen sollten.

Bundestagspräsident Lammert ließ es sich nicht nehmen, von seinem hohem Pult herunter die letzte Rede der Abgeordneten kritisch zu kommentieren als er ihr quasi hinterherruft: Nein, so eine von Steinbach benannte Kanzlerinnen-Demokratie gäbe es nicht. Jeder Abgeordnete sei doch nur seinem Gewissen verantwortlich. Dass er damit damit den Brigitte-Spruch der Kanzlerin selbst konterkariert, die ja die Ausnahme einer Gewissensentscheidung selbst konstruierte, entgeht Lammert – oder ist sie sein vergiftetes Abschiedsgeschenk an Merkel?

Als das Abstimmungsergebnis bekannt gegeben wird, zünden Grüne um Claudia Roth und den aufgedrehten Volker Beck bunte Konfettikanonen. Es regnet Konfetti über den Abgeordneten. Nein, nicht in schwarz-rot-gold, auch nicht in den Regenbogenfarben, man hat genommen, was der Karnevalsartikelladen übrig oder Volker Beck noch im Keller hatte. Da allerdings hatte Heiko Maas schon seinen Redebeitrag zum nächsten Tagesordnungspunkt NetzDG gehalten, also geworben für Sanktionsmaßnahmen gegen Facebook, gegen die Meinungsfreiheit usw. Eine für ihn willkommene Unterbrechung.

Auch die Fernsehsender schalten sich nun aus der Debatte, als es um das NetzDG geht. Phoenix zeigte zwar noch die Rede von Heiko Maas, eventuelle Gegenreden können jetzt aber nur noch Internet- oder Handy-User via Parlamentsfernsehen schauen.

NetzDG, wir haben vielfältig berichtet. Kritisch begleitet, was Heiko Maas, was sich die Bundesregierung da übles ausgedacht hat. Auch darüber, dass Hate-Speech zumindest auf unserer Facebook-Seite nicht stattfindet. Schon deshalb, weil es kinderleicht ist, ein, zweimal am Tag einen nicht akzeptablen Kommentar eigenhändig zu löschen und noch einmal an die Netiquette zu erinnern.

Das kann jeder „Betreiber“ einer Facebook-Seite, dafür bedarf es keines Gesetzes oder verschärfter Betreibereingriffe. Es mag sein, dass Heiko Maas öfter löschen muss als andere. Aber er kann, wie alle anderen auch, eigenständig Besucher und Freunde entfreunden und von seiner Seite verbannen, ohne dass Facebook selbst oder gar ein deutsches Bundesgesetz dafür von Nöten wäre oder gar intervenieren müsste.

Ja, auch wenn Heiko Maas Kritik an seiner Politik auf seiner Seite löscht, dann ist das möglicherweise nicht souverän, aber auch noch nicht strafbar. Es funktioniert einfach. Beim NetzDG geht es offensichtlich darum, bestimmte Facebook-Gruppen und Facebooker ganz zu verbannen aus dem Netz und Seiten, die sowieso bisher nur besucht, wer sie besuchen will. Wer schauen will, was strafbar ist, wird Strafbares finden. Aber es kommt nicht automatisch zu ihm, dafür gibt es die eigenverantwortliche Lösch- und Sperrfunktion, in die Facebook oder irgendein Gesetz überhaupt nicht eingreifen.

Löschen würde man nun am liebsten auch diese Karnevalsveranstaltung, die nach dem Willen der Jecken als deutsche Sternstunde im Parlament in die Geschichtsbücher eingehen soll. Aber das Gedächtnis ist nicht so einfach zu überlisten.

Unter dem aufgeregten Regenbogenbanner wird dann noch rasch vor dem zweiten Frühstück von der verbliebenen knappen Hälfe der  Abgeordneten mit den Stimmen von Union und SPD das Gesetz gegen „Hasskriminalität“ im Internet beschlossen, das den offiziellen und irreführenden Namen „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ trägt.

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Kommentare ( 86 )

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Bernd Horn
6 Jahre her

Das Ende der Demokratie! Das Netzwerkdurchsuchungsgesetz und das endgültige aus des Bankgeheimnises ist mit nur 10 Prozent anwesenden Bundestagsabgeordneten beschlossen worden. Der Bundestag ist beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte seiner Mitglieder im Sitzungssaal anwesend ist. Vor Beginn der Abstimmung kann die Beschlussfähigkeit von einer Fraktion oder von anwesenden fünf Prozent der Abgeordneten angezweifelt werden. Wird sie auch vom Sitzungsvorstand nicht einmütig bejaht, ist in Verbindung mit der Abstimmung die Beschlussfähigkeit durch Zählen der Stimmen festzustellen. Stimmenthaltungen und ungültige Stimmen zählen dabei mit. Ist der Bundestag beschlussunfähig, hebt der Sitzungspräsident die Sitzung auf. Ein Verlangen auf namentliche Abstimmung bleibt jedoch… Mehr

Jens Commentz
6 Jahre her

Es war ein katastrophaler Fehler der FDP sich dem EfA Ausschlußkriterium angeschlossen zu haben. Hätten sie dieses nicht getan, wäre das Gesetz möglicherweise nicht gekommen und der Weg für Schwarz-Gelb wäre vorgezeichnet gewesen. So aber haben sie Merkel den Weg freigemacht für ihre Wunschkoalition Schwarz-Grün, ja geradezu dazu gezwungen, wollte sie koalitionfähig bleiben und das Abräumen von CDU Tafelsilber wird zur politischen Kröte, die geschlickt werden muß und Merkel ist fein raus.

Sören Hader
6 Jahre her

Mich hat mal interessiert, wie oft das Wort „Familie“ im Artikel und den Kommentaren vorkommt. Im Artikel war es einmal. In den Kommentaren habe ich es 17 mal vor. Nicht sonderlich viel bei über 160 Kommentaren. Stellt sich mir die Frage, geht es bei der Kritik an dem neuen Gesetz vielleicht gar nicht um die Familie? Ich fände es toll, wenn hier mal erklärt wird, was man selber als Familie ansieht und ob das nur zwischen Mann und Frau stattfinden kann.

Noch eine kleine Randnotiz zum NetzDG. Die Grünen und die Linken stimmten im Bundestag dagegen.

Sören Hader
6 Jahre her

Ich würde mal die Frage aufwerfen, ist die „Ehe für alle“ deshalb schlecht, weil danach das NetzDG beschlossen wurde? Sorry, aber was hat das eine mit dem anderen zu tun? Man sollte es doch an inhaltlichen Punkten festmachen.

markus marahrens
6 Jahre her

Sie wohnen in der DDR 2.0 – im Fachjargon auch B….n Republik Deutschland genannt, im Ausland neuerdings Merkelrepublik.

Cornelius Angermann
6 Jahre her

Das Parlament wurde zum CSD gemacht: WIDERLICH!!!

Pe Wi
6 Jahre her

So sehe ich das auch. Man kann keine Kinderehe mehr ablehen, keine Zwangsehe, keine Polygamie. Schließlich wäre das ungerecht im Sinne derer, die das haben wollen. Hier wurde die Büchse der Pandora geöffnet und ich denke mit Absicht. Die Unterwerfung unserer Politik unter dem Islam schreit förmlich nach einer Schritt-für-Schritt-Einführung der Sharia-Bestimmungen.

Sören Hader
6 Jahre her
Antworten an  Pe Wi

Zwangsehe einführen, weil die das haben wollen? Jetzt wirds doch langsam schräg. Ich verstehe auch nicht, inwieweit die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare eine Unterwerfung zum Islam mit Einführung der Sharia darstellen soll. Vielleicht bin ich auch einfach nicht intelligent genug, diese Argumentation zu verstehen.

Pe Wi
6 Jahre her
Antworten an  Sören Hader

Bitte überlegen Sie doch mal, wo der Zug hingeht. Wenn die „Ehe für alle“ eingeführt ist, ist der Deckel von der Büchse der Pandora geöffnet. Gehen Sie mal ein paar Jahre weiter und überlegen Sie sich, wie Deutschland sich entwickeln wird. Es gibt in Deutschland schon die Sharia als Gesetz in verschiedene Gebieten. Mörder, Vergewaltiger mit muslimischen Hintergrund bekommen schon einen Kulturbonus. Bei BW-Standorten gibt es schon 2 verschiedene Kantinen, weil man Muslimen nicht zumuten kann, mit anderen zu essen. Es gibt schon in Kitas muslimisches Probebeten. Es gibt schon Schulen und Kantinen, wo das Schweinefleisch abgeschafft wurde, weil man… Mehr

Sophie
6 Jahre her

Merkel hat ja dagegen gestimmt. Viellecht haben die extra offen abgestimmt damit die Konservativen unter den CDU Wählern denken sollen, dass Merkel, also die CDU dagegen ist und deshalb werden sie sie wieder wählen, das könnte zumindest die Absicht sein

stefan kraus
6 Jahre her
Antworten an  Sophie

Selbstverständlich ist das Absicht. Merkel macht sozusagen den Pontius Pilatus.

Pe Wi
6 Jahre her

plus Polygamie.

Davy Crocket
6 Jahre her

Wie heisst die DameX im BVerfG nochmal – Susanne Baer?