Die Bauindustrie erstickt – die Regierung will mit Pflastern helfen

Der Neubau bricht in Deutschland dramatisch ein. Das Baugewerbe droht in die Rezession zu rutschen - trotz hohen Baubedarfs. Die Lösung der Bauministerin: Neue Effizienzregeln für Neubau aussetzen. Für wenige Jahre, denn schon 2030 droht der nächste Hammer.

IMAGO / BildFunkMV

In Berlin wurde Anfang des Jahres eine Wohnung für 1.071 Euro warm angeboten. Mieten konnte man dafür drei Zimmer zu insgesamt 74 Quadratmetern und das Gefühl sich gegen tausende Mitbewerber durchgesetzt zu haben. Mehr als 600 Bewerbungen wurden auf diese Wohnung alleine in der ersten Stunde eingereicht. Zur Besichtigung war die Schlange der Interessenten mehr als 100 Meter lang und schaffte es in die Lokalpresse.

Sicherlich, die Wohnung war in guter Lage im beliebten Stadtteil Charlottenburg – wer aber in der Hauptstadt schon eine Wohnung gesucht hat, weiß: Es war ein unschlagbares Angebot. Ähnliche Vermieter können schnell 1.000 Euro kalt für ein Objekt aufrufen. Schon 2017 sorgte ein ähnlicher Fall für aufsehen: Nobelviertel Prenzlauerberg, 80 Quadratmeter, knapp unter 1.000 Euro: 800 Bewerber kamen zur Besichtigung. Zahnärzte, Gynäkologen und Bundestagsabgeordnete seien gekommen, so die Vermieter zum Focus.

Das ist die Bundeshauptstadt und eine der kulturell wichtigsten Städte des Kontinents. Aber auch andere Großstädte und die Klein- und Mittelstädte haben diese Probleme. Ruft man auf dem Immobilienportal Immoscout24 Wohnungen mit den obigen Charakteristiken auf, kostet die Wohnung meistens gar mehr als in Berlin – und es gibt kaum mehr als 20 Angebote. In Frankfurt und Umgebung ist es ähnlich: Wiesbaden, Darmstadt, sogar Offenbach rufen Preise um 1.000 Euro für 75 Quadratmeter und zwei Zimmer in zentraler Lage auf.

Was kann man tun? Roland Tichy diskutiert das Problem am 9. September in Dresden auf der Bauen Kaufen Wohnen Messe. Zu Gast sind Experten aus Politik und Wirtschaft. Die Messe soll Themen zum Immobilienerwerb, Finanzierung, Bau und Renovierung der eigenen vier Wände abbilden. Ein besonderer Fokus sind die Themen Wohneigentum und Energie.

Die Bauwirtschaft ist in der Krise

Es muss gebaut werden, um der Wohnungsnot zu begegnen. Doch die Immobilienbranche steht vor dem Zusammenbruch. Anders lassen sich die Entwicklungen nicht mehr beschreiben. Das Statistische Bundesamt meldete in der vorherigen Woche, dass im ersten Halbjahr dieses Jahres 27 Prozent weniger Anträge auf Wohnungsbau gestellt wurden als im Vorjahr. Das sind 50.600 Wohnungen, die weniger genehmigt wurden. Das Ifo-Institut meldet, dass die Bauunternehmen vor leeren Büchern stehen. 40 Prozent der befragten Unternehmen beklagen einen Auftragsmangel, im Juni waren es noch 35 Prozent, vor einem Jahr 11 Prozent.

Die Baubranche sieht sich mit einer linker-Haken-rechter-Haken-Kombination konfrontiert. Nach Jahren, in denen Banken ihr Geld nicht schnell genug verleihen konnten, steigen die Zinsen nun scharf an. Das schlägt besonders auch auf den Bausektor durch. Der Leitzins der EZB beträgt jetzt 4,25 Prozent, Tendenz steigend, um die Inflation zu bekämpfen. Der Bauzins folgt dem Leitzins eng. Die Kosten für Baumaterial wie Holz und Stahl sind schon lange aufgrund der Nachfrage aus Nordamerika und China hoch, die Energiepreise sinken wieder – sind aber immer noch hoch. Das Ergebnis ist ein linker Haken aus hohen Preisen, dem ein rechter Haken staatlicher Überregulierung folgt. 10,5 Prozent der Wohnungsbaufirmen sind laut Ifo-Institut in Finanzierungsschwierigkeiten. 2022 waren es halb so viele.

Der rechte Haken ist die Überregulierung Deutschlands, die insbesondere auch in der Baubranche zuschlägt. Der Mindestlohn von mittlerweile 12 Euro spielt da rein, ist aber nicht alles. Ein üppiges Bürgergeld macht die Arbeit im kräftezehrenden Bau unattraktiv. Und zahllose Vorschriften darüber, wie zu bauen ist, verschärfen die Situation.

Regulierung wird vertagt – nicht abgeschafft

Ab 2025 gelten neue Effizienzstandards für den Bau. Effizienzstandards gibt es jetzt schon, die neuen Standards verlangen aber eine noch intensivere Dämmung von Neubauten und mehr Investitionen in Dämmmaterial. Nun will Bauministerin Klara Geywitz den Stichtag für diese neuen Regeln vertagen. Es ist eine Scheinhilfe für die Branche: Bauprojekte, besonders Großprojekte, wie sie nötig sind, um der Wohnungsnot zu begegnen, werden nicht auf Sicht geplant, sondern Jahre im voraus. Auch will sie durchsetzen, dass Neubauten schneller abgeschrieben werden können, und so für die Besitzer Steuern sparen. Aber: Das reduziert nicht die Kosten des Baus an sich. Es ändert nichts daran, dass es einen Mangel an Bauland gibt, oder das investitionsfeindliche Versuche, Wohnungsunternehmen zu enteignen, von der Politik in Städten wie Berlin aktiv gefördert werden.

Ein Vertagen der neuen Effizienzstandards ist auch Augenwischerei. Das EU-Parlament arbeitet die Details für ein Gesetz aus, das vorsieht, dass neu errichtete Wohnhäuser ab 2030 nur noch als Null-Emissionshäuser gebaut werden dürfen. Bis 2050 muss jedes Gebäude ein Null-Emissionshaus sein. Der Sektor als ganzes, also auch der Bauvorgang, soll CO2-frei werden. Das Parlament verhandelt nun mit den Mitgliedstaaten, wie das Gesetz in den Details aussieht. Bestehende Wohngebäude müssten danach bis 2030 zu einem Mindeststandard an Effizienz nachgerüstet werden. Solche Unsicherheiten verursachen nicht nur Kosten zur Durchführung: Sie verunsichern Investoren und Bauherren. Denn ein Haus ist eine Investition, die über ein Leben abbezahlt wird. Derartige Regulierungen mit kurzem Zeithorizont machen Planung gefährlich und treiben die Risiko-Kosten. Neue Wohnungen, Einfamilienhäuser oder Mietwohnungen entstehen dadurch aber nicht.

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Kommentare ( 66 )

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Patrick Heinen
1 Monat her

Exakt wie die letzten 100 Jahre des Weströmischen Reichs aus dem der Feudalismus entsprungen ist weil alle – alles an den Staat und dessen Beamte verloren haben Land, Haus etc… und die Beamten dann die Menschen festbinden mussten damit diese sie ernähren – da sieht man 15 Minuten Städte und das Wort Neofeudalismus doch direkt in einem ganz anderen Licht und da die Leibeigenschaft erst ich glaube 1836 im Königreich Hannover abgeschafft wurde haben wir es gerade mal auf 200 Jahre in Freiheit gebracht. Tolle Leistung…

Phil
1 Monat her

Das eigentliche Problem ist der Sozialstaat, seine Überschuldung und Gefrässigkeit. „Klimagesetze“ (Wie CO2-Abgaben, Dämmpflicht für Gebäude, Heizungswechsel, Mobilitätswende, Energiewende etc.) sind lediglich dazu da, neue Steuereinnahmen und Machtpositionen für Funktionäre und eine wachsendes Heer von Bürokraten zu generieren. Während dem Konsument immer höhere Ausgaben für Energie, Dienstleistungen und Produkte entstehen, kassiert der Staat jedes mal mit. Höhere Preise bedeuten Mehreinnahmen für den Staat, alleine durch die Umsatzsteuer steigen die Steuereinnahmen des Staates massiv. Während die Konsumenten sich zu den höheren Preisen immer weniger leisten können, hat der Staat immer mehr Geld zur Verfügung. Eine weitere Steuer, welche die Schulden des… Mehr

Holger Wegner
1 Monat her

Warm für 74 m2 sind das doch Preise, die man schon vor 15 Jahren in Stuttgart und Co zahlen musste. Und Berlin ist die Hauptstadt. Nur ist dort das Billigmieten als Tradition im Gehirn verankert. Das wahre sozialistische Paradies war zu DDR-Zeiten Westberlin, stand schon vor langer Zeit im Spiegel.

RyderX
1 Monat her

Ich hatte ja weiter unten den Vorschlag gemacht, dass die Fachkräfte ihren Wohnraum selbst bauen. Warum nicht? Nach dem Krieg haben die Bewohner dieses Landes und alle anderen Bewohner aller anderen Länder ihre Häuser auch selbst gebaut. Was wäre daran falsch, wenn die heutigen Fachkräfte beim Bau tatkräftig mithelfen würden? Man erinnere sich, das die Türken nach dem 2. Weltkrieg zum ARBEITEN hierher kamen, was dazu geführt hat, das nicht Wenige von ihnen mittlerweile äußerst geschäftstüchtig geworden sind. Und außerdem ist es ja auch so, dass Arbeit von vielem Schlechten abhält, das wäre noch ein positiver Nebeneffekt. Warum nicht ein… Mehr

WGreuer
1 Monat her

Bürokraten gebären neue Bürokratie, denn nur ein Mehr an Bürokratie verspricht den Bürokraten auch morgen noch einen Job. Die neuen EU-Vorschriften werden dazu führen, dass die Bürger als „einfache Besitzer“ für billiges Geld werden verkaufen müssen. Es geht bei allen Regelungen in westlichen Ländern darum die kleinen Leute, die Mittelständler zu enteignen, wie WEF-Schwab präzise formulierte: „Sie werden nichts mehr besitzen und sich dabei glücklich fühlen!“ Kleine und mittlere Firmen werden sich die Bürokratie nicht leisen können und pleite gehen und die Großkonzerne können dann billig dann übernehmen. Das ist seit langem so geplant – siene auch das Lieferkettengesetz, das… Mehr

Patrick Heinen
1 Monat her

Es ist gerade ein Käufermarkt für Baufirmen die gerade von Finanzinvestoren zum halben wert gekauft werden genauso wie das gerade bei Altbau Immobilien passiert die auf einmal nur noch den halben Wert haben weil Heizungsgesetz und Fit for 55. Wie war das? Wir werden nichts besitzen aber glücklich sein? Läuft…

akimo
1 Monat her

Bitte rettet den Genitiv: „trotz hohen Baubedarfs“

Fritz Goergen
1 Monat her
Antworten an  akimo

Danke.

marcusfiedler
1 Monat her

Und noch was aus eigener Erfahung:
Vor etwa 10 Jahren habe ich in Berlin eine Wohnung gesucht. Es war in meiner Gehaltsklasse schlichtweg nicht möglich. Voraussetzung für das Anmieten einer Wohnung war/ist, ein Nettoeinkommen dass dem 3-Fachen der Warmmiete entspricht.
Harz IV Empfänger werden dort mit Kusshand genommen. Die Miete kommt ja regelmäßig und pünktlich vom Staat.
Diese Fehlentwicklung is also alles Andere als neu.

marcusfiedler
1 Monat her

Nur weil Bauagenehmigungen erteilt werden, heißt das noch lange nicht, dass dann auch tatsächlich gebaut wird.
Denn einen Baukredit gibt es erst, wenn die Baugenehmigung vorlieg. Für die Erteilung der Genehmigung gibt es Fristen. Aber die Baubehörden wissen diese zu umgehen. Z.B. indem sinnlose Nachforderungen gestellt werden.
Wenn sich der BRD-Staat dann endlich die Genehmigung (kostenpflichtig!) erteilt, ist der Kredit nich mehr bezahlbar. Dann is finster!
Im Übrigen spreche ich aus eigener Erfahrung. Leider.

Juergen P. Schneider
1 Monat her

Alles bestens im Prima-Klima-Migrations-Wunderland Deutschland. Man lässt Millionen von Kostgängern wahllos ins Land und wundert sich, dass der Wohnraum knapp wird. Aber wichtiger ist natürlich, dass wir die Welt retten. Wenn schon Größenwahn, dann richtig.