Ein Zeichen, das das Land nicht brauchen kann

Wirte und Hoteliers kämpfen um ihre Zukunft. Die Ampel erhöht zum Jahreswechsel die Mehrwertsteuer in der Gastronomie von 7 auf 19 Prozent. Kommt dieser Schritt, erwartet der Fachverband Dehoga ein Betriebssterben.

Mario Thurnes

Gedeckte Tische stehen auf dem Pariser Platz. Und Stühle. Die Stühle stehen leer. Das Bündnis „Rettet die Vielfalt!“ hat sie für eine Kundgebung aufgestellt. Sie sollen an das Szenario mahnen, das drohe, wenn die Ampel wie geplant zum Jahreswechsel die Mehrwertsteuer in der Gastronomie von 7 auf 19 Prozent erhöht. Dann werden es viele Betriebe nicht schaffen, sagt Kemal Üres, der in den sozialen Netzwerken als „der Gastroflüsterer“ bekannt ist. Denn die Wirte müssten die höhere Mehrwertsteuer eins zu eins an die Gäste weitergeben – und die seien schon jetzt kaum noch in der Lage, die hohen Preise zu zahlen.

„Der inflationsbedingte Kostendruck stellt die Gastronomen erneut vor existenzielle Herausforderungen“, teilt der Dachverband des Gastrogewerbes, die Dehoga, mit. Bei den Lebensmitteln hätte die Preissteigerung im April bei 17,2 Prozent gelegen. In der Energie bei 21,1 Prozent. Nach einer Umfrage der Dehoga unter ihren Betrieben habe die Inflationsrate im Personalbereich im April bei 21,5 Prozent gelegen.

Die Hauptgeschäftsführerin der Dehoga, Ingrid Hartges, spricht auf der Kundgebung des Bündnisses „Rettet die Vielfalt!“ vor dem Brandenburger Tor. Sie erklärt, dass die niedrigere Mehrwertsteuer von sieben Prozent geholfen habe, die Preissteigerungen bei Personal, Energie und Lebensmitteln nicht voll an die Kunden weitergeben zu müssen. Üres sagt, viele Wirte würden schon jetzt privates Geld einbringen, um die Preise vergleichsweise niedrig zu halten. Erhöhe die Ampel die Mehrwertsteuer von 7 auf 19 Prozent, dann funktioniere das alles nicht mehr. Dann komme es zu deutlich höheren Preisen in den Gaststätten – oder gleich zu massenweisen Schließungen von Kneipen und Restaurants.

Die Pandemiepolitik hat einen massiven Einbruch der Umsätze in der Gastronomie verursacht. Das war für die große Koalition der Anlass, die Mehrwertsteuer für die Gastronomie von 19 auf 7 Prozent zu senken. Nach der Pandemie erholte sich die Gastronomie zwar wieder, wie Zahlen des Statistischen Bundesamtes belegen. Doch sie blieben selbst in guten Monaten mindestens 5,7 Prozent unter den jeweiligen Werten von 2019. Seit September 2022 gehen die Zahlen wieder komplett in den Keller.

Die Gastro-Gewerkschaft NGG führt das auf einen Nachholeffekt zurück. Direkt nach der Pandemie hätten die Gäste ein Bedürfnis gehabt, Versäumtes nachzuholen. Doch mittlerweile sei dieser Effekt verpufft und litten die Gäste ihrerseits unter den steigenden Kosten, die der hohen Inflation folgen. Also sparen sie schon jetzt am Besuch in der Kneipe oder im Restaurant.

Kommt die Erhöhung der Mehrwertsteuer durch die Ampel, sagt Hartges von der Dehoga, dann wird das die Umsätze der Branche weiter nach unten ziehen. Vor allem kleinere Betriebe würden das nicht überleben. Diese seien aber nicht nur Betriebe, sondern erfüllten auch soziale Aufgaben. Falle diese soziale Funktion weg, wäre das verheerend für ein Land, in dem ohnehin schon Missmut und schlechte Laune herrschten, sagt Hartges: „Das wäre ein Zeichen, das das Land derzeit gar nicht brauchen kann.“

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Kommentare ( 74 )

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Profilsohle
6 Monate her

Aus: Ökologische Finanzreform: Produktbezogene Anreize als Treiber umweltfreundlicher Produktions- und Konsumweisen – Reformvorschläge für die Mehrwertsteuer ▶ Umweltbundesamt/Publikationen ab Seite 90 ff „3.3.4 Mögliche Ausgestaltung einer reformierten Mehrwertsteuer-Regelung für Reparaturdienstleistungen Der reduzierte „Mehrwert“-Steuersatz von 7% könnte ( seit Jahren) auf Reparaturen der in der EU-MwStSystRL vorgesehen Güter angewendet werden: für Reparatur von Fahrrädern, Schuhen und Lederwaren, Kleidung und Haushaltswäsche. Dies könnte relativ leicht in das etablierte System der Mehrwertsteuer und den bestehenden reduzierten Satz integriert werden. Das könnte Müll reduzieren und unnötige Neuproduktion vermeiden. Einer weiteren Studie des Umweltbundesamtes zufolge belief sich die Summe umweltschädlicher Subventionen im Jahre 2018 auf… Mehr

WGreuer
6 Monate her

Da stellt sich die Frage, welche Partei die ganzen Kneipen-, Restaurant- und Hotelbesitzer denn gewählt haben? Welche Partei haben denn deren Angestelle gewählt? Ampel? Union? Haben die alle das Kleingedruckte dieser Parteien nicht gelesen? Haben die alle nicht verstanden, dass die Inflation KEIN Versehen ist sondern zum größten Teil der linksgrünen Energiepolitik zu verdanken ist (und nicht Putin!)? Und dass die Inflation nach dem 31.12. nochmal extrem steigen wird, wenn die massive Erhöhung der LKW-Maut, die nochmals kräftigst steigenden CO2 Zertifikatspreise und vor allem die verdoppelte CO2 Steuer zuschlagen werden? Was glauben die alle, wird dann passieren? Glauben die, wenn… Mehr

Kraichgau
6 Monate her

Ist ja schön,das die Kneipiers und Restaurateure gefühlt jährlich Ihr totenglöcklein leuten,aber wer soll das glauben? Einfach mal anfragen,was Koch-Azubis im Schnitt verdienen und wie Ihr Arbeitsalltag,Schichten etc aussieht….wer dann sich wundert,das unter diesen Bedingungen keiner mehr anfängt(habe selbst 2016 einen kennen gelernt,der in 6 1/2 Tage Woche von einem „kleinen lokalen Restaurantbesitzer“ ausgebildet wurde). Diese Branche hat seit 1990 komplett den Bezug zur eigenen Basis dank „Convenience“ verloren,wo früher 60 Köche angestellt waren(1985 Kempi),waren es 1999 noch 35.(inklusive Azubis) Wer nicht versteht,das Convinience zwar schnell „Mannkosten“ spart,aber zur gleichen Zeit den Nachwuchs auslöscht,sollte heute nicht jammern. ich kenne noch… Mehr

Juergen P. Schneider
6 Monate her

Mir ist das wirtschaftliche Überleben der Corona-Knechte sowas von egal. Als ungeimpfter Sozialschädling komme ich auch mit einem reduzierten Angebot aus, da ich während der Panik-Pandemie ja ebenfalls nirgends reindurfte, dafür haben die willfährigen Gaststättenbetreiber ja sehr dienstbeflissen gesorgt. Das große Gejammer dieser obrigkeitshörigen Mitläufer entlockt mir nur noch ein hämisches Grinsen. Nichts ist vergessen und nichts ist verziehen, liebe Hygiene-Faschisten.

Andreas A.
6 Monate her

Ich war im Herbst 2021 in Saintes Maries in Frankreich, einem der in Sachen Corona bekanntermaßen rabiatesten Länder Europas. Dennoch gab es da ein kleines Restaurant mit Wein, Essen und Musik, in dem DEMONSTRATIV auf Gesundheitspass, Maskenpflicht und Abstand gepfiffen wurde. Ich habe da nie auch nur eine einzige Maske gesehen! Stimmung bis morgens um drei, jeden Tag brechend voll. Offensichtlich KANN man sich also querstellen, wenn man will. Ein Weg für die Wirte wäre gewesen, sich zu organisieren und zu sagen: „Ab morgen ist geschlossen – und zwar dauerhaft und überall – und alle Beschäftigten sind entlassen.“ Dann wären… Mehr

MichaelR
6 Monate her
Antworten an  Andreas A.

Die Gastronomen, die gerade am Jammern sind, weil alles zu teuer würde und es kein Personal gibt, haben ihren Teil dazu beigetragen, wenn die Gäste wegbleiben. 1.) Die Preise wurden in der Gastronomie schon mehrfach angehoben, wobei zum Ausgleich die Portionen kleiner wurden. 2.) In der Gastronomie bekommen die meisten Unternehmen keine Mitarbeiter mehr, weil sie ihre Leute nicht mal anständig bezahlen wollen. Und weil es noch nicht reicht, werden die dann auf 520,– € -Basis beschäftigt und müssen ständig abrufbereit sein. Heute Morgen stand ein Artikel an erster Stelle, in dem von einem Influencer gesprochen wurde, der prophezeite, dass… Mehr

alter weisser Mann
6 Monate her

Demo gegen Erhöhung der Mehrwertsteuer – Ein Zeichen, das das Land nicht brauchen kann …… find ich hübsch zweideutig.
Genauso wie das „Versprechen“ des Scholz „Verlängerungsentscheidung getroffen in dem sicheren Bewusstsein „Das schaffen wir nie wieder ab“.

Karlito
6 Monate her

Lang vorbei die guten Zeiten, wo die Mehrwertsteuer nur 13% betrug. Auch die 19% waren das Werk von Merkel. Und natürlich ist das viel zu hoch für Kleinbetriebe.

Michael Palusch
6 Monate her
Antworten an  Karlito

Ja, Merkel natürlich auch, aber den Hauptanteil hat hier die SPD.
Die Müntefering-SPD, 2005 in den Wahlkampf gezogen mit dem Versprechen, die MwSt nicht zu erhöhen -die Merkel-CDU wollte +2%-, um sich aber dann im Koalitionsvertrag auf +3% zu „einigen“, was 2007 auch umgesetzt wurde.
Wäre es sehr vermessen, auch in diesem Fall von Wahlbetrug seitens der SPD zu sprechen?

Michael Palusch
6 Monate her

Die Wirte bringen „privates Geld mit, um die Preise vergleichsweise niedrig zu halten“?! Das ist ganz nah an Habecks Unternehmen die aufhören zu produzieren, aber deswegen noch lange nicht insolvent sind. Es ist die lauschige Erzählung vom Kneipier, dem nichts mehr am Herzen liegt als das Wohl seiner Gäste. Wie das in der Realität aussieht, konnte der interessierte Gast fast 3 Jahre lang in Augenschein nehmen. Zunächst platziert hinter Plexiglasverschlägen am Einzeltisch, dann bei der Angabe seiner „Kontaktdaten“ bis hin zum mißtrauischen Blick bei der Kontrolle von Impfpass oder Genesenennachweis, und immer damit rechnend, beim Gang zur Toilette wegen nicht… Mehr

Andreas A.
6 Monate her
Antworten an  Michael Palusch

Exakt so habe ich das auch erlebt. Linientreue bis zum Erbrechen, mit wenigen rühmlichen Ausnahmen. Es gab sogar Restaurants, die sich auf ihren Websites mit ganz besonders schikanösen Maßnahmen brüsteten. Und einer der schlimmsten Speichellecker von Spahn, Lauterbach und co. war die Dehoga.

alter weisser Mann
6 Monate her
Antworten an  Michael Palusch

Der Gastronom steckt sein Erspartes in den Laden? Ja klar doch, aber für gewöhnlich laufen eher Verbindlichkeiten rundherum hoch und die Gläubiger (Vermieter, Versorger, Personal, Lieferanten, Finanzamt usw.) zahlen die Zeche, wenn der Gastronom die Zelte abbricht und weiterzieht. Selbst zur eigentlich angesagten Insolvenz muss man etliche von denen tragen, weil die ehrenwerten Kaufmannseigenschaften wenig ausgeprägt sind und welcher Gläubiger will da schon mit Kostenrisiko aktiv werden?

elly
6 Monate her

Die Senkung der MWSt auf 7% in der Gastronomie war Teil der Corona Hilfen. Die Wirte mussten diese Senkung nicht an die Kunden weiter geben und sie taten es auch nicht. Heißt von den Kunden kassieren sie 19%, ans Finanzamt überweisen sie aber nur 7%. Die Differenz von 12% landet auf den Konten der Wirte. Wenn nun wieder 19% MWSt ans Finanzamt überwiesen werden müssen, ist das KEINE Erhöhung, sondern ein Ende der Hilfen.

horrex
6 Monate her
Antworten an  elly

So war es gedacht!
Nur … MARKT funktioniert halt nicht „nach den Vorstellungen von planwirtschaftlich inspirierten Regierungen“. –

Marcus Iunius Brutus
6 Monate her
Antworten an  elly

Das ist richtig, anders als die allgemeine Senkung der MwSt in der zweiten Hälfte 2020 sollte die Senkung für die Gastronomie gerade nicht an die Kunden weitergegeben werden als Unterstützung für den nicht aufholbaren und endgültigen Umsatz-Ausfall während des ersten confinements. Das war zum einen nicht systemgerecht (Überwälzbarkeit der MwSt). Zum zweiten sind andere Branchen wie die Friseure, die auch nicht wieder aufholbare Umsatz-Ausfälle zu verzeichnen hatten, leer ausgegangen, obwohl auch hier nach EU-Recht der ermäßigte Steuersatz zulässig wäre. Die DEHOGA ist halt besonders schlagkräftig und hat das Ohr der Bayerischen Staatsregierung. Im übrigen war die Senkung für die Gastronomie… Mehr

what be must must be
6 Monate her

Selbstverständlich Betriebssterben. Ich halte die Preise der Gastronomie inzwischen für mehr als kostendeckend.Habe mir inzwischen eine Verweigerungshaltung – Konsum nein! – zugelegt. Schadet zwar dem Gemeinwohl, läßt mich allerdings prima überleben.