Merz besetzt Ministerposten mit Blick auf westdeutsche Landtagswahlen

Friedrich Merz und Markus Söder haben die Minister vorgestellt, die CDU und CSU in der neuen Bundesregierung vertreten sollen. Glanz und Aufbruch vermitteln diese nicht. Aber immerhin gibt es kleine Fortschritte.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Ebrahim Noroozi

Eins muss man Wikipedia lassen. Sie wissen, wie man eine Kandidatin hotet: Sie wuchs als Kind türkischer Gastarbeiter in Deutschland auf. Whamm. Ihr Vater war Bergarbeiter. Wusch. Ihre Mutter putzte. Zisch. Ihre Abiturprüfung legte sie an der Willy-Brandt-Gesamtschule in Marl ab. Zack. Da kommt eine aus dem Volk, eine mit sozialdemokratischen Wurzeln, eine von uns. Nicht so eine, die Germanistik und Kommunikationswissenschaft studiert hat. Die ihre Berufslaufbahn gleich in einem Ministerium begonnen hat und dann als Referentin im Schatten eines Schattengewächses wie Armin Laschet herangewachsen ist.

Also gut. Das alles trifft auf Serep Güler auch zu. Aber Wikipedia hat schon recht. Wenn man die neue Staatssekretärin der CDU im Außenministerium verkaufen will, dann muss man sich auf die Arbeiterkind-Geschichte stürzen. Sonst wäre es einfach noch eine von denen, die sich als Soldatin in der Partei nach oben gedient haben, bis endlich eine lukrative Stelle freigeworden ist. Bei der Gelegenheit: Philipp Amthor wird Staatssekretär für Staatsmodernisierung. Kein Witz. Das ist die Geschichte der Politik-Riege, die CDU und CSU als neues Kabinett anbieten. Auch wenn die Parteichefs Friedrich Merz und Markus Söder genau diesen Eindruck zu vermeiden suchen.

Da hilft es, dass die Union ein guter Werbekunde der Bild ist. Die titelt: “Merz macht Top-Manager zum Digitalminister”. Whamm, wusch, zisch und zack. Die USA haben Elon Musk und Deutschland hat Karsten Wildberger. Der eine schießt Raketen ins All und kämpft für die Meinungsfreiheit. Der andere führt eine Marktkette, die noch CD-Abteilungen besitzt und deren Personal täglich den Beweis antritt, dass es nicht nur im Internet schwer ist, persönlichen Service zu erhalten. Die USA sind Marktführer in Sachen digitaler Technik und arbeiten unter der Führung Donald Trumps ernsthaft am Abbau der Bürokratie. Deutschland ist abgehängt in Sachen Digitalisierung und Merz will das ändern, indem er ein neues Ministerium schafft. Noch mehr Bürokratie. Mit einem CD-Abteilungs-Manager an der Spitze. Yeah. Das klappt bestimmt.

Wenn sich was Gutes über die neuen Minister sagen lässt, dann: Schlimmer als bisher konnte es nicht kommen. Katherina Reiche wird Wirtschaftsministerin und beerbt damit Robert Habeck (Grüne). Der konnte zwei Dinge gut: Scheitern und Mitarbeiterinnen der Öffentlichen-Rechtlichen becircen, indem er so toll offen über sein Scheitern redete. Reiche war Managerin des Jahres und nach ihrer Zeit als Staatssekretärin im Umweltministerium, von 2009 bis 2013 unter anderem Vorsitzende der Geschäftsführung der Eon-Tochter Innogy. Kurzum: Sie ist Chemikerin, kennt die Wirtschaft aus eigener Erfahrung und hat politische Erfahrung als Abgeordnete und Staatssekretärin. Katharina Reiche ist eine angenehm gute Besetzung, wie man sie vom Berliner Casting her gar nicht mehr gewöhnt ist. Hier steht allerdings die Frage im Raum: Wieviel Kompetenzen bleiben im derzeitigen Wirtschaftswachstum- und Klimaministerium – vor allem: Wer gibt in der Energiepolitik künftig den Ton an?

Außenminister wird Johann Wadephul. Ist er eine Verbesserung im Amt? Er kann gerade Sätze bilden, legt keine 360-Grad-Wenden hin und verfolgt nicht die Obsession, die Feinde Israels mit deutschem Steuergeld ausstatten zu wollen. Also ja. Wolfram Weimer wird Kulturstaatssekretär. Ist er auch eine Verbesserung im Amt? Er folgt auf Claudia Roth (Grüne). Also ja. Er war früher mal Chefredakteur des Focus und der Focus wusste als erster von der Personalie… Aber egal. Weimer verdrängt Claudia Roth und das genügt wohl als Fortschritt.

Merz hat sein Kabinett mit Blick auf die wichtigen Wahlen im nächsten Jahr besetzt: Nina Warken wird Gesundheitsministerin. Ein Ziehkind ihres Schwiegervaters Hans-Georg Warken, über Jahrzehnte die graue Eminenz der saarländischen CDU. Aktuell ist sie Generalsekretärin der Partei in Baden-Württemberg. Verkehrsminister wird Patrick Schnieder. Sein Bruder Gordon will nächstes Jahr Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz werden und damit nach 35 Jahren eine ursprüngliche Hochburg der Partei zurückgewinnen.

Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz wählen im März 2026. Für Merz wird das der erste ernsthafte Test, ob er eine erfolgreiche Regierung anführt, die den Erfolg der AfD als Protestpartei beendet – oder ob er durch weiteres Scheitern der AfD weitere Wähler zuführt. Warken und Schnieder sollen dann als Berliner Politprominenz nach Hause fahren und mit ihrem Glanz ihren Heimatsverbänden zum Sieg verhelfen. Nina Warken und Patrick Schnieder. So etwas glauben die in Berlin wirklich. Nur für den Fall, dass es jemand für eine weit hergeholte Erzählung hält, dass diese Blase den Bezug zur Außenwelt verloren hat. Aber immerhin: Nina Warken löst Karl Lauterbach (SPD) ab und gehört damit zu den 84 Millionen potenziellen Verbesserungen im Amt des deutschen Gesundheitsministers.

Die Kabinettsliste der Union ist ein Spiegel des Landes: Kein Glanz. Kein Aufbruch. Aber wo soll das auch bitte herkommen? Deutschland hat keine Tech-Pioniere, also muss es hierzulande ein Elektro-Discounter sein. Im deutschen Fernsehen gibt es keine glamourösen Journalisten, die eine Meinung gegen den Strich bürsten. Und schon gar nicht gibt es beides zusammen. Also muss ein Focus-Autor den Grußonkel spielen, der künftig die Schecks in den tristen staatlichen Kultur-Kombinaten verteilt.

Deutschland hat einen Politik-Nachwuchs, der keine Ecken und Kanten haben darf, um im System einer konformistischen Elite-Auswahl nach oben zu schlüpfen. Logischerweise hat dieser Nachwuchs kein Profil, wenn er dann endlich oben angekommen ist. Friedrich Merz hat bisher nichts getan, um einen Aufbruch auszulösen und viel um Resignation zu verbreiten. Warum sollte es ausgerechnet mit der Präsentation seines Personals anders laufen. Etwa, wenn die neue Familienministerin Karin Prien beweist, dass die Union die Merkel-Ära nicht überwinden sondern fortsetzen will.

Ist das Personal erst mal oben, fällt es nicht mehr runter vom Karussell. Das zeigt das Personal der CSU: Alexander Dobrindt hat als Verkehrsminister Autobahnbrücke verfallen lassen. Söder macht ihn zum Innenminister. Dorothee Bär war Staatssekretärin für Digitales. Der Stand der Digitalisierung in Deutschland ist bekannt. Viel mehr berüchtigt. Söder macht sie zur Forschungsministerin. Eine passende Nachfolgerin für Bettina Stark-Watzinger (FDP). Außerdem verantwortet sie den Bereich Raumfahrt. Unter Bär wird Deutschland Raketen in die Luft schießen will. Da passt es, dass die neue Regierung eine Zwangsversicherung für Katastrophenfälle einführen will. Landwirtschaftsministerin wird Alois Rainer.

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Kommentare ( 76 )

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andreas donath
13 Tage her

Diese Regierungs-Mann- und -Frauschaft ist eine schallende Ohrfeige für jeden, dem der Begriff „gesunder Menschenverstand“ noch etwas sagt und der nicht mit dem Klammersack gepudert ist. Das Feigenblatt Wolfram Weimer ändert daran überhaupt nichts, bei so vielen Bellizisten, Impffanatikern, Gesinnungs-Grünen, Haltungs-Woken, Herz-Jesu-Sozialisten und echten Marxisten. Eine gruselige Vorstellung, in Kürze von solchen Leuten regiert zu werden, gerade wo der richtig fies hinter die Fichte geführte Wähler doch etwas ganz anderes wollte! Ich muss aber auch die erschreckende Naivität vieler Bürgerlich-Konservativer und Liberalkonservativer anprangern. Es fehlt ihnen schlichtweg an Menschenkenntnis, Kritikfähigkeit sowie – wo es sein muss – an Konfliktbereitschaft. Sie… Mehr

Last edited 13 Tage her by andreas donath
Micky Maus
12 Tage her
Antworten an  andreas donath

Sie reden von erschreckender Naivität! Ich denke da eher an nicht eigenständiges Denken, teilweise sogar von Hirnlosigkeit. Wenn man nach 16 Jahren Merkelsche verlogene Verblödungspolitik, diese wählerbetrügende Partei wieder wählt, hat man doch nichts dazu gelernt bzw. begriffen!

RA.Dobke
15 Tage her

Ausgezeichneter Artikel Klingt von CDU/CSU ein wenig wie Vetternwirtschaft a la SPD ;o) „Weiter so Deutschland“ ist eine alte Parole der CDU.
Mir ist es recht, bringt das alles die wahren Kritiker mit ihrer berechtigten Kritik nach vorn! Es ist an der Zeit, daß rechter und linker Flügel stark werden. Nur dann werden wir uns aufschwingen können. Hauptsache ist, daß der „fette Arsch“ der sog. Mitte leichter wird. Das Trägheitsmoment von denen muß abgebaut werden, sonst gibt’s keinen Aufschwung der Gesellschaft und Wirtschaft!

Mikmi
15 Tage her

Es geht schon los, einer macht die Raute, ich suche noch den, der den Zeigefinger zeigt. Wer an Spahn festhält, der leugnet die Realität, Amthor hat welche Aufgabe und zu Gutenberg soll wieder Salonfähig gemacht werden?
Es was gutes hat das Ganze, endlich verschwinden einige Gesichter, ich hoffe auch im TV.

Spyderco
15 Tage her

Wadepuhl-eine Verbesserung?!

Stimmt.
Statt wie seine Vorgängerin Russland den Krieg zu erklären,äußert er lediglich in einem Interview mit zwei Prankstern,die sich als Selenskyj-Betater ausgaben:

,,Egal wie der Krieg endet,Russland wird immer unser Feind sein!“

https://t.me/Haintz/52297

Last edited 15 Tage her by Spyderco
andreas donath
13 Tage her
Antworten an  Spyderco

Ich gehe nicht davon aus, dass der „nette“ Herr Wadepuhl jemals im Kreml empfangen werden wird – so viel Selbstachtung haben die Russen. Und ob Vance oder Rubio ihm irgendwann vielleicht mal drei Minuten ihrer wertvollen Zeit opfern werden, scheint mir auch noch offen zu sein. Trump selbst hat ohnehin kein freies Zeitfenster für derart unwichtige Leute.

bfwied
15 Tage her

Auch wenn man nie nach dem ersten Eindruck urteilen sollte, offenbart der erste Eindruck in aller Regel, in welchem Spektrum jemand angesiedelt ist! Reiche war führend bei EON, und diese Firma hat sich voll und ganz den „Erneuerbaren“ verschrieben. Die wollen keine Atomkraft mehr, sie wollen Maßgaben, auf die sie sich verlassen können, und diese Maßgaben sind angefüllt bis oben hin mit Subventionen. Ohne Subventionen läuft gar nichts mit den „Erneuerbaren“, diesem Holzweg, der immer schwieriger wird, in dem man schließlich zwangsläufig stecken bleiben wird. Soll man von einer EON-Sozialisierten etwa eine grundlegende Änderung hin zur Vernunft erwarten? Das würde… Mehr

Peter W.
15 Tage her
Antworten an  bfwied

EON ist Bestandteil der woken Blase!

andreas donath
13 Tage her
Antworten an  bfwied

Bis auf diesen Abschnitt, dessen Sinn sich mir nicht erschließt, stimme ich Ihnen zu: „Einer wie der nicht gerade toll auftretende Trump würde das tun, so einer könnte es besser machen als Trump es derzeit tut.“ Da möchte ich noch um Übersetzung für einen Normalsterblichen bitten. Desweiteren finde ich, dass Trump in den ersten 100 Tagen seiner Präsidentschaft, sehr, sehr vieles gut und richtig gemacht hat. Sein Job ist es, die Interessen der Amerikaner mit Nachdruck zu vertreten, von denen ihn mehr als 77 Millionen gewählt haben, nicht uns zu Gefallen zu sein. Und der Mann zeigte sich von seiner… Mehr

Peter W.
15 Tage her

Wikipedia weiss wie man „hotet“ , einer viel Anglizismen, oder ein Tippfehler. Im ersteren Fall bitte vermehrt den Reichtum und die Schönheit der deutschen Sprache nutzen. Es lohnt sich.)

Die Wahrheit
15 Tage her

Ist doch völlig egal wer oder wieviel Posten besetzt werden. Die Motorsäge bleibt im Schrank und das solange, bis der Deutsche am Sonntag Morgen, keine Butter und keine Marmelade mehr auf dem Brötchen hat. Und das kann noch sehr lange dauern (vor allem in West Deutschland).

Manfred_Hbg
16 Tage her

Ach, Herr Thurnes, ich liebe Sie einfach immer mehr – welch ein Artikel. Besonders gut gefallen hat mir der dritte Absatz der mit der Zeile beginnt „Da hilft es, dass die Union ein guter Werbekunde der Bild ist. Die titelt….“ und wo Sie dann auch soo schööön den „Top-Manager“ Karsten Wildberger mit Elon Musk vergleichen. Ich lach mich weg… . Aber auch der alles andere war einfach herrlich. Ich hatte mir heute mal im Hintergrund bei WELT und ntv die Merz-Reden und seine Klatschhasen reingezogen und was ich da gehört hatte, das hat mich schon da mehr als Schwarz sehen… Mehr

Montesquieu
16 Tage her

Die Impotenz der Union wird zeitnah sichtbar werden. Der Katalysator SPD (Danke dafür) wird liefern. Es wird kein gutes Ende nehmen. Aber lieber ein Ende mit Schrecken als ein entwürdigendes Siechen unter Personalien wie Merz und Söder. Deutschland ist selbstverschuldet am Ende. Finis. Sektiererischer Selbsthass wird von der Evolution eingeebnet und das ist gut so. Neues wird kommen, erbärmlicher wirds nicht sein.

Thors Hammer
15 Tage her
Antworten an  Montesquieu

Die Schwarzen von der Union werden deutlich noch stärker von den grünen Sektierern unterwandert werden. Das ist der neue grüne Geheimbefehl, weil sie, die Grünapostel, keinen bedeutsamen Anteil an der Regierung mehr haben.
Das dient der Tarnung, um ein Verdikt seitens Trumps und Vance zu verhindern.

GefanzerterAloholiker
16 Tage her

Die Anzahl der Merz und Unionstrolle auf den Kommentaren ist Legende. Mein eigener Kommentar wurde von über 20 auf unter 10 herabgewertet – liegt aber genau auf der allg. Spur hier. Ich meine, das war nicht der einzige Vorfall. Was ich für üppige Trollaktivität halte.
Hier auf TE lassen sich die Leute nicht A für B vormachen. In ihrer Rolle ist das Personal mit dem Merz/Union antritt bereits hinreichend gescheitert.
Zumal die wichtigsten Ministerposten bei der SPD liegen: diese Minderheitenpartei verbrät das Geld. Insofern: auch Herr Merz kann nicht Kanzler.

Last edited 16 Tage her by GefanzerterAloholiker